Coffee Break: Jeder versucht sein Bestes
Ich habe einen Satz entdeckt, der mir wahnsinnig weiterhilft. Kurz habe ich überlegt, ob es mittlerweile einfach schon so weit ist, dass ich mich an irgendwelche Glaubenssätze klammere. Kurz habe ich ein bisschen Angst bekommen, dass ich eine von diesen Frauen werde, die später einmal zwanzig Selbsthilfe-Bücher im Regal stehen haben. Aber wenn, ist auch egal. Denn dieser Satz, mein neuer Satz hat mich endlich ruhig werden lassen. Er hat mich innerlich aufgeräumt und durchatmen lassen. Er hat viel Frieden gemacht und Wut vertrieben.
„Jeder versucht zum jeweiligen Zeitpunkt sein Bestes“. Das klingt erst einmal irgendwie idiotisch. Wer schmerzhaft verlassen oder betrogen wurde, tut sich natürlich schwer mit der Vorstellung, der Andere habe sein Bestes versucht. Wenn sich Dinge einmal mehr verlaufen, man einfach keine Antwort bekommt oder man unfair und verletzend behandelt wurde, kann man sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass das das Beste war, was ging. Doch, war es. Leider.
Ich glaube, es ist einfacher wütend zu sein, sich zu beklagen, Schuld zuzuweisen, getröstet werden zu wollen, sich als Opfer zu sehen, den Anderen als Täter zu sehen, ihn zu hassen, ihn zu verfluchen, ihn schlecht zu machen, zu stolz zu sein, nicht mehr zu antworten oder Spielchen zu spielen, als den Anderen einfach so zu akzeptieren, wie er nun einmal ist und ihm irgendwann vielleicht auch zu verzeihen. Das ist er und das ist alles, was er liefern kann oder eben auch nicht liefern kann. Und wenn das ganz schön wenig ist, dann ist das traurig. Dann kann man eigentlich nur Mitleid haben mit jenem Menschen.
Viel wichtiger ist aber, dass dieser Satz auch hilft, sich selbst zu verzeihen. Wenn man sich klar macht, dass man selbst sein Bestes versucht hat. Dann ist es plötzlich nicht mehr wichtig, ob man zu viel getan hat oder zu wenig. Ob man in jener Situation dies hätte nicht sagen sollen und hier nicht weniger hätte ausflippen können. Nein, das musste alles sein und man hat das getan, was zu dem Zeitpunkt möglich war.
Wut ist natürlich super, um emotionale Distanz zu jemandem zu schaffen – die Menschen, die uns am wichtigsten sind, können wir wahrscheinlich auch am meisten hassen – aber Wut kostet auch wahnsinnig viel Energie. Und wütend sein hilft einem nicht weiter, es bringt den Anderen nicht zurück oder verändert Menschen und Situationen über Nacht. Wut kann auch nicht durch die Zeit reisen und versuchen, alles noch einmal anders zu machen. Zudem ist Wut in den meisten Fällen auch kein Gefühl, das kleiner wird, wenn man es dem Anderen mitteilt – oft wird es dadurch größer und man selbst nur noch aufgewühlter.
Ich habe keine Lust mehr aufgewühlt zu sein. Ich will mir nicht mehr tausend Fragen stellen. Mein Kopf soll sich nicht mehr im Kreis drehen und sich Dinge ausmalen, die ein komisches Gefühl machen in der Magengegend. Stattdessen versuche ich zu verzeihen. Das ist natürlich in der Theorie alles leicht gesagt, aber wer die Dinge so akzeptiert, wie sie nun einmal sind, der wird wesentlich entspannter im Freibad liegen, als jemand, der hasst und das Schlechteste wünscht. In diesem Sinne: Schöne letzte Sommertage!
4 Antworten zu “Coffee Break: Jeder versucht sein Bestes”
Sehr schön, liebe Anja. Deine Worte haben in mir das gleiche bewirkt – sie haben mich beruhigt. Und sie haben mich durchatmen lassen. Und heute Abend werde ich vermutlich Situationen durchgehen und meinen Frieden mit ihnen machen (endlich).
Alles Liebe,
Kathi
Danke liebe Anja für Deine schönen Worte!
Ich kann sie sehr gut auf einige meiner Lebensphasen und -Situationen beziehen und du hast Recht.
Klar macht man sich gerne die Dinge leicht durch Schuldzuweisung usw. Doch Dinge passieren und gehen auch einfach ihren Weg. Und man kann nichts daran ändern, so sehr man es möchte.
Ich hab auch einige Phasen durchlebt und danach gedacht „Es sollte anscheinend so passieren“ denn wenn eine Tür sich schließt, öffnet sich auf jeden Fall wieder eine (oder mehrere).
Einen schönen Sonntag wünsche ich Dir!
http://blackmintblog.blogspot.de/
Das sagt mir mein Vater seitdem ich klein bin. Und ich begreife das immer anders, aber es tut immer gut.
[…] Die Vorstellung, dass jeder am Ende nur sein Beste versucht, ist schön. Danke an Anja für diese Kolumne. Outfit: Amelie ist schuld, dass ich Wildleder plötzlich doch nicht mehr superunpraktisch, sondern […]