Coffee Break: Weder Kater noch Kind – gefangen zwischen zwei Welten
Vor ein paar Jahren schrieb unsere Autorin Anja in ihrer Kolumne noch über die Liebe oder was man dafür halten könnte. Nun haben wir Coffee Break neu aufgelegt – und diesmal dreht sich alles um das Thema 30 werden. Über Freunde, die gehen und andere, die dazukommen. Wie man immer mehr weiß, was man kann und trotzdem an manchen Tagen so sehr an sich zweifelt, dass man lieber im Bett liegen bleibt. Darüber, dass man Angst hat, kein Baby bekommen zu können und gleichzeitig totale Angst davor hat, jetzt eines zu bekommen. 30 werden ist anstrengend, aber vor allem eines: wahnsinnig spannend.
Gerade explodiert mein Instagram-Feed nur so vor Baby-News. Selbst Bekannte, die ich seit Jahren nicht gesehen habe und von denen ich nicht einmal wusste, dass sie schwanger sind, posten plötzlich Kinderwagen-Fotos. Und ganz ehrlich, ich freue mich über jedes einzelne, aber jedes von ihnen lässt mich auch genauso plötzlich meinen eigenen Lebensstil hinterfragen, wenn ich dann abends alleine in meiner Ein-Zimmer-Wohnung sitze. Die ich nach sechs Jahren immer noch liebe wie am ersten Tag! So wie ich mein Leben, gerade wie es ist, sehr liebe. Ich arbeite – mal mehr, mal weniger – und habe unendlich viel Zeit für mich und meine Ideen. Bin selbstständig und habe endlich die Freiheit, die ich mir immer gewünscht habe.
Ich dachte immer, ich würde früh Eltern werden. „Früh“ bedeutet eigentlich: vor 30. Nun bin ich also 30 und mein Familienwunsch hält sich tatsächlich noch in Grenzen.
Mein Leben war wahrscheinlich noch nie so gut wie jetzt. Ich habe eine funktionierende Beziehung – nicht nur zu einem Mann, sondern vor allem zu mir selbst, tolle und ehrliche Freundschaften, eine noch tollere Familie. Ich verdiene genug Geld, kann etwas auf die Seite legen und muss beim Einkaufen trotzdem nicht mehr auf den Preis gucken. Ich werde im Job ernst genommen und hab mich von toxischen Arbeitsbeziehungen gelöst. Ich wohne alleine, kann tun und lassen, was ich will.
Eigentlich also alles wunderbar. Eben bis auf die Baby-Fotos, denn die machen mir immer wieder bewusst, wie weit entfernt ich von einer Familiengründung bin. Bisher habe ich noch nicht einmal mit jemandem zusammengewohnt, weil ich so großen Respekt davor habe. Alleine die Vorstellung, dass da nun immer mein Partner mit mir in einer Wohnung sitzt und dann noch ein kleines Lebewesen, um das wir uns Tag und Nacht kümmern müssen, überfordert mich schlichtweg.
Wenn meine Mama fragt, wann ich denn vorhabe, ein Baby zu bekommen, dann gehe ich in eine Art Trotzhaltung. Wie das Schulkind, das nach sechs Wochen Sommerferien nicht in die Schule möchte.
Und ja, ich kenne all diese Sätze und sie sind sicherlich wahr: „Man ist nie bereit für ein Kind“, „Man soll das nicht durchdenken“, „Das läuft dann schon alles und man kommt mit allem zurecht“. Ich weiß, dass Menschen sich an neue Lebensumstände gewöhnen. Und ich weiß auch, dass ich das könnte. Wenn ich sage, es überfordert mich, dann meine ich nicht, dass ich mir das niemals zutrauen würde. Es ist nur eben gerade total weit weg. Ja, mein Leben kommt mir gegen das einer dreiköpfigen Familie beinahe banal vor. Ich dachte immer – so wie wahrscheinlich viele Menschen – ich würde früh Eltern werden. „Früh“ bedeutet eigentlich: vor 30. Nun bin ich also 30 und mein Familienwunsch hält sich tatsächlich noch in Grenzen.
Ist das normal? Sind die Anderen einfach früher dran? Oder bin ich ein Spätzünder, der zu viel nachdenkt? Wahrscheinlich von allem ein bisschen. Wenn dann auch noch meine Mama oder eine Freundin, die schon Mutter ist, fragt, wann ich denn vorhabe, ein Baby zu bekommen, gehe ich in eine Art Trotzhaltung. Wie das Schulkind, das nach sechs Wochen Sommerferien nicht in die Schule möchte. Ja, genauso fühlt es sich an. Ich will lieber noch ewig Sommerferien haben und die nächste Klasse finde ich gerade gar nicht so spannend.
Ist das schon erwachsen sein, obwohl ich mich im Vergleich zu den Drei-Zimmer-Wohnungen und Kinderwägen eher noch wie ein Teenager fühle?
Dass ich nicht vollkommen erwachsen werden möchte, bedeutet allerdings auch nicht, dass ich gerade wie wild Party mache und mein Leben bis sechs Uhr morgens in vollen Zügen genieße. Ich habe keine Weltreise, die ich noch machen möchte. Keine Droge, die ich noch ausprobieren möchte. Ich bin viel zuhause und schlafe acht Stunden, auch ohne Corona. Esse gerne gut, trinke noch lieber guten Wein und fahre am liebsten nach Italien. Nähme man meine momentanen Lebensumstände – sie wären schlichtweg perfekt, um ein Kind zu bekommen. Wahrscheinlich ist mein Umfeld deshalb verwirrt. Ich bin es ja auch.
