Coffee Break: Verlieben wir uns nur noch in uns selbst?
„Es macht mich wahnsinnig, dass er so viel feiern geht. Ich finde es viel schöner, wenn er so wie ich auch mal Samstagabend zuhause bleibt.“ „Ich kann nur mit jemandem zusammen sein, der die selben Bücher liest wie ich und ähnliche Bands gut findet.“ Beide Sätze habe ich in der letzten Woche gehört – zwar von verschiedenen Menschen, trotzdem ähneln sich die Aussagen bei genauerem Hinsehen. Denn sie sagen beide: Ich finde vor allem das attraktiv, was ich selber mag und bin. Wenn der Andere da irgendwie anders tickt, gibt das einen Minuspunkt auf der imaginären Strichliste. Ganz schön verrückt eigentlich.
Wenn man feststellt, dass man vor Jahren auf dem selben Konzert war, beide diesen einen Song zum Heulen schön finden oder man das gleiche Buch im Urlaub verschlungen hat, dann schweißt das natürlich zusammen und gibt Pluspunkte, klar. Das Fatale ist nur: Unsere imaginäre Liste der Erwartungen beginnt heute noch eher harmlos mit Büchern und Bands, geht dann aber weiter über einen ähnlichen Beruf, Kleidungsgeschmack, Wohnungseinrichtung und endet zum Beispiel bei der Frage, ob jemand Raucher ist oder nicht. Im wahrsten Sinne, denn manchmal ist das ein dermaßen großer Minuspunkt, dass man lieber einen großen Punkt hinter die ganze Sache setzt und sich nie wieder meldet. Wie schade. Vielleicht hätte das – abgesehen davon – ja gut gepasst.
Irgendein „abgesehen davon“ finden wir immer am Anderen, das uns nicht passt. Das, nicht zu uns passt. Darin sind wir schon geübt, denn wir haben heute wahnsinnig hohe Erwartungen an unser Gegenüber. Und wenn es keine gemeinsamen Bücher gibt, verabschiedet man sich eben und sucht weiter – gibt ja genug, denkt man. Da draußen muss doch jemand sein, der perfekt zu mir passt. Soll heißen: Eigentlich genauso ist wie ich. Welch narzisstische Liebe wir da für große Romantik halten. Michael Nast schrieb letztes Jahr in einer Kolumne: „Man verliebt sich ja nicht in einen Menschen, man verliebt sich in den Teil eines Menschen, der einem selbst ähnelt.“ Ich glaube übrigens nicht, dass wir die Generation beziehungsunfähig sind, nur die Generation nie-zufrieden.
Obwohl das doch alles so zweitrangig ist – Bücher, Bands, Berufe. Denn: Man kann zum Einschlafen zwar das selbe Buch lesen oder Samstagabend daheim vor der gemeinsamen Lieblingsserie verbringen und trotzdem alles andere als zueinander passen. All diese Gemeinsamkeiten sind ein nettes Extra, aber bitte doch kein Ausschlusskriterium. Worum es wirklich gehen sollte: Fühlst du dich wohl in der Gegenwart des Anderen? Bringt er dich zum Lachen? Macht er die guten Tage noch besser und die schlechten zumindest ein bisschen weniger mies?
Und wenn das der Fall ist, dann lass den Anderen doch das sein, was er ist: anders.
9 Antworten zu “Coffee Break: Verlieben wir uns nur noch in uns selbst?”
Was ich persönlich sehr schade finde, ist die Tatsache, dass heutzutage doch viele Beziehungen genau deswegen nicht zustande kommen. Ein Partner muss nicht so sein wie man selbst; er muss nicht genau die gleichen Hobbys und Eigenarten haben. Er muss auch definitiv nicht die gleichen Ansichten haben – klar ist das schön, wenn man sich dadurch vielleicht ähnelt und gut miteinander auskommt, aber gerade diese Paare, die komplett miteinander verschmilzen, weil sie genau die gleichen Sachen machen und eigentlich nur noch eine Meinung haben, sind doch ganz schlimm! Ich persönlich finde es viel schöner, wenn man sich in einer Beziehung komplettiert – das macht es doch gerade interessant.
