Während die großartige Frau auf mir rumtrampelt und gleichzeitig mit ihren Händen versucht, meinen verkrampften Nacken zu lockern, versuche ich zu entspannen. Eine Stunde nur für mich. Raus aus dem hektischen Alltag, rein in den Massageraum. Hier will ich abschalten und einfach was für mich tun. Selfcare. Weg von der ewig langen To-Do-Liste, emotionalem Ballast und dem permanenten Gefühl „Wie soll ich das bloß alles schaffen?“. Ich spüre die Hände der Frau, immer wieder ermahnt sie mich, locker zu bleiben. „Haben Sie viel Stress?“ Ich murmle ein „Ja“. „Das ist nicht gut.“ Ich nicke wieder, meine Gedanken driften ab, bis ich mich doch endlich entspannen kann. Fünf Minuten später ist die Massage schon um. „War es gut?“ „Ja“, sage ich und wünschte, ich hätte noch fünf Stunden Auszeit gebucht.
Es gab eine Zeit, in der ich so gestresst war, dass ich das Gefühl hatte, noch eine Aufgabe mehr und ich breche einfach zusammen. Doch statt einfach weniger zu machen, rannte ich wie eine Verrückte zur Massage und zum Sport, nahm abends eine heiße Badewanne, trank Tee und legte eine Gesichtsmaske auf. Wenn schon Stress, dann auch jede Menge Selfcare. Mir was Gutes tun, ausruhen, entspannen.
Zur Massage gehe ich noch immer gerne, auch der Sport gehört für mich zu einem ausgeglichenen Leben dazu, und ich liebe es, eine heiße Badewanne zu nehmen und so den Feierabend einzuläuten. Nur die Sache mit der Selfcare, die musste ich dann doch schnell revidieren.
Denn: Egal, wie viel ich badete oder mich durchkneten ließ, der Effekt der Entspannung hielt – ja- gefühlt nur eine Stunde. Danach landete ich wieder im Hamsterrad der Aufgaben, fühlte mich gehetzt und permanent mit einem schlechten Gewissen behaftet. Ich sagte Treffen mit Freunden ab, weil mein Stresspensum keinen weiteren Termin ertrug, lag dann aber auf dem Sofa und ärgerte mich über meine Absage.
„Denn Selfcare hat nichts mit Wellness zu tun, es ist einzig und allein die Bedingung, sich als erste Priorität wahrzunehmen“ – Minusgold
Selfcare bedeutet, sich um sich kümmern. Das kann die Badewanne sein, die für Entspannung sorgt. Das kann das gesunde Essen am Abend sein oder die Massage am Nachmittag. Das ist die Sportstunde nach einem stressigen Tag oder der lang benötigte Arzttermin, um sich endlich wieder fit zu fühlen.
Wenn wir aber ehrlich sind, hat Selfcare nur bedingt mit Wellness und Gurkenscheiben auf der Gesichtsmaske zu tun. Selfcare geht sehr viel tiefer. Sich um sich kümmern heißt vor allem eines: für sich einzustehen.
Das zu tun, was einem gut tut. Sich als erste Priorität einzuordnen und danach zu handeln, wie mir die wunderbare Jaqueline von Minusgold diese Woche aus der Seele sprach und mich zu diesem Text inspirierte. Denn nur, wenn es mir gut geht, habe ich auch die Energie, für andere – ob privat oder beruflich – da zu sein. Das bedeutet, seine eigenen Grenzen kennen und die Reißleine ziehen, bevor es zu spät ist.
Und das will gelernt sein.
Gerade uns Frauen wird gesellschaftlich antrainiert, anderen Menschen zu gefallen. Lieber einmal mehr Ja sagen, auch wenn sich das Nein besser anfühlt. Wir wollen den anderen ja nicht verärgern. Doch Selfcare ist vor allem die Fähigkeit, sich an erste Stelle zu setzen und danach zu handeln, das zu tun, was einem gut tut. Das bedeutet aber auch: Menschen, die es gewohnt sind, dass man lange Zeit nicht für sich einstand, erstmal vor den Kopf zu stoßen. Ihnen erklären zu müssen, warum man heute leider nicht dabei ist oder den Job diesmal nicht annehmen kann. Eine aufrichtige Entschuldigung zu adressieren, bevor der eigene Geist und Körper es einem nicht mehr verzeihen.
Das Verlangen, nach einer Offline-Zeit bei der Massage wurde weniger, als ich, die fast im Stress erstickte, vehement anfing, für mich einzustehen. Schritt für Schritt setzte ich meine eigenen Grenzen. Nicht weil ich wollte, sondern weil ich musste. Mit jedem Nein gab ich ein Ja für mich. Und das fühlte sich zehnmal besser an, als jede Massage.
Auch wenn sich die ersten Mal komisch anfühlten, mein schlechtes Gewissen zwischendrin anmerkte, dass das vielleicht doch keine so gute Idee sei und ich viele Menschen enttäuschen würde, entspannte ich. Ich tauchte tiefer in das Thema ein, beschäftigte mich weiter mit der Theorie der Achsamkeit und schlüsselte das Wort Selfcare für mich auf.
Meine goldenen Regeln der Selfcare:
Wenn es sich falsch anfühlt, tu es nicht!
Sprich aus, was du meinst, denkst und fühlst
Hör auf, zu versuchen, Menschen zu gefallen
Hör auf dein Bauchgefühl
Hab keine Angst Ja oder Nein zu sagen
Sei nett zu dir
Lass los, was du nicht kontrollieren kannst
Selfcare bedeutet heute für mich, ohne schlechtes Gewissen an einem Freitagabend um 22 Uhr Netflix auszumachen und das einzig nötige zu tun: viel zu schlafen. Mich um mich zu kümmern und lieber einmal abzusagen, als sich der nervösen Unruhe auszusetzen. Den FreundInnen ein Nein erteilen, weil das Ja zu mir sich besser anfühlt. Ein Ja zu sagen, weil der Bauch unbedingt dabei sein will. Mich nicht mehr über Dinge zu ärgern, die ich nicht kontrollieren kann. Und vor allem immer und an erster Stelle auf mich zu hören und nett zu mir zu sein. Und das bedeutet manchmal eben auch, eine Massage zu buchen.
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