Ein wichtiges Thema, das momentan noch gerne neben all den positiven Selbstverwirklichungs-Aspekten von Social Distancing unter den Tisch fällt, ist die große Gefahr, die Kindern und Frauen beim Lockdown droht. Plötzlich sind Kinder aus schwierigen Verhältnissen weg vom Radar. Niemand sieht mehr, wenn sie Missbrauch und Gewalt erfahren. Einen spannenden Blick auf diese Problematik wirft der Tagesspiegel in seinem Artikel „Kinderleid – und niemand sieht es mehr“.
Eva Reisinger von Zett schreibt ebenfalls von der Gefahr der häuslichen Gewalt, die in Lockdowns droht. Die Enge der Wohnung, die 24/7 Begegnung führte schon in China zu einem Anstieg an Gewalttaten innerhalb der Familie. In ihrem Artikel findet ihr auch Anlaufstellen und Hilfestellungen.
Cherry Picks #10
Die zweite Woche Social Distancing ist vorbei, und wir hoffen, euch geht es gut und ihr seid noch frohen Mutes. Wenn euch die Decke langsam auf den Kopf fällt und ihr Instagram bereits durchgespielt habt, haben wir nochmal eine Portion Lesestoff für euch! Los geht’s:
Ab morgen heißt es wieder: eine weitere Woche Homeoffice. Margarete Stokowski hat einen gewohnt guten und amüsanten Text zum Thema „Zehn Regeln für Homeoffice“ für den Spiegel geschrieben.
„Man hätte meinen können, soziale Isolation hätte zumindest die Mode-Maschinerie auf Instagram irgendwie zum Erliegen gebracht – die Plattform ist schließlich bekannt für ihre durchgefilterte Scheinwelt voller (bezahlter) Outfitposts, doch wo soll jetzt all der Content herkommen, wenn keiner einkauft und alle Events ausfallen? Doch weit gefehlt: Die Designerfummel lassen sich schon unterbringen, Nachhilfe gibt es bei den InfluencerInnen (die posten sich jetzt täglich vom eigenen Balkon) und Stars.“ Maria Hunstig spricht aus, was ich mir seit Tagen denke. Auf Instagram ist die Corona-Krise nicht zum Inspirationsbecken für Entschleunigung geworden, sondern zur Selbstoptimierung. Ihr Text „Instagram in Zeiten des Corona-Virus“ ist ein Lese-Muss für alle, die ebenfalls vom Optimierungs- und Produktivitätswahn genervt sind.
Zum Thema Toxic Positivity hat auch Julia Carevic auf This is Jane Wayne diese Woche geschrieben. „Erzählen wir also anderen Personen von unseren negativen Emotionen oder aussichtslosen Situationen und erhalten darauf eine Antwort, die so oder so ähnlich wie „Sei doch nicht traurig“ oder „Denk positiv“ klingt, löst dies oftmals das Gefühl aus, sich für die eigene Traurigkeit rechtfertigen zu müssen, was, im schlechtesten aller Fälle, lediglich dazu führt, dass wir mit unserem Gegenüber über das Recht auf die eigenen Gefühle diskutieren, nicht aber über die eigentliche Gemütslage sprechen.“ Ein wichtiger Text – gerade auch jetzt.
„Es ist ein bisschen wie bei Liebeskummer: Etwa eine Sekunde lang bin ich wach und erinnere mich noch nicht daran, was gerade passiert. Dann ein Eimer Eiswasser über den Kopf und übers Herz: Sorry, Baby, du hast das alles nicht geträumt, es ist wahr. Diese Krise ist für alle unglaublich anstrengend. Aber für Menschen mit psychischen Problemen erst recht.“ Kathrin Weßling hat für die Zeit aufgeschrieben, wie schwierig und anstrengend die Krise und soziale Isolation für Menschen mit Depressionen und anderen seelischen Erkrankungen sein kann. Ein sehr wahrer, wichtiger Text.
„This storm will pass. But the choices we make now could change our lives for years to come.“ Der bekannte Autor und Philosoph Yuval Noah Harari hat für die Financial Times aufgeschrieben, was diese Krise für unser aller Leben bedeuten kann. Ein großartiger Blick auf unsere Zeit und das Danach.
Ihr fühlt euch hilflos in der Krise und würdet so gern aktiv was tun? Die Süddeutsche Zeitung liefert Tipps, was man jetzt tun kann, beispielsweise mit älteren Menschen, die einsam sind telefonieren. Wie das funktioniert, lest ihr hier.
„Anstatt auf Balkonen zu singen und zu klatschen, sollte Europa seine Grenzen öffnen. Solidarität sollte nicht bei der alten Nachbarin im Erdgeschoss aufhören, sondern auch den Menschen gelten, die es am Nötigsten haben: den Geflüchteten. Davon sollte uns das Coronavirus auf gar keinen Fall ablenken. Europa, Türen auf!“ Ganz nach dem Motto #leavenoonebehind macht die taz auf das Drama aufmerksam, das in der Corona-Krise total untergeht: das Leid der Menschen an den Außengrenzen Europas.
Und zu guter Letzt: Vergangene Woche gab es ein Erdbeben in Kroatien. Städte wie Zagreb wurden verschüttet, Menschen haben ihre Wohnungen und Häuser verloren. In Zeiten der Corona-Krise geht das ebenfalls unter, eine Katastrophe für die Menschen, die direkt betroffen sind. Wer helfen kann und will: Hier geht es zu einem Spendenlink. Auch hier gilt: Wir sollten gerade jetzt solidarisch sein.