Coffee Break: Zwischen Wunsch und Realität
Realität hört sich immer gleich so hart an. Schade, dass sie so an Image einbüßt – denn eigentlich ist die Realität doch gut, ehrlich und verdammt zuverlässig. Sie ist solide, bodenständig und wenn man es zulässt, kann sie genauso schön sein wie unsere Vorstellung. Wenn aber jemand von Wunsch und Realität spricht, ist ersteres immer der gute Held, den man mag, während die Realität als nerviger Spielverderber dasteht.
Dabei wird es wirklich einmal Zeit, dieses Denkmuster zu durchbrechen. Die Realität ist nicht schlechter, nur eben anders. Das fängt in der Liebe an – zwischen dem Partner, den man sich wünscht und dem, den man dann hat. Es ist natürlich bescheuert, sich im Vorhinein schon jemanden auszumalen, aber so ein paar Vorstellungen bringt ja jeder in eine Beziehung mit. Er sollte, sie sollte. Umso schöner ist es dann, wenn man sich in jemanden verliebt, der nichts bis wenig mit den eigenen Wünschen und Vorstellungen zu tun hat. Wenn jemand, während man seine Checkliste schon bereit hält, kommt, der so ganz anders ist und alles über den Haufen wird. Und man vielleicht sogar erkennt, dass man so gerade viel glücklicher ist, als man es mit dem zusammengebastelten Wunschpartner jemals gewesen wäre.
Dann hatten M. und ich letztens das Thema Wünsche und Vorstellungen im Job, auf unser Selbst bezogen. Wie wird immer gerne gewesen wären, was wir gerne gearbeitet hätte und wie wir jetzt sind, was uns im Moment Spaß macht und uns auch noch Geld verdienen lässt. Der Einzige, der uns da ja hin und wieder gerne im Weg steht, sind wir selbst und diese innere Stimme, die uns an die eigenen Vorstellungen erinnert. Das ist natürlich gut – dank ihr kommen wir nicht so leicht vom Weg ab. Auf der anderen Seite, kann diese Stimme einen auch quälen und geißeln. Wie strenge Eltern, die einen immer wieder ermahnen. Gefährlich wird es vor allem dann, wenn diese Stimme uns daran hindert, das Hier und Jetzt zu schätzen und zu genießen.
Was man dabei allerdings vergisst: Unsere Wünsche und Vorstellungen verändern sich ja nicht allzu oft in unserem Leben, während wir uns aber ständig weiterentwickeln. Und so hinkt man dann manchmal Idealen hinterher, die man sich selbst auferlegt hat und die so für einen vielleicht gar nicht mehr stimmen. M. dachte immer, sie würde promovieren, S. dachte immer, sie würde Kriegsreportagen schreiben, B. dachte immer, er würde anspruchsvolle Projekte machen, die wichtig für die Welt sind. Jetzt macht er etwas ganz anderes, was vielleicht nicht so wichtig für die Welt ist, aber dafür total richtig für ihn.
Er ist also in der Realität angekommen. Blöd nur, dass das oft negativ oder mitleidig aufgefasst wird. Viel zu erwachsen und so, als hätte man seinen Vorstellungen schon ein passendes Grab geschaufelt. Dabei bedeutet das ja nicht, dass man keine Wünsche und Träume mehr hat. Zudem heißt es auch nicht, dass das alles nicht noch kommen kann – wir haben ja noch ein paar Jahre vor uns. Und deshalb tut es hier auch mal gut, das Jetzt als komplett richtig anzuerkennen – ohne blöde Zweifel, ohne ermahnende Stimmen, die fragen, wie lange man jetzt vorhat dies und jenes zu machen und ob das wirklich der richtige Weg zu dem vorgestellten Ziel X ist. Alles, was doch zählt, ist, dass es sich jetzt gerade gut anfühlt.
Manchmal sind die realen Dinge also so viel besser für uns, als unsere Wünsche es jemals sein könnten. Und trotzdem ist es das Wichtigste überhaupt, dass wir uns unsere Träume, Ziele und Vorstellungen behalten. Sie sind schließlich ein Teil von uns.