Eigentlich kennen wir uns nicht: Ums-Eck-Verbindungen
„Ich hab schon so viel von dir gehört“, ist ein beliebter Gesprächseinstieg und wird meist begleitet mit der Antwort „Oje, hoffentlich nur Gutes.“ Und wir alle kennen sie: die Freund:innen von unseren engsten Bezugspersonen – oft persönlich, aber oft nur ‚ums Eck‘. Ich kann mindestens acht Personen aufzählen, die mir sofort ein- und in diese Kategorie der zwischenmenschlichen Verbindungen fallen.
Oft dachte ich eine Person bereits zu kennen und wenn man sich persönlich trifft, beschlich mich auch meist ein Gefühl von Verbundenheit mit einer Person, die mir eigentlich fremd ist. Dabei rufe ich mir immer wieder ins Bewusstsein, dass das nicht so ist und wir nur einen Teil dieser Person sehen können – weil sie uns schon gefiltert vermittelt werden.
Und auch nicht unbedingt selbst entschieden haben, was wir über sie wissen und was nicht.
Das findet viel und vor allem auch in romantischen Beziehungen statt: Was ein Freund / eine Freundin von mir weiß, weiß auch oft seine Partnerin / ihr Partner. Manchmal fühlt sich das sehr übergriffig an. Als ich Ende letzten Sommers einen persönlichen Notfall hatte und kurzfristig einen Schlafplatz gebraucht habe, konnte ich netterweise bei einem Freund unterkommen. Damit er die Dringlichkeit meiner Lage verstand, habe ich ihm kurz umrissen, worum es ging. Er fragte, ob er es seiner Freundin mitteilen dürfe. Ein Widerstand machte sich in mir breit, da ich selbst zu dem Zeitpunkt keinen besonderen Bezug zu ihr hatte und auch nicht absehen konnte, dass oder wann sich das ändert. Am Ende habe ich zugestimmt, mit der Intention, ihn vor Erklärungsnot zu bewahren.
Der bittere Beigeschmack blieb: Zu wissen, dass jemand etwas so Intimes über mich weiß, hat sich wie ein arger Eingriff in meine Privatsphäre angefühlt.
Ja, manchmal ist es leichter, sich Fremden anzuvertrauen, aber dann ist das selbst gewählt.
Oftmals kommt es mir aber auch zugute, wenn man gewisse Dinge über mich einfach weiß und ich mich nicht von null an erklären muss. Vor ein paar Wochen saß ich mit besagtem Freund in einer Tapas-Bar in Kreuzberg, und ich lerne seine Partnerin besser kennen. Ich weiß, was sie weiß, und ich spüre ein Grundverständnis, das sie für mich ausstrahlt. Und ich merke auch, wie wichtig sie ihm ist und wie wichtig ich ihm bin. Wir sind nun einmal über das Eck in diesem Set-up, in dem wir an dem alten Holztisch, mit unseren Patatas Bravas und Gambas Alioli darauf, sitzen, verbunden.
Wenn ich Personen in meinem Umfeld frage, wie sie am liebsten Leute kennenlernen – sei es für platonische oder romantische Zwecke – so kommt zumeist die Antwort „Über Freund:innen“.
Und es macht so viel Sinn: Wir haben zumindest erstmal einen kleinen gemeinsamen Nenner – die Freundschaft zur Verbindungsperson – und zum Teil wissen wir schon einfach einiges über die jeweilige andere Person, haben nicht das Gefühl, jemanden völlig Fremdes vor uns sitzen zu haben. Dazu kommt die angenehme Ausgangssituation, in der wir nicht mehr von null an starten, sondern davon ausgehen, dass unser Gegenüber eben auch schon von uns gehört hat und – hoffentlich – bereits positiv vorgeprägt ist.
Und auch wenn uns das Leben in akute Krisensituationen packt, kann es helfen, durch eine bereits bestehende Verbindung mit einer Person connected zu werden.
Wo man vielleicht nicht selbst direkt nachfragen würde, wo es aber gerade goldwert ist, wenn man sich mit einer Person austauschen kann, die eben auch schon einmal in der gleichen oder gar sehr ähnlichen Situation war. Solche ‚Zusammenführungen‘ haben mir in meinen zwei größten Krisen richtig viel gegeben und daher nehme ich es dann doch auch in Kauf, dass Personen, die ich nur indirekt kenne, einiges über mich wissen. Denn eines Tages kann ich damit vielleicht einer anderen Person helfen, die sonst eventuell nicht wüsste, an wen sie sich wenden kann.
2 Antworten zu “Eigentlich kennen wir uns nicht: Ums-Eck-Verbindungen”
Wird amazedmag bald eingestellt? Es wirkt so, weil hier so wenig passiert. :-/
Liebe Hannah,
nein, wir stellen amazed nicht ein :) Die Lebensumstände haben sich bei uns ja ein bisschen geändert, sodass wir gerade ein bisschen mehr auf Instagram machen. Auf der Website kommt weiterhin Content, allerdings weniger :) Auf Instagram hingegen passiert auf jeden Fall mehr, auch in den Stories :) Alles Liebe, Antonia <3