Depressionen sind ein Tabuthema. Man spricht nicht über sie, doch sie sind für viele Menschen tagtägliche Realität. Schließlich ist die Krankheit weit verbreitet. Und wie jede andere Krankheit bedarf sie einerseits einer Endstigmatisierung, damit andererseits darüber gesprochen werden und gelernt werden kann, mit ihr umzugehen.
In manchen Fällen kann sie heilbar sein. In anderen findet man Lösungsansätze und Mechanismen, mit ihr zu leben. Wie mit einer Mitbewohnerin, einer Freundin oder einem Kollegen. Wer unter den zahlreichen Symptomen leidet und spürt, dass er oder sie Lebenslust verliert, depressive Episoden hat oder merkt, da etwas zu verdrängen, was er nicht verdrängen sollte, der sollte eine Therapiestelle aufsuchen. Es gibt etliche Notfallnummern und Mailadressen, unter denen man Hilfe aufsuchen kann. Denn wer erstmals seine Krankheit erkennt und annimmt, kann sie behandeln. Wir wollen mehr Menschen dazu ermutigen, offen über ihre Depressionen zu sprechen. Damit ein Dialog entsteht zwischen denen, die ihre Erfahrung mit Depressionen und Therapie teilen, und jenen, die noch ganz am Anfang stehen sowie das Mitgefühl bei allen zu schärfen. Denn gerade, wer noch nicht den Schritt gewagt hat, sich seiner Wegbegleiterin anzunehmen, fühlt sich womöglich überfordert und hat Angst vor allem, was da noch kommt.
Je offener wir über Depressionen sprechen, umso mehr Verständnis wird dem Thema entgegen gebracht werden. Damit auch das Mitgefühl von denen da ist, die nicht damit betroffen sind.
Nach unserem Teil 1 zu diesem Thema haben wir nun im Teil 2 eure Geschichten aufgeschrieben: Depressionen erkennen und lernen, mit ihnen umzugehen.
Lari
Ich bin seit fast zwei Jahren nicht mehr in Therapie und sie hat mir sehr geholfen. Ich habe immer öfter gemerkt, dass ich wie gelähmt war. Vor allem in sozialen Situationen, die ich daraufhin stark gemieden habe. Ich habe danach daheim oft geweint, weil ich mich wertlos gefühlt habe. Es war auch oft ein Gefühl da, sich nicht zugehörig und verstanden zu fühlen. Irgendwann habe ich dann sämtliche Therapeut:innen in meiner Stadt angerufen und bin hartnäckig geblieben, bis ich einen Termin in einer Institutsambulanz hatte.
Das kann ich jedem als Anlaufstelle empfehlen, da dort die Terminkoordination oft einfacher ist. Dort habe ich eine Gruppentherapie machen können, mit anderen Betroffenen von Depressionen und Sozialer Phobie. Der Austausch hat mir extrem geholfen, weil wir uns ehrliches Feedback zu unserem Verhalten, unserem Auftreten und unseren Problemen gegeben haben.
Zu hören, Dass die Außenwahrnehmung nichts mit der eigenen Wahrnehmung gemein hatte, hat mir sehr geholfen.
In der Therapie selbst ging es oft vor allem um den Abgleich davon, wie ich Situationen wahr genommen habe und was subjektiv wirklich passiert ist. Auch wie ich erwarte, dass Situationen laufen und wie sie dann wirklich verlaufen sind. Außerdem haben wir uns mit meinen Glaubenssätzen beschäftigt. Zu lernen, dass ich diese ändern kann, war großartig!
Maite
Ich kämpfe seit ungefähr zwei Jahren mit Depressionen. Ganz lange dachte ich, mit mir wäre alles in Ordnung, weil ich dachte, nicht die „typischen“ Depressions-Symptome zu haben. Erst später habe ich erfahren, dass es sowas wie eine hochfunktionale Depression gibt, bei der man weiterhin leistet, aber innerlich unter immer mehr Druck steht. Kurz vor Corona habe ich dann eine Therapie begonnen und wurde erstmal mit einer Angststörung diagnostiziert. Im Herbst bin ich umgezogen und habe bei einer neuen Therapeutin angefangen, die mich dann mit einer Depression diagnostiziert hat. Letztendlich tritt Depression in sehr unterschiedlichen Formen auf, auch das musste ich lernen. In guten Phasen komme ich super zurecht, aber sobald eine störende Kleinigkeit passiert, kann mich das in eine Gedankenspirale stoßen. Bei mir äußern sich diese depressiven Phasen durch eine ständige innere Unruhe, die mich müde macht und anstrengt. Dinge, die mir vorher viel Spaß gemacht haben, kann ich nicht mehr genießen.
Es ist, als ob sich ein Schleier über alles legt, der jegliche Freude dämpft.
Ganz schlimm wurde es vor einem Monat. Da gab es keinen konkreten Auslöser, aber auf einmal hatte ich wieder dieses Bauchgefühl.
