Coffee Break: Die Freundschaftsbeziehung

6. Dezember 2015 von in

In letzter Zeit begegnen mir immer öfter Menschen, die fünf, zehn oder zwanzig Jahre zusammen sind – und die, sagen wir mal, zufrieden in ihrer Beziehung sind. Nicht wirklich glücklich, aber zufrieden. Die miteinander funktionieren, die seit Jahren zusammenwohnen, die sich gut verstehen, vielleicht auch ein Kind miteinander haben und sich abgefunden haben. Die es durchziehen. Nicht auf eine schlechte, sondern auf eine solide Art und Weise.

Die das nicht so ernst nehmen, wenn sich ihr Partner mal in jemand anderen verguckt. Die Sex außerhalb der Beziehung nicht allzu wild finden. Die Sätze sagen, wie „Man kann eben nicht alles von einem Menschen bekommen“. Denn, wenn so vieles funktioniert – man sich vertraut, versteht, einen Alltag mit jemandem meistert und vielleicht sogar ein Kind, kann man nicht auch noch erwarten, dass man Sex, romantische Liebe und körperliche Anziehung mit demjenigen teilt. Friends without benefits sozusagen.

Ich sitze bei solchen Erzählungen immer da wie ein Kind, dem man gerade erzählt, dass es das Christkind nicht gibt. In mir bricht eine kleine Welt zusammen. Diese Menschen mit ihren jahrzentelangen Beziehungen und Ehen schmunzeln dann gerne einmal über mich, so als hätte ich noch keinen blassen Schimmer vom Leben.

Habe ich vielleicht auch nicht. Ich war noch nie zehn Jahren lang mit jemandem zusammen. Vielleicht ist es tatsächlich naiv, aber ich glaube noch daran, dass es so eine Liebe geben kann. Sicherlich keine, in der man alles jederzeit voneinander bekommt, aber in der man einen Alltag und trotzdem eine große Liebe und Sex miteinander haben kann.

Ich kenne Paare, von denen ich denke, dass sie genau das haben – auch, wenn es leider nur wenige sind. Dass man kurz nach einem Baby vielleicht nicht das aufregendste Sexleben hat, ist mir bewusst, aber ich möchte mich nicht damit abfinden, dass mein Partner und ich uns später sowieso stillschweigend oder auch vereinbart fremdgehen. Dass wir eine Wohnung teilen, aber kein gemeinsames Bett. Dass wir Freunde sind, aber keine Liebenden mehr.

Diese Menschen, die mich belächeln, sagen dann gerne einmal, dass es bei allen anderen nicht funktioniert, weil die nun mal zu viel erwarten. Ich glaube dagegen nicht, dass der Grund ist, dass wir zu viel erwarten – ich glaube eher, das Problem ist, dass wir uns selbst und unsere Bedürfnisse, wie in diesem Fall mit jemand anderem zu schlafen, nicht mehr zurückstellen können und auch gar nicht wollen. Wir denken, wir können alles haben – und man sieht es ja, das können wir heute anscheinend auch.

Nach zehn Jahren glänzen Fremde sicherlich in einem aufregenderen Licht und natürlich ist es schwieriger etwas auszuhalten, sein Ego hinten anzustellen und an etwas zu arbeiten. Aber indem man mit anderen schläft, findet man doch nicht wieder zueinander – eher im Gegenteil, man entfernt sich noch weiter voneinander.

Der Tipp jener Menschen, die meinen, zu wissen, wie eine dauerhafte Beziehung funktioniert, lautet: Man sollte lieber aufhören nach dem einen Menschen zu suchen, bei dem alles Feuerwerk ist und stattdessen mit jemandem zusammenkommen, mit dem es einfach läuft. Vielleicht denke ich in zehn Jahren anders über diese Sache, aber im Moment möchte ich mich damit nicht zufrieden geben. Bevor ich mit einem Menschen freundschaftlich vor mich hinvegetiere, bin ich lieber alleine.

Alles von Anjas Serie Coffeebreak 

Facebook // Bloglovin // Instagram // Twitter // Store

Sharing is caring

9 Antworten zu “Coffee Break: Die Freundschaftsbeziehung”

  1. Liebe Anja, was für ein wunderbarer Post! Sehe ich mit meinen naiven 17 Jahren genauso und hoffe auch mit 47 noch diese Einstellung zu vertreten. Ich bin ein Mensch der kein Problem hat sich auch mal zu streiten und Kompromisse machen zu müssen – hauptsache ist aber dass das Feuerwerk da ist. Das auf was viele wohl verzichten ist für mich die Einzige grundsätzliche Bedingung.
    Vielleicht muss man mal Prioritäten überdenken und anstatt auf das Feuerwerk – wie du auch schreibst – auf Wünsche verzichten, die nicht in eine feste Beziehung gehören.

    Natürlich nur solange man sich eine feste Beziehung wünscht.

    xx, Ana von http://www.storiesdreamsbooks.blogspot.de

  2. Stimme voll und ganz zu. Ich bin mit meinem Freund seit über 6 Jahren zusammen, wir wohnen seit 5 Jahren zusammen und wir sind immer noch ineinander verliebt. Ich werde alles dafür tun, dass das auch so bleibt. :-)

  3. Ich verstehe dich nur zu gut. Ich selbst lebe in einer Beziehung die jetzt bald acht Jahre alt wird. Und sie ist einfach toll. Nein, grandios! Aber nun mal nur für mich und meinen Partner. Und das auch nicht immer. Manchmal gibt es Stress auf Arbeit, das Essen ist angebrannt oder in der Bude stappeln sich mal wieder meine Studienunterlagen und er fällt drüber. Dann ist es mal nicht so grandios. Aber wer solch einen Anspruch an sich, seinen Partner und diese Beziehung hat, wird enttäuscht. Dann beginnt man sich woanders umzuschauen, weil man selbst, der Partner und die Beziehung einfach nur noch nerven und alles total eingeengt ist. Dabei sollte man einfach nur mal einen Schritt zurücktreten. Damit meine ich nicht, ne Pause einzulegen. Nein – eher das ganze mal aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Sich mal ernsthaft in die Lage des anderen hineinversetzen. Mal wieder anfangen zu fühlen und zu spüren, was wirklich wichtig ist. Statt einfach nur zu fordern.

Schreibe einen Kommentar

Mit dem Absenden des Kommentars bestätigst Du, dass Du unsere Datenschutzerklärung zur Kenntnis genommen hast.

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner