Die Frage, die ich nicht mehr hören kann: „Und, wann kommen Kinder?“
Wenn ich die Frage „Und, wann bekommt ihr endlich Kinder?“ noch einmal höre, dann gibt es einen klassischen, auf den ersten Blick vielleicht unangebrachten Wutanfall. Dachte ich an jenem Abend. Denke ich heute immer noch. Ja, ich möchte Kinder. Und nein, ich kann nicht sicher sein, dass ich für immer Kinder bekommen kann, denn auch ich habe selbstverständlich als Person mit Gebärmutter die berühmte biologische Uhr. Das ändert aber nichts, rein gar nichts daran, dass ich diese Frage nicht mehr beantworten möchte.
Ich bin kinderlos. Temporär gewollt kinderlos. Ich wünsche mir Kinder aus tiefstem Herzen und freue mich, wenn mein Körper – und der meines Mannes – mir diesen Wunsch irgendwann erfüllen. Ein Wunsch, dessen Erfüllung ich nicht als selbstverständlich, sondern immer als kleines Wunder betrachten werde. Bei all meiner Vorfreude liegt die Betonung aber auf dem nicht unwichtigen Wort „irgendwann“. Es suggeriert hoffentlich und unmissverständlich, dass ich derzeit nicht schwanger bin oder es geplant habe. Wenn man aber seit ein paar Jahren verheiratet ist, hat man die Kinderfrage schon so oft gehört, dass man am vorausgegangenen Atemzug erkennen kann, wann sie dem Gegenüber wieder ausrutscht.
Ob die Frage mir gestellt wurde, oder dem Pärchen, mit dem ich unterwegs war: alle haben immer die gleichen Floskeln und Reaktionen gemein. Es wäre witzig, wenn es nicht so traurig wäre. Aber nicht auf alle (übergriffigen) Fragen, habe ich immer eine schlagkräftige Antwort. Ja, oft bleibe ich auch sprachlos und verwirrt zurück. Gleichzeitig bin ich es auch satt, nach dieser Frage spöttisch auf meinen Hund und seine viel zu großen Ohren zu zeigen und passiv-aggressiv zu behaupten, dass ich doch schon einen Sohn habe. Auch, wenn ich das zum Ärger aller Hundetrainer wirklich so meine.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Ich bin mir aber sicher, dass die folgenden Szenarien vielen kinderlosen Paaren bekannt vorkommen:
Die Neugierigen kennen kein Erbarmen
Noch während (!) meiner Hochzeit wurde mir die Frage gestellt: „So, jetzt wirst du direkt schwanger, oder?“ Dabei ging meine Hochzeit nicht mal einen halben Tag lang. Sie war kurz und ließ eigentlich keinen Platz für solche Fragen. Aber die Neugierigen nehmen sich den Raum. Seit der besagten Hochzeit spüre ich auch immer wieder die Blicke auf meiner Hand, wenn ich irgendwo aufschlage. Immer, wenn ich nach einem Getränk greife, spüre ich es bis ins Mark: Sie wird doch nicht.. nein.. sie nimmt den Wein, sie ist also IMMER NOCH NICHT schwanger. Die Enttäuschung in der Stimme des Fußballkommentators findet hierbei zurecht Platz.
Die Frage nach der Kinderplanung ist nicht okay.
Und natürlich kommt es bei der Frage auch ein Stück weit auf die Beziehungsebene und das Vertrauen an. Wenn mich eine sehr nahestehende Person fragt, dann beantwortet ich diese Frage – und dann ist meist auch gut. Aber es gibt Menschen, überwiegend sind das diejenigen, mit denen man kaum etwas zu tun hat (haben will), die einfach nicht locker lassen. Die ohnehin schon unangebrachte Frage wird bei jeder Gelegenheit wiederholt. Dabei erwarte ich, dass die von mir netterweise gegebene Antwort ohne Diskussion auf- und angenommen wird. Ganz ohne Senfzugabe. Es gibt tausend andere Fragen, die eine Konversation füllen können. Auch mit 30, auch als Frau.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Bei dem ganzen Thema geht es mir nicht nur um mich selbst. Ich weiß nicht, ob ich Kinder bekommen kann. Ich wünsche es mir und hoffe es sehr. So sehr mich diese Frage aber auch nervt, eben weil ich sie nicht beantworten möchte, denke ich sofort an diejenigen, die keine Kinder bekommen können und sich solchen Fragen inmitten einer neugierigen und grenzüberschreitenden Situation stellen müssen.
Treffen mit Freundinnen, die alle Kinder haben
Besonders beliebt in der temporär kinderlosen Zeit: die gefürchteten Treffen mit Kindheitsfreund:innen. Wenn man doch die einzig kinderlose Freundin ist, dann kommt immer die Frage: Und, wann ist es endlich so weit? Und wenn man sagt, man weiß es noch nicht genau, dann schießen die Augenbrauen auch gerne mal in die Höhe – oder eine unangenehme Stille setzt ein. Fehlt also nur noch, dass jemand mahnend mit dem Zeigefinger auf die Armbanduhr klopft.
