Vorsatz 2015: Die Angst und die Stan Smiths

8. Dezember 2014 von in

Meine Freundin Elena hat ein neues Fahrrad. Nicht irgendein Fahrrad, nein, sie hat ein neues Rennrad. Nicht irgendein Rennrad, nein, sie hat ein goldenes Rennrad, und es ist neben den Acne Jensens mit Abstand das schönste Fortbewegungsmittel, das ich je gesehen habe. Sie sieht das genauso wie ich und fährt es dementsprechend nie. Denn natürlich sind wir nicht die einzigen, die dem Fahrrad mehr verführerische Blicke hinterherwerfen als Ryan Gosling, wir sind in großer Gesellschaft und es wäre dumm, das goldene Rennrad einer solchen Gefahr auszusetzen. Das ist wie mit den Männern, würde meine Oma jetzt sagen, je schöner der Mann, umso eifersüchtiger die Freundin! Beschämtes Lachen. Damit fängt das Problem an.

In letzter Zeit werde ich immer öfter mit dem Phänomen konfrontiert. Dem Phänomen des goldenen Käfigs, in dem wir uns aufgrund unseres Luxus oder unseres Freiraums einsperren. Denn wir brauchen Grenzen und wenn wir diese nicht mehr bekommen, machen wir sie uns eben selbst. Und das ist in gewissem Maße gut, aber es nimmt Überhand, und es ist mittlerweile schon rebellisch, wenn meine Freunde ihre Céline Trios mit in einen Club nehmen oder das gute Seidentop von Sandro tragen und Brandlöcher oder Schweißflecken riskieren. Ein Hooligan-Lifestyle des 21. Jahrhunderts, für den meine Eltern nicht mal ein müdes Lächeln übrig haben.

Wir trauen uns nichts mehr. Dabei spreche ich nicht von teurer Kleidung, die wir nicht in Clubs tragen, sondern von allem. Die natürliche Vorsicht ist zu einem Dauerzustand der Angst geworden, die uns lähmt und uns zu dem macht, was wir sind: ohnmächtige Gestalten mit einem Paar Stan Smiths im Schuhschrank. Und dann widerfährt uns etwas Gutes und wir denken daran, wie es wäre, das Gute wieder zu verlieren. Also schön vorsichtig sein. Ob das nun ein neuer Job ist, ein neues Auto, ein Mann oder eine Frau im Leben. Wir denken an das Aus, bevor das An überhaupt losging. Seit wann bringt Glück immer einen bitteren Beigeschmack mit sich?

Angst ist ein riesiges Thema für mich im Jahr 2014 geworden und ich möchte mich im kommenden Jahr weiterhin, vielleicht noch intensiver, damit auseinandersetzen. Natürlich werde ich meine Angst vor dem Leben nicht ablegen. Ich möchte nicht Fallschirmspringen und genauso wenig Bungee Jumpen. Ich möchte mich meinen natürlichen Ängsten stellen, indem ich nicht darüber nachdenke, was wäre, wenn. Just do it – das hat Nike auch schon gesagt. Mit dem Thema Sport habe ich schon länger abgeschlossen. Das wird einfach nichts mehr mit mir und da wird mir auch kein Vorsatz mehr helfen.

Doch vielleicht werde ich mich im nächsten Jahr mal einfach so einem Menschen öffnen, den ich kaum kenne. Weil ich den Menschen mag und ganz vielleicht werde ich dem Menschen das auch im selben Atemzug sagen. Vielleicht werde ich spontan eine Reise machen, ohne daran zu denken, ob ich das zeitlich überhaupt einrichten kann. Vielleicht werde ich einfach noch ein bisschen unbeschwerter, weil ich ein ganz naives und gesundes Vertrauen ins Leben habe. Denn wer nicht wagt, der nich gewinnt, würde meine Oma jetzt sagen.

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23 Antworten zu “Vorsatz 2015: Die Angst und die Stan Smiths”

  1. Was für schöne Worte! Ja, unsere Generation wird zu einer Angst erzogen, die lähmt und die einen Wandel verhindert. Also einfach machen und drauf scheissen, was andere denken oder was passieren könnte. Just do it! Oder: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert. Wir ham ja nix zu verlieren!
    Danke für diesen Artikel!
    Liebst, Bina

  2. Liebe Amelie,
    deine Worte habe mich sehr zum Nachdenken gebracht. Ich gebe dir absolut Recht. Die Angst! Sie ist ein ständiger Begleiter – auch in meinem Leben. Dieses Jahr hats ich sehr viel bei mir geändert und nächstes Jahr ändert sich noch mehr. Ich habe Angst davor, lasse es aber auf mich zukommen. Ich bin gespannt. Ich wünsche dir bei allem was du anpackst viel Erfolg und vor allem Spaß und Vertrauen in dich selbst! Fühl dich gedrückt <3
    Liebst, Meike

  3. Oh, super schön geschrieben! Und du hast so Recht, die Angst lähmt uns viel zu sehr. Das können wir ändern, aber wir müssen uns einfach oft genug daran erinnern. Danke für diese Erinnerung!

