Bodyshaming: Julia Bauer

11. Dezember 2017 von in ,

Hochglanzmagazine, Promifotos und jeden Tag Berichte vom Roten Teppich: Bunte.de-Chefredakteurin Julia Bauer ist täglich von den vermeintlich Schönen und Reichen umgeben. Die Welt des Schein und Seins ist ihr Beruf – und den übt sie mit großer Leidenschaft aus. Im Vordergrund für sie steht immer der Mensch. Die Storys der Menschen interessieren die 31-Jährige – denn ob reich, berühmt oder ganz normal: Jeder von uns hat eine Geschichte zu erzählen.

Doch was macht es mit einem, wenn man jeden Tag nur mit Menschen dieser Welt konfrontiert wird, deren Job es ist vermeintlich perfekt auszusehen? Wenn man gephotoshopte Fotos begutachtet, eine Meghan Markle auf Haut und Haare analysiert und irgendwann selbst neben Promis wie Heidi Klum im Fernsehen steht? Wenn man Fotos und Realität immer wieder aufs Neue bewerten muss und sein eigenes Körperbild möglicherweise nicht mehr am Umfeld, sondern am Job misst. Tatsache ist: Ob Mode- oder Promi-Branche, in kaum einer anderen Branche dreht sich so viel um die Optik. Gilt das also auch für Redakteure und Co.?

Genau das hat uns interessiert. Deswegen haben wir im Rahmen unserer Bodyshaming-Serie auch unsere liebe Freundin Julia die drei Fragen gestellt.

Hast du schon mal Erfahrungen mit Bodyshaming gemacht, wie wurdest du selbst schon auf deinen Körper angesprochen?

Beides. Damals war das sicher nicht als Bodyshaming gemeint, aber heute würde man es so bezeichnen. Als ich mit dem Studium angefangen hatte und dafür von Zuhause aus und in eine größere Stadt gezogen bin, nahm ich zu. Nicht superviel, aber wohl so eine Kleidergröße. Man sah es, wenn man wollte, ich spürte es, aber ich machte mir deshalb irgendwie damals keine Gedanken. Meine Mama sagte allerdings mal „Julia, iss mal ein paar Schnitzel weniger“, weil ich ihr erzählt hatte, dass das einzig gute Essen in der Uni-Mensa die Schnitzel waren.
Damals reagierte ich natürlich bockig, einerseits, weil ich noch nie gut mit Kritik von meiner Mama umgehen konnte, andererseits aber, weil ich wusste, dass ich zugenommen hatte und mich ihr Kommentar insgeheim doch traf. Wenige Monate später waren die Kilos wieder runter, weil ich mich nicht mehr wohlgefühlt hatte. Weder mit dem Mehr an Gewicht, noch mit dem Kommentar meiner Mutter. Hätte ich auch ohne ihren Hint abgenommen? Ich weiß es nicht.
Ein weiterer Kommentar wird mir immer im Gedächtnis bleiben, der mich ebenfalls nicht kränken sollte. Ich war mit meinem besten Freund im Urlaub, wir kamen irgendwie auf das Thema Körper und Figur und er sagte: „Du bist halt eher der stämmige Typ“. Er wollte sagen, dass ich eher sportlich bin, hat dafür aber das unglücklichste Wort der Welt verwendet. Dass ich keinen zierlichen Körperbau habe, ist mir klar, aber stämmig ist er auch nicht. Ich mache viel Sport und das sieht man auch. Ich habe ihm nie gesagt, wie sehr mich seine Aussage gepiekst hat. Weil ich ja auch weiß, dass er es nicht so gemeint hat. Trotzdem hat er es so gesagt, trotzdem wirkt es nach.
Wenn man so will, könnte man beide Kommentare als Bodyshaming bezeichnen, auch wenn weder meine Mutter noch mein bester Freund mich demütigen wollten. Es reicht jedenfalls, dass sie bei mir negativ ankamen und ein blödes Gefühl hinterlassen haben.
Es gab aber auch schon andere Kommentare über meinen Körper, die positiv gemeint waren und auch positiv ankamen. Immer, wenn ich abnehme (was so einmal pro Jahr vorkommt, mein Gewicht schwankt immer so um die 5 Kilo), werde ich gefragt, ob ich abgenommen habe. Nur Frauen fragen das, Männern fällt das gar nicht auf.
Warum wird das überhaupt kommentiert? Allein daran erkennt man, was für ein großes Thema „Gewicht“ für Frauen spielt. Und dass abnehmen immer gleichgesetzt wird mit „Körper optimieren“ und „Erfolg“. Erschreckend. „Hirn optimieren“ wäre mehr Komplimente wert.

Heute mal Lady in Red ;) #newfacesaward #thegrand #reddress

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Wie würdest du dein Verhältnis zu deinem eigenen Körper einschätzen?

