Coffee Break: Dreißig werden in Zeiten von Corona

27. April 2020 von in

Vor ein paar Jahren schrieb unsere Autorin Anja in ihrer Kolumne noch über die Liebe oder was man dafür halten könnte. Nun haben wir Coffee Break neu aufgelegt – und diesmal dreht sich alles um das Thema 30 werden. Über Freunde, die gehen und andere, die dazukommen. Wie man immer mehr weiß, was man kann und trotzdem an manchen Tagen so sehr an sich zweifelt, dass man lieber im Bett liegen bleibt. Darüber, dass man Angst hat, kein Baby bekommen zu können und gleichzeitig totale Angst davor hat, jetzt eines zu bekommen. Dreißig werden ist anstrengend, aber vor allem eines: wahnsinnig spannend.

Menschen planen gerne, zumindest die meisten von ihnen. Weil sie damit Vorfreude auf ein Erlebnis schaffen, weil man sich so in einer Illusion von Sicherheit wähnen kann – denn was geplant ist, scheint ja erst einmal sicher. So geschehen nun bei meinem 30. Geburtstag, für den ich schon lange recht viele Pläne parat hatte. Der beste von allen: Mir den Traum erfüllen, einmal länger in Meran zu leben, kombiniert mit meinem Dreißigsten. Denn ich wollte auf keinen Fall diesen einen Abend voll mit Erwartungen und Gästen – und zu wenig Zeit für jeden Einzelnen. Also lieber einen Monat Meran und viel Zeit mit meinen Freunden. Aus welchen Gründen diese Reise nun erst einmal verschoben wird, muss ich wahrscheinlich nicht erläutern.

Nun habe ich auf jeden Fall einen Dreißigsten, an den ich mich für immer erinnern werde – wenn auch nicht so, wie ich mir das gedacht hatte.

Wenn mir jemand vor einem halben Jahr, ach, vor ein paar Wochen erzählt hätte, dass mein runder Geburtstag einer weltweiten Pandemie zum Opfer fallen würde, hätte ich ihn wahrscheinlich ausgelacht. Es wäre mir ziemlich egal, wenn es irgendein Geburtstag wäre, aber der 30. ist nun einmal der 18. des Erwachsenseins. Man hat ihn sein Leben lang im Kopf und denkt, danach oder währenddessen passiert irgendetwas mit einem. Man weiß: Es wird ein Tag, der für immer im Gedächtnis bleibt. Man ahnt allerdings nicht: als letzter Tag der Kontaktbeschränkungen in Deutschland. Nun habe ich auf jeden Fall einen Dreißigsten, an den ich mich für immer erinnern werde – wenn auch nicht so, wie ich mir das gedacht hatte.

Bevor sich nun der der ein oder andere denkt: Haben wir im Moment nicht größere Probleme, als auf einen Geburtstag anzustoßen? Auf jeden Fall, aber ich glaube auch, dass man sich gegenseitig nicht vorschreiben sollte, worüber man gerade traurig, wütend oder enttäuscht sein darf. Denn natürlich sind das absolute Luxusprobleme, wenn jemand seinen langgeplanten Urlaub absagen oder eben seinen Geburtstag feiern „muss“, aber das heißt nicht, dass man nicht mal kurz enttäuscht sein kann. Ich denke sogar, dass es jetzt noch wichtiger als sonst ist, sämtliche Gefühle zu leben.

Natürlich sind das absolute Luxusprobleme, wenn jemand seinen langgeplanten Urlaub absagen oder eben seinen Geburtstag feiern „muss“, aber das heißt nicht, dass man nicht mal kurz enttäuscht sein kann.

Ich bin natürlich enttäuscht, gleichzeitig aber ein bisschen erleichtert. Man erwartet kein rauschendes Fest von mir, weil es schlichtweg gar kein Fest geben darf. Und das nimmt auch den Druck raus. Es hat also nicht nur Nachteile, in Zeiten von Corona Geburtstag zu haben. Auch, wenn die Nachteile natürlich überwiegen: Ich kann nicht einmal mit meinem fünf liebsten Freunden anstoßen, geschweige denn ins Kino gehen. Also werde ich – wie schon die 30 Jahre zuvor – Erdbeerkuchen bei meiner Mama essen und versuchen, das Beste daraus zu machen.

Wird man Feste nachfeiern – und wenn ja, wann eigentlich? Werden wir dieses Jahr unbeschwert reisen können? Muss ich mir überhaupt einen Badeanzug kaufen oder wird der Sommer einfach ausfallen? Das alles sind natürlich provokante Fragen, die man nur stellen kann, wenn es einem sonst gut geht. Fragen, die das Weltgeschehen nun gerade nicht bewegen, aber vielleicht ja die kleine Welt in uns. Ich denke: Man soll, ja muss unbedingt noch über Banales nachdenken dürfen. Und traurig oder wütend sein, ohne dass gleich jemand sagt: „Du verhältst dich wie ein trotziges Kind, das gerade Hausarrest hat!“

Wahrscheinlich brauchen wir das Banale sogar gerade noch dringender als sonst. Einen Urlaub, ein Fest planen oder einfach über diesen Sommer nachdenken, bringt wieder Alltag in etwas gänzlich Unalltägliches.

Wahrscheinlich brauchen wir das Banale sogar gerade noch dringender als sonst – bei all den unfassbaren Nachrichten, die täglich auf uns einprasseln und dieser neuen Ungewissheit. Einen Urlaub, ein Fest planen oder einfach über diesen Sommer nachdenken, bringt wieder Alltag in etwas gänzlich Unalltägliches. Man muss dankbar sein – das bin ich für alles, was gerade da ist. Für meine Familie, für meinen Freund, für meinen Job, für die gute Beziehung zu mir selbst und natürlich meine Gesundheit. Aber ich darf auch traurig sein in einer Zeit, in der keiner weiß, wie 2020 weitergehen wird. Oder erleichtert oder wütend oder eben alles auf einmal. Denn wir alle sind auch mal kurz trotzige Kinder – ganz egal, wie alt wir sind.

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