Coffee Break: Das Bauchgefühl
Auf sein Bauchgefühl hören, das wird einem ja immer geraten. Und man selbst spart auch nicht mit eben jener Floskel, wenn die Freundin gerade nicht weiß, ob sie ihn zurücknehmen möchte, die Schwester zweifelt, ob sie das Studium abbrechen soll oder der beste Freund überlegt, in eine neue Stadt zu ziehen. Und doch hört man dann selbst viel zu selten mal darauf. Ärgert sich höchstens – im Nachhinein dann, wenn sich einmal mehr zeigt, dass diese kleine, innere Stimme verdammt Recht hatte. Man hört ihr jederzeit genau zu, geht auch gar nicht anders, aber wenn einem gerade nicht passt, was sie da sagt, kann man das Gehörte auch ganz gut verdrängen.
Dabei ist es wirklich spooky, was das eigene Gefühl schon laut herausschreit, während man sich selbst noch einredet, dass das alles doch gar nicht so ist. Dass da irgendetwas in einem schon beim dritten gemeinsamen Abendessen fragte: „Was mache ich eigentlich hier?“. Und man selbst aber noch Monate, vielleicht Jahre gebraucht hat, um sich diese Frage einmal im Lauten zu stellen. Wenn man ehrlich zu sich selbst ist, weiß man, dass man bei diesen Anrufen immer schon ein schlechtes Gefühl hatte. Dass man wusste, wenn man jetzt schreibt, dann wird der Andere nicht mehr antworten. Dass alles in einem schrie, dass man gerade die absolut falsche Entscheidung trifft – und man sie trotzdem treffen musste.
Am Anfang ist so ein Bauchgefühl immer noch recht leise, irgendwann wird es lauter und lauter. Und, wenn man ihm dann immer noch nicht zuhört, verstummt es plötzlich – und sucht sich eben andere Wege. Zum Beispiel durch körperliche Reaktionen: eine Erkältung, Schwindel, Übelkeit. Ja, gegen sich selbst zu handeln wird vom eigenen Körper nicht gerade belohnt.
Wenn man so zurückdenkt, dann weiß man also noch ganz genau, was das Bauchgefühl einem in dieser und jener Situation geraten hat. Wie laut es war und wie stark. So stark, dass man sich manchmal zusammenreißen musste, nicht sofort danach zu handeln. Und wie konsequent man es trotzdem ignoriert hat. Es ist äußerst erstaunlich, wie früh und wie richtig, dieses Gefühl meistens doch ist und man sollte gar nicht erst damit anfangen, darüber nachzudenken, wie viel man sich hätte ersparen können, wenn man dieser inneren Stimme einfach mal gefolgt wäre. Aber warum hat man es so oft nicht getan?
Vielleicht ist es mit Bauchentscheidungen ja wie mit dem Ende eines Buchs, das man schon kennt, aber das hält einen nicht davon ab, das Buch trotzdem noch zu lesen. Bauchgefühle können also gewissermaßen in die Zukunft sehen. Sie wissen von Anfang an, ob man verliebt ist oder es nur gerne wäre. Sie sagen einem sehr genau, ob es jemand gut meint oder das Ganze wahrscheinlich in einer große Enttäuschung enden wird. Das könnte auch ein Grund sein, warum man es so gerne ignoriert: Man möchte dem Bauchgefühl und damit natürlich auch sich selbst das Gegenteil beweisen. Dass es doch funktionieren kann. Und das kann man sogar, manchmal über Jahre hinweg, aber am Ende des Tages ist das Bauchgefühl eben immer ein bisschen schlauer als man selbst.
Es wäre also nicht verkehrt, dieser Stimme beim nächsten Mal ein bisschen genauer zuzuhören. Das Bauchgefühl ist vielleicht das Wertvollste, was wir überhaupt haben. Und nicht umsonst eine der Eigenschaften, die uns von anderen Lebewesen unterscheidet. In jedem Fall ist es aber das Einzige, auf das man sich verlassen kann. Immer und überall.
6 Antworten zu “Coffee Break: Das Bauchgefühl”
genau das. du sprichst mir aus der seele. wundervoll auf den punkt gebracht!
Bauchgefühl for the win <3
Wenn es nur nicht so schwer wäre, sich selbst einfach einmal voll und ganz zu Vertrauen…
Sehr schön!
Da ich selbst gerne schwarzmale statt weiss, traue ich meinem Bauchgefühl nicht so gut.
Ich nehme oft den worst case an und nicht immer ist er auch eingetroffen, obwohl ich darauf hätte wetten wollen.
Von daher… mein persönliches Bauchgefühl sollte ich manchmal auch ignorieren.
So true! Ich habe es wieder erfolgreich ignoriert, an Stelle es zuzulassen, weil es mein bester Indikator ist, hab ich mir gesagt, dass es „Angst“ wäre, mich richtig einzulassen, dass dieser Mann noch Zeit bräuchte, sich richtig einzulassen. Mein Kopf sagte, am Ende des Tages würde alles gut werden. Mein Bauch wusste, NIEMALS. Und es tut verdammt weg. Ich bin Expertin für Bindungsängste geworden. Ich hoffe, dass ich mich künftig schützen kann und niemals mehr werde ich mein Bauchgefühl verdrängen!