Intensiv. Ich glaube, mein Körper ist ein Thema für mich, seit ich in die Pubertät gekommen bin. Und es stimmt, Zeitschriften & Co. tragen dann dazu bei, dass man seinen Körper anders wahrnimmt als vor deren Konsum.
Man sieht Fotos von Teenie-Models in der „BRAVO Girl“, die sich einprägen. Man guckt GNTM und merkt sich die Figuren der Teilnehmerinnen.
So formt sich nach und nach ein vermeintliches Idealbild von einem weiblichen Körper und man beginnt, seinen eigenen gegenüber zu stellen und Unterschiede festzustellen. Schon ist man reingerutscht in das ewige Vergleichen, womit automatisch eine ständige Unzufriedenheit und dauernde Selbstzweifel entstehen können.
Heute finde ich oft auch noch andere Frauenkörper perfekter als meinen. Aber ich bin mittlerweile erwachsen genug, mich davon nicht mehr verunsichern zu lassen. Das eine ist ein retuschiertes Foto in einer Zeitschrift, das andere ist mein echter Körper, der mich jeden Tag leben und leisten lässt. Er funktioniert, hat Kraft und allein deshalb ist er ganz wunderbar.
Ich achte aber schon darauf, dass ich Gutes für ihn tue, weil ich mich dann einfach wohler fühle. Zum Beispiel mit einer (meistens) gesunden Ernährung und viel Bewegung. Ich mag gutes Essen genauso wie Fastfood. Und ich bin wirklich ein Sportjunkie. Ich muss mich zum Glück nicht dazu zwingen, sondern ich brauche die Bewegung zum Runterkommen. Wenn ich aus meinem heutigen Blickwinkel mit meinem 15-jährigen Ich sprechen könnte, würde ich alles tun, um sein Selbstwertgefühl vom Aussehen zu entkoppeln und das Thema Körperideal einer bewussten und gesunden Lebensweise unterzuordnen.

Hast du jemals eine andere Frau auf ihren Körper angesprochen?

Klar. Aber immer nur, wenn sie mir gut gefallen hat. Das ist natürlich auch fragwürdig. Einerseits sollten wir Frauen uns gegenseitig unterstützen und ein ehrlich ausgesprochenes Kompliment ist viel schöner als heimliche Missgunst. Andererseits thematisieren wir damit natürlich genau das Thema, was wir eigentlich weniger bewerten wollen, nämlich das Aussehen und vermeintliche Idealbilder. Und wer weiß schon, ob das Gegenüber sich genauso ideal findet, wie man selbst das beurteilt. Vielleicht verletzt man die Frau ja sogar mit einem Kompliment?
Man könnte auch genauso fragen, warum man keine sehr voluminöse Frau darauf hinweist, dass sie eventuell nicht so gesund lebt. Schließlich würde man ihrer Gesundheit damit vielleicht auf die Sprünge helfen. Das „kann man nicht machen“, weil es ein „No Go“ ist. Das macht man dann ganz fies hinter dem Rücken der Person, die nicht ins Schönheitsideal passt. Ganz toll.
Also warum kommentieren wir überhaupt schöne Oberflächlichkeiten? Wollen wir ganz ehrlich Dinge hervorheben, die wir selbst nicht haben? Wollen wir insgeheim fishing for compliments betreiben, oder uns einschleimen?
Ich habe da keine richtige oder erklärende Antwort. Wir hypen einfach generell gerne alles, was wir gut finden. Dass es bei diesem Thema aber nicht um materielle Dinge, Musik oder Serien geht, sondern um Körper, in denen eine Seele steckt, macht einen gewaltigen Unterschied.

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2 Antworten zu “Bodyshaming: Julia Bauer”

  1. Ich seh‘ sie da so stehen auf ihren beiden Bildern, die Julia und denk‘ so laut vor mich hin…stämmig?! WTF? Was ein einzelner Kommentar oder auch zwei anrichten, man glaubt es kaum.

    Habe ich aber auch so erlebt. Meine Eltern wollten mich so vorm Dicksein/Dickwerden abhalten. Was sie damit herangezüchtet haben, ist eine, die seit dem immer darauf achtet, nie zuviel zu wiegen. Jetzt allerdings nicht mehr wegen der Eltern, sondern weil ich es verinnerlicht habe.

    Eigentlich tragisch, denn die tollen Sachen, die man ja auch mal irgendwann gehört hat, brennen nie so lange nach. Schade.

    LG Ava

  2. „Man könnte auch genauso fragen, warum man keine sehr voluminöse Frau darauf hinweist, dass sie eventuell nicht so gesund lebt. Schließlich würde man ihrer Gesundheit damit vielleicht auf die Sprünge helfen. Das „kann man nicht machen“, weil es ein „No Go“ ist.“ Versteh ich nicht – das macht man nicht, weil es einen schlicht nichts angeht, wie ein erwachsener Mensch lebt oder wie derjenige mit seiner Gesundheit umgeht. Jedem Menschen ist doch bewusst, dass ungesunde Ernährung, rauchen, trinken oder wenig Bewegung nicht gesundheitsfördernd sind, warum sollte ich dann darauf hinweisen? Die Frage ist eher, warum man dieses Bedürfnis eher bei dicken Menschen verspürt, als bei jemandem, der beispielsweise öfter mal trinkt. (Nur mal so als Diskussionsanstoß)

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