Mein Partner ist das genaue Gegenteil von mir. Andere Hobbys, andere Interessen, Sportskanone trifft auf Bücherwurm. Und trotzdem sind wir seit über fünf Jahren mega glücklich miteinander. Wenn wir uns jetzt irgendwo auf der Straße sehen würden, würde ich ihn sicherlich nicht ansprechen, mit dem Gedanken daran, dass er so anders ist als ich. Schade, denn ich glaube so geht es vielen und dadurch gehen einem Haufenweise tolle Begegnungen durch die Lappen!
Dieser Text kommt gerade so passend. Ich danke Dir! Liebe Grüße!
Ich muss sagen, dass ich bisher diese Entwicklung noch gar nicht in meinem Freundeskreis beobachten konnte. Aber wenn ich an all die Singles in meinem Bekanntenkreis denke, dann stimmt deine Aussage schon. Große Unterschiede scheinen uns abzuschrecken, vielleicht auch aus Angst. Angst, dem anderen nicht zu genügen, zu langweilig zu sein, nicht belesen oder intelligent genug. Dabei sollte man doch von einander lernen und das Leben gegenseitig bereichern.
Oh ja, das kommt wirklich gerade passend, danke!
Hallo,
ein guter Artikel aber ich kann es absolut nachvollziehen, wenn man nicht mit einem Kettenraucher zusammen sein möchte und ihn aus dem Grund „aufgibt“. Das ist meiner Meinung nach schon ein wichtiger Aspekt.
So schön und so wahr. Generation nie-zufrieden – da ist wirklich was dran, glaub ich. Ich hab auch mal einen Kerl kennen gelernt, der mir mitgeteilt hat: Du rauchst du nicht, oder? Ich könnte niemals mit einer Raucherin zusammen sein, ich würde direkt jetzt aufstehen und gehen! Ich war so schockiert, dass ich behauptet hab, ich wäre Nichtraucher… aufstehen und gehen? Nur wegen einem Laster?
Es ist ja nichts dagegen auszusetzen, wenn man Prinzipien hat, aber ich finde, man kann einen anderen Menschen auch von vornherein verurteilen, bevor man ihn wirklich kennt. Und das ist dann wieder alles andere als richtig…
als langzeitsingle habe ich mir das auch immer so vorgestellt…ein typ, der mir ähnlich ist, vielleicht noch ein bisschen hipper und so als ich ;-) als ich meinen freund kennengelernt habe, bin ich anfangs etwas zurück geschreckt, weil wir doch in vielen dingen anders sind – er: wenige gute freunde – ich socializing queen – er analog – ich onlinerin usw. und dann habe ich bei jedem treffen gedacht, dass ich einfach nur in ihn reinkriechen möchte. mittlerweile sind wir zusammen gezogen und leben sehr harmonisch zusammen. also diese „hard facts“ sollten nicht überbewertet werden. wobei ich als Asthmatikerin dennoch sehr froh bin, dass es nicht raucht ;-)) lg
Hmmm. Ich glaube da ist was verkannt worden. Generell stimme ich der Unentschiedenheit der Generation zu. Doch diese Anspruchshaltung, nein, ich finde damit wird ja meistens versucht, etwas rational zu erklären, was nicht rational erklärbar ist. Im Sinne von: Wir haben uns getroffen, konnten nicht gut reden – mag wohl daran gelegen haben, dass wir völlig unterschiedlichen Geschmack (Literatur / Film / etc.) haben. Im Grunde ist es aber so: Es wurde nicht viel geredet, weil da etwas menschliches nicht passt. Ich denke jeder, auch die selbsternannten Pedanten, können über „Regelverstöße“ ihrer Vorstellung hinwegsehen. Das aber nur, wenn ansonsten die Chemie stimmt. Und dass letzteres nicht wirklich häufig vorkommt und dann auch noch auf Gegenseitigkeit beruht – klar.