    Liebst, Ally

  4. „Wir denken an das Aus, bevor das An überhaupt losging. Seit wann bringt Glück immer einen bitteren Beigeschmack mit sich?“
    Sehr gute Frage. Ein Thema was auch mich unheimlich beschäftigt. Ich bin gespannt, was du zu berichten hast!
    & Danke auch für wieder eine wunderschöne Kolumne, die euch so lesenswert macht. <3

  5. Du hast so recht, schade dass wir uns selbst so sehr in unserer Freiheit einschränken… Ein toller Vorsatz für 2015 – nehm ich auch gleich mal in meine lange unerfüllte liste auf :D

  6. Wunderschöner Text! Ich habe darüber noch nie so richtig nachgedacht, aber jetzt stelle ich fest, dass du damit wirklich recht hast… Als Kind war ich total unerschrocken und hatte vor nichts Angst, aber irgendwann hat mich das Leben vorsichtig werden lassen… Wäre mal an der Zeit, das wieder zu ändern! Danke für diese wunderschönen Worte :)

    Liebe Grüße
    Madita

  7. Liebe Amelie, ein ehrlicher und berührender und vorallem gekonnt geschriebener Text. Gefällt mir sehr gut. Danke ! (Du darfst Dich gelobhudelt fühlen)

  8. Hey Amelie,

    ich quäle mich seit über 10 Jahren mit einer Angststörung herum, mal ist es mehr, mal weniger ausgeprägt. Manchmal merke ich die Angst im Hintergrund kaum mehr, manchal bestimmt sie alles.
    Von daher sprichst du mir aus der Seele und ich würde mich sehr, sehr freuen, wenn du im nächsten Jahr noch einmal ein Resümee ziehst und, hoffentlich, über deinen Mut erzählst. :-)

  9. Kann mich nur anschließen: Schöne schöne Worte. So schön, dass ich hier auch kurz was loswerden muss (normal bin ich die stille Leserin). Aber zu diesen Worten bzw. zu dem Vorsatz für’s neue Jahr gibts den perfekten Soundtrack geliefert vom lieben Ben Howard mit „The Fear“: „I been worryin‘ that we all live our lives in the confines of fear“. Wie wahr, wie wahr der Ben. Danke Ben. Danke Amelie.

  10. Ein sehr schöner Artikel.
    Die Angst und Vorsicht treibt mich auch um, gerade weil ich derzeit auf Jobsuche bin. Und die Angst vor langer Arbeitslosigkeit kann auch ganz schön lähmen. Dabei weiß ich eigentlich, dass man solche Phasen auch nutzen kann, um sich über seine Ängste aber auch neue Chancen bewusst zu werden.

    Übrigens: „Wer nicht gewagt, der nicht gewinnt“ (deine Oma)… „Wer nicht vögelt, kriegt kein Kind“ (mein Mathelehrer) – Sorry, der musste jetzt noch sein ;-)

  11. Das ist auch einer meiner Vorsätze für dieses Jahr.. Einfach mal mutiger zu sein und weniger zögerlich zu handeln. Den symbolischen Fallschirmsprung habe ich aber bereits hinter mir ;)

  12. Hallo liebe Amelie!
    Ich habe bisher in keinem Blog irgendetwas kommentiert, aber hier musste es einfach sein!!
    Dein Text spricht mir sowas von aus der Seele.. Danke dafür! Ich habe heute nach einer Ewigkeit malwieder meine Pistol-Boots an. Vom im Schrank stehen werden sie auch nicht schöner :D

    Ich liebe euren Blog sooo sooo sehr!! Ich freue mich jedes Mal, wenn es etwas Neues gibt.
    Und, Amelie, du bist so wahnsinnig schön. Das musste ich einfach mal ganz dringend loswerden!
    Macht weiter so!

    Liebste Grüße
    Sandra

  13. Das mit der Angst kenne ich zu gut und dein Artikel spricht mir voll aus dem Herzen. Ich habe 2014 so einiges gelernt, auch was die Angst betrifft. Ich weiß, dass man eigentlich nichts zu verlieren hat, im Gegenteil, durch die Angst kann man erst alles verlieren. Ich will – nicht nur 2015 – mutiger sein. Wenn etwas nicht klappt, okay, aber ich habe es zumindest versucht :)

  14. Sehr schön geschrieben Amelie! Und verrückt wie viele Menschen mit Angst zu tun haben. Erst wenn man sich selbst öffnet sieht man erst wie vielen es auch so geht – was wiederum beruhigt :-) Danke!
    Hat es vielleicht mit der Generation Y zu tun? Das liest man auch oft.

  15. Ein wunderbarer Post! Es ist schon tragisch, das wir in einer Gesellschaft leben, die nicht mehr gönnen kann. Anderen, oft nicht das sprichwörtlich „schwarze unter den Nägeln“ und wir uns nicht die Freude an den Dingen die wir uns leisten können und wollen. Wir überlagern uns mit Angst vor den Reaktionen anderer, vor dem drohenden (Un-)Glück, das nie so recht ausgelebt werden darf. Wir schlagen ihm die Türe vor der Nase zu. Aus Sorge das es schwindet oder das wir es nicht verdient haben?! Wir leben nicht mehr ohne zu bereuen, das es uns Wahlweise zu gut oder zu schlecht geht. Wir sind oberflächlich aus Angst unser Tiefgang könnte nicht gefragt sein. Unsere ehrliche Meinung ist es bereits in den seltensten Fällen. Äußern wir Kritik, sind wir missgünstig und gemein…..sind wir immer nur höflich, werden wir als oberflächlich und unehrlich wahrgenommen. Das Leben leben, sich an Dingen freuen, so lange sie halten und andauern und nicht bereuen, dass man etwas getan hat, weil man es wollte. Wenn wir Angst haben Dinge zu benutzen, weil sie danach benutzt aussehen könnten, ist doch wirklich ein Tiefpunk erreicht. Was ist mit selbst gelebter Patina? An Dingen, an der eigenen Seele und in unseren Gesichtern? Das bereichert uns doch, das sind wir, das ist unser Leben unsere Erfahrungen unsere gelebten Momente.

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