Coffee Break: Warum akzeptieren wir nicht, dass jedes Paar anders ist?

5. März 2020 von in

In unserer Reihe Coffee Break erzählt die Autorin Anja von ihren Lebenserfahrungen und Gefühlen, die viele Menschen um die 30 beschäftigt. Diese Themen können ganz schön anstrengend sein, aber sie sind vor allem eines: wahnsinnig spannend.

Ich möchte nicht heiraten. Während andere da vom schönsten Tag ihres Lebens sprechen, schüttelt es mich alleine bei der Vorstellung: im Mittelpunkt stehen, viele Augen sind auf einen gerichtet – und dann hat man auch noch die Erwartung, dass es ein ganz wunderbares Fest wird. Nur leider werden Feste ja nie so wirklich wunderbar, wenn man es von ihnen erwartet. Eigentlich ist es auch ziemlich egal, ob ich heiraten möchte oder nicht oder warum überhaupt. Für mich zumindest und für meinen Freund zum Glück auch. Nicht aber für alle anderen, die denken, dass man da noch was drehen könnte. Die meinen: „Sie ändert ihre Meinung bestimmt noch“. „Irgendwas stimmt nicht mit ihr, dass sie nicht heiraten will“. Oder noch besser: „Sie will eigentlich heiraten, aber gibt es nicht zu!“

Es gibt leider nur einen vorgefertigten Fahrplan für Beziehungen, eine einzige Erwartungshaltung für die Liebe, eine bestimmte Abfolge an Ereignissen – „Ich liebe dich“-Sagen, zusammenziehen, verloben, heiraten, Kind kriegen.

So geht es wahrscheinlich allen Menschen, die in Beziehungen sind und nicht die „Norm“ erfüllen. Also keine Kinder bekommen möchten, nicht zusammen ziehen wollen, nicht „Ich liebe dich“ sagen oder Eltern haben, die jeden Sonntag miteinander abhängen. So geht es vermutlich allen, die lieber nebeneinander als miteinander wohnen, sich nicht so oft sehen oder nicht den einen gemeinsamen Freundeskreis haben. Ich werde oft gefragt, wenn ich abends unterwegs bin: „Wo ist denn dein Freund?“ Fast so, als stimme da irgendwas nicht, weil man uns nicht ständig zusammen sieht. Um ehrlich zu sein, sieht man uns so gut wie nie zusammen, einfach weil wir gerne Dinge zu zweit unternehmen. Weil jeder von uns ein ziemlich schönes, eigenes Leben hat. Gleichzeitig kann man auch eine ziemlich schöne und glückliche Beziehung haben – für viele Menschen kaum vorstellbar.

Denn es gibt leider nur einen vorgefertigten Fahrplan für Beziehungen, eine einzige Erwartungshaltung für die Liebe, eine bestimmte Abfolge an Ereignissen – „Ich liebe dich“-Sagen, zusammenziehen, verloben, heiraten, Kind kriegen. Und sobald die durcheinander kommt oder gar nicht erfüllt wird, wundern sich alle. Aber leider nicht nur das: Sie fragen auch nach, urteilen und sagen Dinge, von denen sie, manchmal gar nicht wissen, wie grenzüberschreitend und verletzend sie sein können. Kaum hat ein Paar zwei Schlafzimmer, einen Hund, aber kein Kind, kaum kennt man die Familie des Anderen nicht – schon hat jeder eine Meinung dazu. Und die ist meistens nicht gerade positiv. Denn Paare müssen doch zusammenwohnen, heiraten und Kinder wollen. Sie müssen immer zusammen sein, jede Nacht im selben Bett schlafen – sonst stimmt was nicht mit ihnen.

Paare müssen doch zusammenwohnen, heiraten und Kinder wollen. Sie müssen immer zusammen sein, jede Nacht im selben Bett schlafen – sonst stimmt was nicht mit ihnen.

Es hat viele Jahre gedauert, bis ich die Familie meines Freundes kennengelernt habe. Für mich war das absolut fein, ich reiße mich weder um Eltern, noch hatte ich ein unsicheres Gefühl deswegen. Ganz im Gegenteil: Seit meiner ersten Liebe war es nicht mehr so schön wie mit ihm. Was ich mir in diesen Jahren des Eltern-nicht-Kennenlernens allerdings anhören musste, das will ich euch gar nicht antun. Im Nachhinein hätte es mich nicht gewundert, wenn die Bild-Zeitung bei mir angerufen hätte, so anders und speziell schien mir meine Geschichte irgendwann. Ich fing an, mich vor Anderen dafür zu entschuldigen. Und drängte immer mehr auf ein Kennenlernen – allerdings nicht für mich, sondern, weil ich endlich nicht mehr danach gefragt werden wollte. Ich wollte einfach eine „normale“ Beziehung führen.

