BODYSHAMING: Es ist akzeptierter, zu dünn als zu dick zu sein
Bodyshaming ist ein Thema, das bereits jeden von uns verfolgt hat. Der Körper ist schließlich einfacher zu beurteilen als der Charakter, und so kamen wir alle schon in den Genuss von Mobbing, weil wir zu dick, zu dünn, zu groß oder zu klein sind oder waren.
Ich nehme mich da selbst nicht aus. Frauen und Männer sind von dem Thema betroffen, obgleich man sagen muss, dass das Thema des Körpergefühls ein besonders großes Thema der Frau ist. Frauen werden tendenziell öfter auf ihr Äußeres reduziert und somit hat ihr Körper einen höheren Stellenwert als bei Männern. Am Ende versuchen wir aber alle irgendwie eines: schön sein. Egal ob Mann oder Frau.
Hast du schonmal Erfahrungen mit Bodyshaming gemacht, wie wurdest du selbst schon auf deinen Körper angesprochen?
In der achten Klasse wurde ich mal damit gehänselt, ich hätte „keinen“ Po. Heute werde ich hauptsächlich von Männern daran erinnert, dass ich einen habe. Es fallen bis heute Kommentare zu meinem Körper – zum Beispiel werde ich gelegentlich gefragt, ob ich abgenommen hätte. Letztens hat mich ein Bekannter betrunken auf einer Party umarmt und geschrien: „Du bist SO dünn!!!“, und ich war mir nicht sicher, ob das ein Kompliment sein sollte, oder eine Beleidigung. Eine Freundin sagte mal zu mir, ich solle aber „bloß nicht noch mehr abnehmen“, da es sonst krank aussähe – und mal ehrlich, ich bin schlank, aber so schlank nun auch wieder nicht. Ich wurde meines Wissens noch nie mit einem Kommentar, ich sei „dick“ oder so konfrontiert, worüber ich froh bin, da ich mir das noch schwerer zu verarbeiten vorstelle, als als „zu dünn“ zu gelten.
Wir leben in einer Gesellschaft, in der es akzeptierter ist, dünn zu sein als dick zu sein. Und so kann es dünne Menschen zwar auch verletzen und stören, auf ihren Körper angesprochen zu werden, aber das ist meiner Meinung nach trotzdem kein adäquater Vergleich zu übergewichtigen Menschen. So oder so steht aber fest: Auf den Körper reduziert zu werden fühlt sich selten gut an.
Wie würdest du dein Verhältnis zu deinem eigenen Körper einschätzen?
Ganz gut. Ich würde aber lügen, wenn ich sage, dass mich mein Körper nicht beschäftigen würde. Das tut er seit meiner Pubertät. Ich habe ihn als Teenager gehasst, aber ich denke, das hat fast jeder Teenager. Ich fand mich zu dick, weil ich mit den letzten Resten meines Babyspecks zu kämpfen hatte und fühlte mich jahrelang extrem unwohl im Bikini.
Wenn ich mich heute nackt im Spiegel betrachte, denke ich mir: „Okay, das passt doch.“, und mittlerweile denke ich, dass das das Maximum an Freundschaft sein wird, das mein Körper und ich erreichen werden. Wir finden uns okay. Wir akzeptieren uns.
Es gibt hier und da Stellen, die ich verändern würde, wenn ich sie verändern könnte, aber ich habe gelernt, dass es unglaublich aufwendig ist, den Körper langfristig deutlich zu verändern. Viel Sport machen zu müssen und ständig an meine Ernährung zu denken, nervt mich – das ist es mir schlichtweg nicht wert. Meine Hüften sind so, wie sie sind und meine Beine auch, ich müsste mein Leben zu stark einschränken, um diese Perfektion zu erreichen, also lass ich’s einfach.
Faulheit hat am Ende zur Zufriedenheit geführt. Das bedeutet aber nicht, dass ich gar nichts tun würde: Ich achte auf gesunde und ausgewogene Ernährung, versuche, nicht zu viel Süßes zu essen und regelmäßig Sport zu machen. Nur halt in einem Maße, das mein Körpergefühl beeinflusst und das keine sichtbaren Ergebnisse zeigt, weil, wie gesagt. Das ist mir mittlerweile zu doof.
Hast du jemals eine andere Frau auf ihren Körper angesprochen?
Ja, früher. Ich habe früher Mädchen verurteilt, die dünn waren und sie schnell als „magersüchtig“ abgestempelt. Ich habe Frauen verurteilt, die auf Diät waren, oder sich gesund ernährt haben. Ich weiß heute, dass das hauptsächlich Neid war. Die Frauen waren selten magersüchtig, sondern es ging mir glaube ich damals als Teenager primär darum, dass ich nicht so schlank war wie die – wenn ich ganz ehrlich zu mir selbst bin. