Bodyshaming: Marie Jaster

7. November 2017 von in ,

Marie kenne ich schon lange – zumindest virtuell. Gegenseitig folgten wir unseren Blogs, kommentierte eifrig, noch bevor es Instagram und Co. gab. Dass Marie mittlerweile nicht mehr nur ihren Instagram-Account befüllt, sondern fleißig bei Journelles als Redakteurin arbeitet, freut mich ungemein. Denn ihre Texte und Gedanken mag ich mindestens genauso wie ihren Look. Irgendwann traf ich sie dann endlich auch in Real-Life – und war so verzückt, von dieser herzensguten Person. 

Seitdem Marie eben auch für eines der größten Blogazines Deutschland schreibt, habe ich mich – ähnlich zu unseren Anfängen bei amazed – gefragt: Was macht es mit einem, wenn man plötzlich vor so einer großen Leserschaft steht, und auch auf Meetings und Events in Berlin auf die bestangezogendsten Leute trifft? Wenn man für die Rewardstyle-Konferenz nach Dallas fliegt und sich inmitten von Influencer-Girls befindet? Wenn jeder eine Meinung zu dir hat – und zwar nicht nur im Content-Bereich, sondern auch bei deiner Optik. Denn so sehr wir es daran arbeiten: Ein ständiger Vergleich ist eben doch immer so ein bisschen da.

Umso gespannter war ich also, als ich Marie unsere drei Bodyshaming-Fragen schickte. Dieser tollen starken und wunderschönen Frau mit Köpfchen, einem großen Herz und tollen Ideen. Umso erstaunter war ich über ihre ehrlichen Antworten, die beweisen: Selbstliebe, Akzeptanz für sich und seinen Körper sowie das Mit-sich-im-Reinen-Sein sind ein Weg, der beschritten werden muss. Vielleicht ein Leben lang.

Hast du schonmal Erfahrungen mit Bodyshaming gemacht, wie wurdest du selbst schon auf deinen Körper angesprochen?

Ein Satz hat das Verhältnis zu meinem Körper geprägt, wie sonst keiner: „Du hast die pommerschen Stampfer deiner Mutter geerbt“, sagte meine Oma zu mir, da war ich zwölf oder 13 Jahre alt. Sie saß vor mir, in einem gemütlichen Sessel, rückte sich die Brille wieder gerade und schaute mich vorwurfsvoll an. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich zwar auch Erfahrungen mit Bodyshaming und Mobbing gemacht, allerdings nur von Menschen, deren Persönlichkeit ich eh nicht gerade zu schätzen vermochte. Dass die Kritik aus den eigenen Reihen die ist, die am meisten weh tut, das lernte ich in dem Moment. Ich glaube nicht, dass meine Oma, die ich heiß und innig liebte, dies mit einer bösen Absicht tat, aber der bittere Beigeschmack beim Anblick meiner Beine im Spiegel blieb seit diesem Satz – und ging nie wieder weg.

Doch ja, es gab eine Zeit, in der ich meinen Körper liebte und das war die idyllische Zeit im Kindergarten. Ich werde nie vergessen, wie ich meinen Freunden voller Stolz zeigte, wie dick ich meinen Bauch aufblähen kann. Und jeder durfte ihn mal anfassen. Schlagartig änderte sich dieses Verhältnis in der Vorschule. Während ich die ersten Buchstaben schon schreiben konnte, als ich in die erste Klasse kam, konnten andere noch nicht ein Wort Deutsch sprechen. Das führte nicht nur zu Verständigungsproblemen innerhalb meiner Schule, sondern auch zu oben genanntem Mobbing – bei der allerhand Selbstliebe hopps ging.

Generell werde ich in meinem Beruf ständig mit dem Thema Körper konfrontiert. In einer Redaktion eines Printmagazins wurden Jeans ständig verschenkt: in Größe 24. Die Folge? Ich musste dankend ablehne und sie landeten in einer Ecke der Moderequisite und wurden irgendwann der pubertierenden Tochter einer Reinigungskraft geschenkt. Kleidersamples in Größe 34 oder 36 für Shootings? Kriege ich oft nicht mal über die Oberschenkel und muss dann zu weiten Kleidern oder Pullovern greifen. Das alles ist zwar kein Angriff in direkter Form auf mich, meine Person und meinen Körper, aber oft sind es ja die kleinen Dinge, die sich ins Gedächtnis brennen und besonders weh tun. Die Jeans, die immer in einer bestimmten Größe gepasst hat und jetzt auf einmal zwickt. Der Blick eines Freundes, wenn man im Restaurant zum Korb mit dem Weißbrot greift – unvernünftigerweise, obwohl doch gleich das Essen kommt. Jungs, die einem in die Taille zwacken und es lustig meinen, aber damit eine sensible Stelle treffen. Diese Dinge schüren Selbstzweifel und lassen aus einem kleinen Funken ganz schnell ein loderndes Feuer werden. Das brennt und wehtut.

Wie würdest du dein Verhältnis zu deinem eigenen Körper einschätzen?

„Ich glaube, man hasst seinen Körper einmal komplett durch, von oben bis unten, bevor man ihn dann im Alter langsam Schritt für Schritt zu akzeptieren lernt.“ Das hat mal eine Frau in einem Spa zu mir gesagt und damit ins Schwarze getroffen. Ich wünschte so sehr, dass ich an dieser Stelle etwas Anderes schreiben könnte, aber ich bin leider noch im Hass gefangen. Mache mit Kolleginnen Scherze über Schönheits-OPs To Go, schraube beim ein oder anderen Foto gerne mal mit Facetune rum oder lege am Abend im Bett neben meinem Freund doch nochmal einen Hauch Rouge auf, damit ich frischer aussehe – obwohl ich mich doch gerade abgeschminkt habe.

Ich glaube, es braucht Zeit, Reife und Mut, seinen Körper so zu akzeptieren, wie er ist – und momentan scheine ich das alles noch nicht zu haben. Stattdessen vergleiche ich mich viel zu sehr mit anderen Frauen in meinem Freundeskreis, im Berufsumfeld und auf Social Media. Irgendwo in meinem Kopf weiß ich auch, dass das, was ich da im Spiegel sehe, gar nicht so schlimm sein kann – schließlich kriege ich von vielen Leuten positive Kommentare zu meinem Aussehen und meiner Figur, aber ihnen zu glauben, das traue ich mich noch nicht. Denn das würde ja bedeuten, dass ich mich mit meinem Aussehen abfinde. Dass das jetzt vielleicht so bleibt und nicht mehr optimiert werden kann: ich nicht noch zehn Kilo abnehme, fünf Zentimeter wachse und meine Finger lang und dünn werden, meine Knie knochig und meine Knöchel schmal. Ich bin noch nicht bereit, meinen Wunsch einer „Traumfigur“, so wie ihn die Gesellschaft geprägt hat, aufzugeben.

Aber auch hier versuche ich mich mit Kleinigkeiten auf den richtigen Weg zu bringen. Wenn ich abends Lust auf Spaghetti Bolognese habe, obwohl ich doch mittags im Büro schon eine warme Mahlzeit hatte, dann esse ich sie. Heißhunger auf Süßes? Wird nachgegeben. Denn mein Körper fordert das bestimmt nicht ohne Grund. Die Jeans wird eine Nummer größer gekauft, damit sie auch im Sitzen bequem ist und ich am Ende des Tages keinen Knopfabdruck auf dem Bauch habe. Hunger wird nicht mehr als ein Gefühl des Erfolgs verbucht, sondern als Zustand, der schnellstmöglich geändert werden muss. Denn ich glaube nicht daran, dass Veränderungen schnell, plötzlich und von der einen auf die andere Sekunde passieren. Dass sie mit einem mal gefasst werden können und dann funktionieren. Selbstakzeptanz muss langsam und wahrhaftig vollzogen werden, mit kleinen Fortschritten und großen Rückschritten.

Hast du jemals eine andere Frau auf ihren Körper angesprochen?

Ich weiß nicht, woran es liegt und ob es anderen Frauen genauso geht, aber in meinem engsten Freundeskreis geht es ständig um das Thema Körper – leider! Die eine freut sich, dass sie in einer Woche fünf Kilogramm abgenommen hat, indem sie nur Salat ohne Dressing ist und manche Mahlzeiten „vergisst“ (kann mir jemand erklären, wie man das Essen vergessen kann? Das ist mir noch nie passiert!) und berichtet davon stolz, die andere quält sich monatelang mit Weight Watchers, dabei war sie doch davor schon in meinen Augen perfekt. Lange Zeit habe ich sie in ihrem Vorhaben bestärkt, sie mit einem „Wow, du hast doch abgenommen“ begrüßt und gar nicht gemerkt, dass man so in einen Teufelskreis kommt, aus dem keine Partei gestärkt hervorgehen kann – denn irgendwie bestätigt man sich so ja in dem Gedanken, dass es etwas abzunehmen gibt.

Mittlerweile habe ich mir, die ja selbst (noch) keinen Frieden mit ihrem Körper schließen kann, als Antwort angewöhnt: „Du bist perfekt so wie du bist.“ Das ist keine Floskel, ich meine es auch so. Denn wenn ich meine Freundinnen, Kolleginnen und Bekannten sehe, dann interessiert mich doch nicht das Gewicht, das die Waage anzeigt, sondern wie es ihnen geht, was sie bewegt und ob sie glücklich sind.

Schade, dass wir Glück, Zufriedenheit und Wohlbefinden immer so schnell von unserem Äußeren und der Meinung von anderen abhängig machen. Dabei tut es doch gut einmal in sich hineinzuhorchen, die Augen vor der Person im Spiegel zu verschließen und sich zu fragen: Was ist wirklich wichtig im Leben?! Löst gutes Aussehen alle Probleme? Ich glaube, ihr kennt die Antwort auf diese Frage – genauso wie ich.

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8 Antworten zu “Bodyshaming: Marie Jaster”

  1. Ohje, das ist wirklich erschreckend, wie Selbstbild (Marie) und Fremdbild (mein Bild von Marie) hier auseinanderdriften. Das macht mich sprachlos und irgendwie fast sauer. – Warum Stampfer? Abnehmen? Hilfe! In was für einer Welt leben wir eigentlich, dass das Menschen von sich denken, die ich als Außenstehender als MINDESTENS gertenschlank einstufen würde.

    • Du sprichst mir aus der Seele. So eine wunderschöne, junge Frau muss sich doch nun wirklich keinen Kopf um ihre Figur machen. Ich hoffe sehr, dass sich ihre Einstellung zu ihrem Körper irgendwann ändert und dass sie ihn nicht nur „akzeptiert“, sondern auch lieben lernt.

  2. Ich habe auch Freundinnen wie Marie, die in in sehr vielen Girls-Talk-Runden auf das Thema Körper und Figur kommen und das oft als Schlüssel für Erfolg/Misserfolg sehen – ohne überhaupt im Modebereich zu arbeiten. Aber zum Glück auch viele, die das ganze nicht so wichtig nehmen und versuchen, mit sich selbst im reinen zu sein. 100 Prozentig schafft das glaube ich fast keiner aber so wie Marie es beschreibt, erschreckt es mich dann doch. Ich bin sehr froh, dass ich mich selbst bzw. meine Figur nicht so wichtig nehme – oder soll ich vielleicht sagen mich umso mehr wichtig nehme- weil ich mich meistens so akzeptiere wie ich bin? Klar freue ich mich über Komplimente oder wenn die Jeans super sitzt und ich es öfters mal zum Sport schaffe auch sehr – aber meine Gedanken kreisen doch meistens um andere Dinge.Was mir dabei hilft ist, wie Marie es im letzten Satz ja auch so schön beschreibt, dem ganzen nicht mehr so viel Bedeutung bei zu messen – denn gutes Aussehen löst eben nicht alle Probleme. Und die Dinge, die man an sich selber mag, gut in Szene zu setzen und ein Auftritt mit Charisma und Ego kann einem doch sehr im Leben helfen ;-)

  3. Ich finde es schade, dass das Thema Körper, Diäten etc. so allgegenwärtig ist – selbst die jungen Mädchen (12-14 Jahre) machen sich schon Gedanken (und zwar viel zu viele) um Ihren Körper und fangen mit Diäten und vor allem dem Hungern an – und das oft weil sie die eigene Mutter als Vorbild haben, die es vorlebt wie man nichts isst, oder kaum.

    Ich versuche ein anderes Beispiel zu geben: Freude am Essen und am eigenen Körper – auch wenn er keine „vorgegebenen“ Originalmaße hat.

    Und ja, ein schlankes gutes Aussehen bringt einen oft weiter bzw. öffnet einem Türen, aber wenn man dann nicht mit Intellekt und Charakterstärke brillieren kann, bleiben weitere Türen verschloßen.

    Alles Liebe,
    Ulla von My Own Memento

    PS. Aktuell verlose ich auf meinem Blog einen Adventskalender… vielleicht hast Du ja Lust mal vorbeizuschauen und mitzumachen?

  4. Der zweite Absatz des Intros beschreibt ganz hervorragend, warum es für mich persönlich jobtechnisch gesehen die allerletzte Option auf diesem Planeten wäre, als Blogger zu arbeiten und damit die eigene Optik und Person so sehr in den Fokus rücken zu müssen.

    Ich arbeite seit 30 Jahren daran meinem eigenen Anspruch/Urteil zu genügen. Undenkbar, mich der Meinung/Kritik anderer, meist völlig fremder und anonymer Personen, freiwillig auszusetzen.

    Ich finde es schön, dass Marie eure Fragen so erfrischend ehrlich beantwortet hat und hätte gleichzeitig nie gedacht, dass sie sich solche Gedanken macht zu ihrem Aussehen. Tut fast ein bisschen weh sowas zu lesen weil man es von Außen so wenig nachvollziehen kann.

    • Ja, das war am Anfang auch für mich die größte Schwierigkeit. Ich habe mich plötzlich ganz anders gesehen, als ich es eigentlich getan habe. Das Betrachten von außen hat mich total unter Druck gesetzt – obwohl ich nie Gewichtsprobleme hatte. Das hat mich erschrocken, hat sich aber dann zum Glück gelegt und ich bin wieder ganz im Reinen mit mir :)

      Ich finde es wahnsinnig toll und mutig von Marie so offen die Fragen zu beantworten. Und die Antworten zeigen, dass niemand vor diesem eigenen Betrachten des Körpers und dem Umfeld verschont ist und dass es eben keine Frage der Kleidergröße ist. Was natürlich erschreckend und vielleicht noch weniger nachvollziehbar ist, aber eben auch in meinem Umfeld ganz stark vertreten ist.

      Liebe Grüße!

  5. liebe marie, weil du schreibst „ich bin noch im hass gefangen“ hier eine buchempfehlung für dich:
    „body positive power“ von megan jayne crabbe alias bodyposipanda. hinter dem pink-bunten cover
    steckt ein absolut wertvolles, eloquentes und ermutigendes buch zum thema body positivity und sich selbst lieben lernen. check it out!

  6. Vielen Dank für deine ehrlichen Worte, ich finde den Artikel klasse. Mir geht es ähnlich wie dir, ich weiß dass diese ständige Unzufriedenheit falsch ist und uns niemals glücklich in unserem Körper werden lässt und trotzdem habe ich das Streben nach dem Traumkörper noch nicht aufgegeben. Seit ein paar Monaten ernähre ich mich allerdings jetzt schon vegan in Verbindung mit regelmäßigen Sport und muss sagen, dass ich mich seit dem in meinem Körper schon sehr viel wohler fühle.
    Trotzdem ist das was zählt, nicht die perfekt sitzende Jeans in Größe 24 oder die Zahl auf der Waage, das muss man sich wirklich oft sagen. Es sind die Menschen die einen umgeben, mit denen man Zeit verbringt, das Leben genießen und einfach frei sein und loslassen zu können.
    Liebe Grüße

    Mealove

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