Coffee Break: Laufen lernen
Als würde man nach einer Trennung nicht schon genug Mist durchmachen, ist da auch noch diese ganze freie Zeit, die man plötzlich wieder hat. Und die es zu füllen gilt. Besonders schwer: das Sich-selbst-organisieren-müssen, wo doch davor alles gemeinsam passierte. Denn solange man mit jemandem zusammen ist, plant man nie nur für sich. Der Andere bestimmt deine Zeit, wenn auch indirekt, immer ein bisschen mit. Das ist ja auch sehr schön, wenn da jemand ist, nach dem man sich irgendwie richten kann. Nicht weniger, aber anders schön: Sich nur nach sich selbst zu richten. Nur das zu machen, worauf man Lust hat, keine Kompromisse eingehen zu müssen. Aber das wertzuschätzen und auch genießen zu können, muss erst einmal wieder gelernt werden.
Ein Gedanke, der einem beim Schlussmachen früher oder später immer begegnet: Ich will nicht wieder alleine sein. Ja, für manche Paare ist das leider noch der einzige Grund, weshalb sie zusammen sind. Weil sie denken, verlernt zu haben, ihre Zeit auch alleine sinnvoll zu gestalten. Weil sie Angst davor haben, nur mit sich zu sein. Das ist natürlich ein Trugschluss: Wer schon einmal alleine sein konnte, verlernt es auch nicht mehr. Man braucht nur vielleicht ein bisschen, um wieder reinzukommen. Und auch, wenn man es nie gelernt hat, ist es sicherlich eine kleine Herausforderung, aber nicht unmöglich.
Zusammen ist aber vieles auch einfach einfacher: Dass immer jemand da ist. Dass man sowieso sicher ist, mit wem man dieses Jahr in den Urlaub fährt. Dass man weiß, da gibt es jemanden, den es interessiert, was man am Wochenende macht. Alleine kann man auch ganz hervorragend verloren gehen, wenn man nicht auf sich aufpasst. In den eigenen vier Wänden, in Nächten, in Alkohol oder in seinem eigenen Kopf.
Es gibt ja diese Menschen, die rutschen immer von einer Beziehung in die nächste. Manchmal auch im fließenden Übergang – da wird der eine kennengelernt, während man mit dem Anderen noch das Bett teilt. Das ist vielleicht nicht, wie Experten es raten würden, aber ich kann das gut nachvollziehen. Denn, was diese Menschen nie lernen müssen, ist wirklich alleine zu sein. Und das kann schon verdammt praktisch sein – wenn da immer jemand ist, der einen beschäftigt. Ablenkt von den eigenen Gedanken, Problemen und auch von einem selbst.
Es ist seltsam, aber oft ist es tatsächlich einfacher, sich mit jemand anderem zu befassen, als nur mit sich selbst. So gesehen ist das vielleicht sogar eines der schwierigsten Dinge nach einer Trennung: Langsam wieder laufen lernen.
2 Antworten zu “Coffee Break: Laufen lernen”
Kluger Kommentar.
Das Zurechtfinden kann allerdings auch in umgekehrte Richtung gehen. Ich bin beispielsweise über 10 Jahre Single gewesen, bis ich letztes Jahr meinen Freund kennengelernt habe. Und plötzlich muss ich mich (ständig) nach einer anderen Person mit meiner Zeitplanung richten. Das ist auch eine ganz schöne Umstellung.
Weil ich es selbst nicht erlebt habe, finde ich es ganz schön schwierig nachzuvollziehen, wie manche Menschen gar nicht sich selbst genügen und permanent einen Partner haben müssen.
So so soooo wahre Worte! Wirklich auf den Punkt getroffen!