Coffee Break: Ex-Freunde-Stalking
Ich liebe das Internet, ich liebe herum gucken. Ob das jetzt die Neuheiten in Online-Shops sind oder die Neuheiten meiner Ex-Freunde – die Neugierde ist dabei ähnlich groß. Aber: Während Stalking früher noch heimlich und nervös im stillen Kämmerlein betrieben wurde, ist es mittlerweile zum Mittagspausen-Zeitvertreib verkommen. Schade, denn ohne die detektivmäßige Aufregung fühlt man sich heute nicht erst danach, sondern schon während des Stalkings schlecht. Seitdem man nicht mehr sieht, wer wann auf welchem Profil war, checkt man mal eben zwischen Tür und Angel, ob die Ex-Freundin nun schon Bilder ihrer Mexiko-Strandhochzeit hochgeladen hat. Ganz nebenbei, so wie man eben das Wetter checkt. Einfach, weil man es kann und weil es irgendwie Unterhaltung bringt.
Aber das Internet ist gefährlich – fürs Bankkonto sowieso, das wissen wir längst. Was wir gerne mal vergessen: auch fürs Gedächtniskonto. Denn einmal gestalkt, bekommt man die Bilder so schnell nicht mehr aus dem Kopf. Bilder von Menschen, in die man vor Jahren einmal sehr verliebt war und die mittlerweile vielleicht in einem anderen Land wohnen. Bilder von deren neuen Partnern, ersten Babys, gemeinsamen Wohnungen, wunderschönen Hochzeiten.
Was wir dank Internet alles erfahren können ist absolut unnatürlich und fast ein bisschen pervers. Früher hätten wir ganz analog über drei Ecken erfahren: Der Andere hat nun also jemand Neues. Bei einem zufälligen Aufeinandertreffen, dessen Wahrscheinlichkeit bei ungefähr zwanzig Prozent liegt, hätten wir vielleicht noch erfahren: So sieht sie also aus und das sind die beiden zusammen. Ok.
Was wir allerdings heute mit Internet jederzeit erfahren können, ohne irgendjemanden befragen oder zufällig treffen zu müssen: Der Andere hat nun also jemand Neues, so sieht sie also aus, das macht sie beruflich, so alt ist sie, das ist ihre beste Freundin, hier wohnt sie, das sind ihre Lieblingsbands, das die liebsten Filme, hier war sie zuletzt im Urlaub. Und so weiter und so fort. Was zudem richtig ungut ist: Wir bekommen keine real-life-everyday-Ansicht des neuen Partners, sondern ihn oder sie bestens ausgeleuchtet von der schönsten Seite. Das alles wissen wir natürlich schon bevor wir Namen in Suchleisten eingeben oder auf kleine Profilfotos klicken – die Wahrscheinlichkeit, dass wir trotzdem suchen und klicken, liegt bei so ungefähr hundert Prozent.
Weil wir einfach zu neugierig sind. Wir bekommen Einblick in persönliche Fotoalben, Schlafzimmer, Reisetagebücher. Oh, wie schön muss diese Welt gewesen sein, in der man nichts wusste, in der man nichts sehen konnte, außer man kam auf die Idee bei seinem Ex-Freund und der Neuen an der Haustür zu klingeln. Heute bekommen wir Infos, nach denen wir nie gefragt haben. Wir öffnen Profile und wissen nicht, was und wie viel uns erwartet – das ist ja auch irgendwie das Spannende daran – aber eines wissen wir: Ganz egal, was wir sehen werden, es wird zu viel sein und nicht mehr aus dem Kopf gehen.
Ein Bekannter von mir saß letztes Jahr gerade auf der Toilette, als er erfuhr, dass seine Ex-Freundin aka seine große Liebe sich verlobt hat. Er bekam diese Information über einen Whats App-Status. Er wäre fast von der Kloschlüssel gefallen. Wenn er seiner Ex-Freundin zufällig auf der Straße begegnet wäre, hätte er noch irgendwie reagieren können, aber so blieb er alleine. Mit seinen Fragen, seiner Trauer, seiner Wut. Seinem Handy in der Hand auf der Toilette sitzend. Und das ist absolut unnatürlich.
3 Antworten zu “Coffee Break: Ex-Freunde-Stalking”
Kenn ich… wie so vieles, was du hier schreibst.
Durch das Stalken-Light hält man einen Spannungsgrad für das Interesse am Ex/an der Ex aufrecht, der ohne jede Kontaktmöglichkeit längst abgeflaut wäre.
Doch mit jedem neuen Fund beginnt der Kreislauf von vorn; Fragen über Fragen.
Am besten nicht danach suchen. Doch was tut man, wenn da noch soviel offenblieb.
Man bleibt nicht selten einsamer zurück als man das eigentlich ist. Fühlt sich ausgeschlossen.
Gerade, wenn man noch am Ex/an der Ex hängt.
Doch warum nur bestraft man sich selbst so?
Das ist das, was ich mich selbst gefragt habe.
Man weiss ja vorher, wie es sich anfühlen wird, wenn man etwas findet.
Man tut’s trotzdem und ich glaube nicht, dass man das tut, weil man glaubt, etwas Schlechtes zu finden, denn die Wahrscheinlichkeit, dass jemand sein Leben nach aussen teilt, wenn es schlecht ist, ist ja ziemlich gering…
ohja, ich kenne das gut. meine große liebe geht mir bis heute, ein jahr nach trennung, nicht aus dem kopf. da tut das regelmässige sehen in der uni seinen teil, das tratschen von freunden einen anderen, aber am schlimmste war immernoch facebook. zuviel wissen, das man eigentlich nicht haben will und sich selbstzerstörerisch trotzdem aneignet. weil die neugierde dann eben doch zu groß ist. und hinterher hofft man, nicht geschaut zu haben.
yes. das ende vom lied: anfang des jahres habe ich mich unter anderem deshalb von facebook abgemeldet. ist fast ein wunder, wieviel entspannter ich seitdem bin.
so bleibts bei vereinzelten sms und zwiegesprächen, in denen es dann doch viel persönlicher zugeht.
ob das gesünder ist, lasse ich mal so stehen.
Gibt soviele Studien darüber, wie sehr Facebook dem allgemeinen Wohlbefinden schadet.
Weil Leute meist nur preisgeben, was bei ihnen toll ist.
Man dann anfängt sich/sein Leben damit zu vergleichen und von sich selbst ja doch das ganze Bild hat, was einem bei den anderen meist fehlt.
So sieht man scheinbare Defizite im eigenen Leben, die es vor dem schei** FB gar nicht gab.
Abgemeldet und froh darüber seit 2,5 Jahren.
Vermisse ich nichts.