Es ist doch wirklich abgefahren: Wir leben heute in einer Gesellschaft, in der Menschen eigentlich alles sein können. Sie können jedes Geschlecht oder keines haben, alle sexuellen Vorlieben, Haarfarben, Kleidungsstile, Lebenskonzepte. Wir akzeptieren, dass Menschen absolut verschieden sind, aber der Weg der Beziehung muss immer gleich sein? Das passt doch irgendwie nicht zusammen. Das Schlimme daran ist, dass diese Erwartungshaltung von außen verunsichern und im schlimmsten Fall sogar eine Beziehung kaputt machen kann. Das Schöne ist: Umso älter man wird, desto mehr weiß man, wie man seine Beziehung leben möchte. Und es wird immer egaler, was die Anderen sagen. Aber ganz unwichtig wird es nun mal nie.

Wir akzeptieren, dass Menschen absolut verschieden sind, aber der Weg der Beziehung muss immer gleich sein? Das passt irgendwie nicht zusammen. 

Umso älter ich werde, desto mehr traue ich mich auch in Beziehungen mich zu hinterfragen und zu schauen, was überhaupt zu mir passt. Und ich bewundere Paare, die einen eigenen Weg gefunden haben und diesen auch leben. Ziehe meinen Hut davor, weil das nicht nur heißt, dass man sich selber gut kennt, sondern auch, dass man mutig ist. Zudem beobachte ich: Die älteren Paare, die ich treffe und kenne, die schon sehr lange zusammen und immer noch glücklich sind – die leben alle ein eigenes Modell: getrenntes Schlafen, eigenes Zimmer, verheiratet sein, aber den eigenen Namen behalten, gar zwei Wohnorte haben. Jede Beziehung ist anders – zum Glück – und es wird echt Zeit, dass wir das auch mal unkommentiert lassen.

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8 Antworten zu “Coffee Break: Warum akzeptieren wir nicht, dass jedes Paar anders ist?”

  1. Vielen Dank für diesen Artikel! Diese Kommentare von wegen „Wo ist denn dein Freund?“, sobald man Abends mal etwas in einer Gruppe aber ohne den Partner unternimmt kenne ich zu gut. Ich nehme mir dann immer vor, es nicht zu eng zu sehen, aber man ist dann ja doch genervt von der Frage und fängt an sich zu fragen, ob vielleicht etwas in der eigenen Beziehung nicht stimmt, nur weil man den Partner nicht über alle mit hinnimmt und es eben anders macht als andere. Das urteilen sollte ab einem gewissen Alter wirklich aufhören, denn eigentlich freut man sich doch wenn man hört, dass es gut läuft – egal auf welche Art und Weise. Schön auf den Punkt gebracht und vielleicht auch ein Thema, was manche zum Nachdenken stimmt und sie ihr Verhalten ändern lässt.

    • Liebe Lia, danke für deinen Kommentar. Ich kann dich nur zu gut verstehen, aber zweifle auf keinen Fall an euch – nur, weil ihr es mal anders macht. Lass dich von den Fragen der Anderen nicht verunsichern, auch wenn’s nicht immer leicht ist!

  2. DANKE für diesen Text! Ich habe diese Gedanken auch und es ist beruhigend zu sehen, dass man damit nicht alleine ist. Ich frage mich derzeit oft, ob ich eigentlich ein Problem damit habe, dass mein Freund und ich nicht jeden Tag Kontakt haben – manchmal auch 48 Stunden oder noch länger gar nicht. Und dann glaube ich wieder, dass es mich nur irritiert, weil es gegen die gesellschaftliche Konvention ist. Wie ist das bei dir/ euch? (Randbemerkung: Es ist toll, wenn eure Artikel so wie dieser ein bisschen persönlicher sind und auch wirkliche Details beinhalten (und nicht in so allgemeinen Weisheiten verharren). Damit kann man so toll räsonieren – wie ein Austausch für Freund*innen im Internet!)