Der Comedian Kurt Krömer hat das mal ganz treffend beschrieben: „Wie böse Schmetterlinge im Bauch“. In dieser depressiven Phase habe ich viel geweint und mir letztendlich auch psychiatrisch Hilfe geholt: Seit anderthalb Wochen nehme ich jetzt Antidepressiva. Momentan stecke ich immer noch etwas in der depressiven Phase, aber es ist besser geworden. Mir hat es geholfen, Zeit in der Heimat mit meiner Familie zu verbringen, Ausflüge zu machen, aus dem gewohnten Umfeld herauszukommen und etwas Distanz zu gewinnen.
Maria
Ich habe letztes Jahr im Februar 2020 einen Zusammenbruch gehabt. Daraufhin habe ich meine beste Freundin angerufen und ihr gesagt, dass ich Hilfe brauche. Gemeinsam haben wir dann Emails an Therapeut:innen verfasst. Normalerweise habe ich keine Angst zu telefonieren, doch beim Thema Therapie hatte ich viel Angst. Angst, meine Probleme wären zu trivial und es nicht wert, sie in einer Therapie zu thematisieren. Auf die Emails kamen oft Antworten wie: „Bitte schreiben Sie uns nicht, sondern rufen Sie an.“. Ein Therapeut war jedoch dabei, der mir direkt lieb und wohlwollend einen Termin vorgeschlagen hat.
Ich bin seit mehr als einem Jahr bei meinem jetzigen Therapeuten und es war die beste Entscheidung.
Es passt einfach mit ihm. Er ist ein Mensch, der mir Raum gibt, mich nicht bewertet, sondern mich und meine Gedanken ordnet. Er hilft mir dabei, dass ich auf alles selbst komme. Es war anfangs hart, doch mit der Zeit wurde es leichter. Ich hab immer mal wieder Panikattacken, doch mittlerweile habe ich ganz gute Wege, um da schnell wieder heraus zu kommen. In Panikattacken lenke ich mich manchmal ab, um wieder im Jetzt anzukommen. Ich sage mir dann: „Es nur eine Attacke ist und nicht etwas von ewiger Dauer. Ein Moment der mich überwältigt hat, nicht mehr. Ich bestimme mein Gefühl und meine Gefühle nicht mich.“. Es ist ok, Gefühle beiseite zu schieben und wie mein Therapeut sagt, sie in einen Schrank zu packen und dann zu öffnen, wenn man wieder stark genug dafür ist. Ich kann nur wirklich jeder Person raten, sich Hilfe zu suchen. Wenn der erste Schritt getan ist, wird das Leben danach leichter.
Sada
Ich hatte schon viele Jahre mit Depressionen zu kämpfen, doch im Januar diesen Jahres war dann eine Grenze erreicht. Meine Hausärztin meinte, ich hätte zwei Möglichkeiten: Zähne zusammen beißen, meinen Job machen und ganz bald mit Burnout vor ihr sitzen. Oder die Reißleine ziehen. Ich entschied mich für meine Gesundheit. Aber was mich in diesen Wochen an Depressions-Symptomen erwartete, konnte ich überhaupt nicht voraussehen. Da war ein Gefühl von Leere, eine Einsamkeit und Schuldgefühle, die ich in dem Ausmaß nicht kannte.
Seit April habe ich eine neue Arbeit und fühle mich hier richtig wohl. Das Arbeitsklima ist ein ganz anderes und ich hatte das Gefühl, mich wieder aufzurappeln. Zwar holen mich die depressiven Episoden immer noch ein. Doch ich bin mittlerweile an einem Punkt, an dem ich verstanden habe, dass ich krank bin. Und akzeptiert habe, dass mich diese Krankheit mein Leben lang begleiten wird. Sie wird immer dann wieder laut, wenn ich mich nicht ausreichend um mich kümmere und etwas in mich reinfresse.
Meine Aufgabe ist jetzt, zu verstehen, wie dieses Muster bei mir konkret aussieht. Wo die Depressionen anfangen und wie ich lerne, sie früh genug zu erkennen.
Im Vergleich zu vor einem Jahr kann ich für mich auf einen sehr großen Fortschritt zurückblicken. Ich weiß, dass ich es bereits ein Stück weit geschafft habe, mir meinen Alltag dahingehend anzupassen, dass es mir dauerhaft besser geht. Ich versuche in depressiven Phasen, mindestens einmal am Tag das Haus zu verlassen. Weil ich merke, dass mir nach den ersten anstrengenden Metern die frische Luft in meiner Lunge und um die Nase sehr gut tut. In den letzten zwei Monaten habe ich das Joggen für mich entdeckt. Ich hab keine Badewanne, aber bewusstes Duschen tut mir gut, um mich in meinem Körper wieder wahrzunehmen.
Meine Reise ist noch lange nicht zu Ende, doch ich bin auf dem für mich richtigen Weg. Wo auch immer der hinführt.