Was für eine Lebensphase soll das sein? Ist das schon erwachsen sein, obwohl ich mich im Vergleich zu den Drei-Zimmer-Wohnungen und Kinderwägen eher noch wie ein Teenager fühle? Habe ich nur Angst? Oder möchte ich vielleicht doch kein Kind bekommen, obwohl ich immer dachte „unbedingt“? Wahrscheinlich ist das die Kunst: Es hier einfach mal nicht bestimmen zu können. Sich vor allem nicht mit den Anderen zu vergleichen. Und die Situation annehmen, als das, was es eben ist: Sommerferien – verlängert auf unbestimmte Zeit.
7 Antworten zu “Coffee Break: Weder Kater noch Kind – gefangen zwischen zwei Welten”
Genauso geht es mir auch! Danke für den Einblick.
Liebe Elisabeth,
immer gerne! Wie schön, dass ich nicht die Einzige mit diesem Gefühl bin.
Super schöner Text – mir geht es ganz genauso.
Liebe Sarah,
vielen Dank dir!
Der einzige Grund, warum ich mich mit diesem Thema überhaupt beschäftige, ist das sich leider irgendwann schließende Zeitfenster.
Mit Anfang 30 ist es nun noch nicht ganz so dringend, aber irgendwann ‚muss‘ man eben doch eine Entscheidung treffen.
In der Theorie kann ich mir in manchen Situationen schon vorstellen, ein Kind zu bekommen. Die Realität/der Alltag mit Kind, den ich auch bei vielen Freundinnen miterlebe, lässt mich dann aber doch daran zweifeln, dass ich das selber wirklich möchte. Bevor jemand aufschreit: Für MICH persönlich finde ich die Vorstellung irgendwie unattraktiv- mir ist schon klar, dass es für andere die Erfüllung sein kann. Leider kann man es nicht einfach mal ausprobieren und dann doch wieder sein lassen, falls es nichts für einen ist. Bei mir kommen zu dem Thema aus meinem Umfeld nur selten Nachfragen- ich fände es auch etwas seltsam, wenn von Freunden und Familie ständig nachgefragt werden würde. Manchmal unterhält man sich schon darüber, aber eben nicht mit dem Tenor ‚Und wann ist es bei dir ENDLICH soweit‘, sondern mehr als Update, ob man es sich denn inzwischen vorstellen kann. Man kann jedenfalls nicht und wenn die Stimmung so bleibt, kommt eben nie ein Baby. Auch wenn es für andere unvorstellbar ist: Nicht jede(r) hat das unbedingte Verlangen nach Fortpflanzung- selbst wenn die Lebensumstände dafür ideal wären. Daran können auch von Hardlinern gebetsartig vorgetragene Sätze wie ‚Nur die Liebe deines Kindes ist die wirkliche Erfüllung‘ nichts ändern. Gerne werden ja auch eigene Empfindungen (Liebe zu einem Partner ist weniger wert/weniger intensiv als Liebe zu einem eigenen Kind etc.) zum Gesetz erklärt. Ich habe auch aufgegeben, solche Härtefälle aufzuklären. Ich hoffe, für mich irgendwann eine klare Antwort auf die Babyfrage zu finden und verlasse mich da einfach mal auf mein Bauchgefühl…
Liebe Sina,
unbedingt: Hör auf deinen Bauch! Der weiß immer, was am besten ist für dich. Ein bisschen ein anderes Thema, aber diese Mütter-Sätze à la „Erst wenn du ein Kind bekommen hast, weißt du, was echte Liebe ist“ finde ich auch ganz schlimm und anmaßend. Da wird den Frauen, die keine Kinder wollen oder haben können abgesprochen, dass sie jemals wirklich jemanden geliebt haben – wie ihren Partner, ihre Geschwister oder ihre Eltern? Wow. Was ich auch ziemlich ungut finde, ist dieses „Ich erklär dir die Welt“ von Müttern. Dieses Lebenserfahrung weitergeben, obwohl gar nicht danach gefragt wurde: „Ich weiß genau wie das für dich wird“ und „Du kannst dich dann mal darauf und darauf einstellen“. Darf ich nicht jeder eigene Erfahrungen mit dem Kinderkriegen machen? Und muss ich mich von manchen Mamas von oben herab belehren lassen, als wären diese schon „weiter im Leben“. Das finde ich gerade ziemlich schlimm und begegnet mir leider immer wieder. Für dich alles Gute und auf die (für dich!) richtige Entscheidung!
liebe anja, du sprichst mir aus der seele. ich bin froh, dass in meinem umkreis der baby-boom noch nicht so wirklich eingesetzt hat und auch selten direkte fragen kommen. dennoch schwingt indirekt immer öfter dieses thema in bestimmten bemerkungen mit und man merkt, dass die erwartung von anderen da ist, ab 30 „so langsam loszulegen“. (frage mich, ob das bei gleichaltrigen männern ebenso ist und tippe mal auf nein.) und der „normale“ lebensentwurf nach wie vor zusammenziehen, ggf heiraten, kinderkriegen ist. uff!
nachdem ich mit 20 aber auch niemals geglaubt hätte, wo ich heute mit anfang 30 bin – oder eben auch nicht bin – gehe ich die sache relativ entspannt an. denn wie du schreibst, ich könnte mit der aktuellen lebenssituation nicht glücklicher sein. warum sich also jetzt sorgen um die zukunft machen und nicht das gute, das wir haben, genießen? wie du so schön schreibst: ich habe schon immer ungern hausaufgaben gemacht und bin dafür team sommerferien voll und ganz auskosten ✌?