Die überhörte Kinderlosigkeit
Nicht weniger begehrt ist diese Art der Kinderfrage. Menschen, die aus der vorübergehenden Kinderlosigkeit eine ultimative Kinderlosigkeit machen. Es wird dann einfach entschieden, man hätte sich generell für ein kinderloses Leben entschieden. Mittlerweile habe ich es aufgegeben, zu erklären, dass man zumindest innerhalb einer Ehe kein Verfallsdatum für die Zukunftsplanung hat. Sie werden es schon merken.
Die gesamte Beziehung hinterfragen
Der Klassiker: Wenn die Liebesbeziehung hinterfragt wird, sobald das Kinder-Thema kurz angeschnitten wurde. „Läuft es denn gut bei euch?“. Dabei finde besonders großartig, dass vorab über den Kinderwunsch so gesprochen wird, als würde es dabei um keine intime Sache gehen. Als würde es beim Wort „versuchen“ nicht um den sexuellen Akt an sich gehen, der absolut an Erotik verliert, sobald er in einer Runde bei einem gemütlichen Grillabend diskutiert wird. So offen wir auch mit dem Thema Sex umgehen, ich möchte weder mit meiner, noch mit einer anderen Oma darüber sprechen, was ein „Volltreffer“ sein könnte. Ich bitte euch.
„Also, ich habe schon mit 19 mein erstes Kind bekommen“
Und ich habe mit 19 Jahren noch nicht mal gewusst, wie ich Reis koche, ohne eine Rauchvergiftung davon zu tragen. So hat eben jede:r ein eigenes Tempo.
Wenn ältere Menschen, ihr aufsteigendes Alter als Ansporn für eine Schwangerschaft nehmen
Auch sehr erotisch. Ich möchte nicht wissen, wie viele Kinder aufgrund dieser Tatsache das Licht der Welt erblickten. Ich respektiere ältere Menschen und einige von ihnen, wie meine Großeltern, liebe ich auch. Aber mir bei diesem Thema eine Pistole auf die Brust zu setzen, ist absolut unfair. Auch dem potenziellen Kind gegenüber. Weder die eigenen Großeltern, noch die 100-jährige Nachbarin sollten das tun.
„Nichts darf man mehr sagen“
Gesellschaftlich bereits in vielen verschiedenen Situationen etabliert: Der „Nichts darf man mehr sagen“-Klassiker. Wenn man Menschen nett und verständnisvoll darüber aufklärt, dass diese Frage nicht mehr gefragt wird, eben weil sie unangebracht ist und Menschen verletzten kann, dann ist diese Antwort darauf der nasse Ärmel unter den Floskeln. Unangenehm und nervig.
„Mach dir keine Sorgen, deine Figur bekommst du wieder hin“
Muss ich dazu noch etwas sagen? Als würde ich meinen Kinderwunsch, und den Wunsch meine bestehende Familie (ja, auch zwei Menschen ergeben eine Familie) zu erweitern, nicht angehen, weil ich Angst vor einer Gewichtszunahme habe? Ganz im Gegenteil: Ich kann es kaum erwarten, die verrücktesten Food-Kombinationen zu genießen.
„Sie ist bestimmt unfruchtbar“
Genau das hat jemand viel zu laut mal über mich gesagt. „Sie ist bestimmt unfruchtbar“ und der kam gewaltig bei mir an. Wie eine Faust mitten in mein Gesicht. Weil ich, ohne zu zögern, an die Frauen dachte, die sich solche Aussagen anhören müssen, während das wirklich ihre Realität ist. Ein Satz, der an fehlender Sensibilität nicht zu überbieten und bei dem Gegenwind als Antwort absolut nötig ist.
Der natürliche Lauf des Lebens ist heute ein anderer. Manchmal dürfen wir selbst entscheiden, wie wir unsere Zukunft gestalten. Manchmal aber haben andere Faktoren, wie die Gesundheit, Auswirkungen auf unsere Zukunft. Und wenn ein Paar keine Kinder hat, kann es unterschiedliche Gründe haben, die uns alle nichts angehen.
Auch, wenn ich meine Worte etwas mit Humor belebe, ist das ein ausdrücklich sensibles Thema, über das hier schreibe. Kinder bekommen zu können, ist keine Selbstverständlichkeit. Einige Frauen versuchen es seit Jahren und einigen bleibt es sogar verwehrt, auf natürlichem Wege Kinder zu gebären, weil der Körper nicht mitmacht. Gerade dieses Thema behalten Paare gerne und absolut verständlich in ihren eigenen vier Wänden, denn es gehört zu den intimsten Sachen dieser Welt.
Und wenn sich das Leben gerade um einen unerfüllten Kinderwunsch dreht, dann reißt diese Frage eine Wunde auf, die vielleicht nie ganz heilen wird oder noch extrem frisch ist.
Daher sollten wir die Kinderfrage sensibel behandeln. Augenscheinlich harmlose Worte können beim Empfänger mehr auslösen, als wir uns je vorstellen können.