    • Liebe Elis, danke dir! Ich mag den Vergleich mit dem Austausch unter Freundinnen.
      Also mein Freund und ich haben auch nicht jeden Tag Kontakt. Wenn er übers Wochenende weg ist, telefonieren wir auch mal gar nicht oder schreiben nur kurz. Ich kann deinen Gedanken total nachvollziehen, kenne ihn gut, aber bin mir auch sicher: Das ist nur wieder so eine unsichtbare Regel, die mal jemand aufgestellt hat. Dass man muss sich jeden Tag hören oder lesen muss. Wichtig ist einfach nur, dass ihr beide euch wohlfühlt. Wenn einer von euch beiden sich melden möchte, sollte er das jederzeit tun können, aber schäm dich nicht, weil ihr nicht jeden Tag mehrmals telefoniert. Jedes Paar ist nun mal anders! :)

  3. Danke für den Artikel. Ich konnte mich insbesondere darin wieder finden, dass man auf ein Mal Dinge hinterfragt, weil alle anderen dauernd danach fragen. Wäre ich bislang nie auf die Idee gekommen, Eifersüchtig auf die beste Freundin zu sein, bin ich es auf ein Mal, weil diese kleinen Dauerfragen dann doch ihre Wirkung entfalten. Wie schön das ist, sich in dem Loslassen von den Vorstellungen der anderen zu üben.
    Genauso sind diese Gedanken aber auch ein Reminder für mich, Freund*innen nicht so kritisch bzgl. der Entwicklung ihrer Beziehungen zu hinterfragen. Schwer fällt mir das vor allem, wenn dieser „ganz normale“ Weg gegangen wird, weil ich immer Angst um meine Liebsten habe, dass sie sich darin verlieren. Aber who am I to judge.
    Und noch ein Gedanke: Ich nehme das so wahr, dass die eigenen Beziehungen gegen Ende 20 noch mal mehr von allen Seiten angeschaut werden, mit 25 hat man schnell noch den „sie probiert sich mal aus“ Stempel. Und so mit 30 ruft dann ja langsam die „Gesellschaftliche Pflicht“ des Kinderkriegens.

    • Liebe Fine,
      das stimmt absolut! Habe ich ganz vergessen zu schreiben, aber schwingt automatisch für mich mit: Sobald man um die 30 ist, muss man sich viel mehr Kommentare zum Thema Zusammenziehen, Kinder & Co. anhören. Und mir geht es genauso mit meinen Freundinnen, die den klassischen Weg gehen. Der Text ist also auch eine Aufforderung an einen selbst, nicht immer zu urteilen. Jeder soll einfach machen, was er für richtig hält!

  4. Toller Text – wir sind nicht alleine:-) Gerade gestern ging es mir wieder so. Eine Freundin heiratet, eine ist schwanger, eine kauft ein Haus. Und ich bin einfach nur zufrieden, dass sich nichts dergleichen bei mir tut. Ich liebe es nicht verheiratet zu sein und mein eigenes Zimmer zu haben – das ist Wohlfühlen in meiner Beziehung für mich auch! Und die leichte Verunsicherung, die mich überkommt, wenn andere den „klassischen Weg“ gehen und meiner in Frage gestellt wird, sehe ich auch als Chance mich zu hinterfragen und zu überprüfen, ob ich noch auf dem richtigen für mich bin. Und das wünsche ich allen Frauen, dass sie ihren Weg gehen, wie auch immer er aussieht.

  5. Vielen Dank für den Artikel. Ich kenne das Problem auch aus mehreren Beziehungen. Früher wollte ich nie heiraten, das hat sich mittlerweile geändert. Allerdings will und wollte ich niemals Kinder haben und da muss Frau sich wirklich ständig rechtfertigen und gerade dann, wenn sie in einer Beziehung ist. Derzeit führe ich eine Beziehung, die zu einer Wochenendbeziehung geworden ist – eigentlich wohnen wir „nur“ eine Stunde mit dem Zug entfernt, aber jeder/jede hat eine eigene Woche und viel zu tun. Häufig muss ich mir aber von Außenstehenden anhören, dass es doch komisch sei, dass wir uns nicht öfter sehen. Es ist seltsam, denn ich komme super mit dieser Lösung klar – bis jemand von außen sich einmischt. Auch ein Zusammenziehen ist nicht absehbar, aber das beunruhigt mich nur, wenn andere sich dazu äußern. Ich finde das übergriffig.

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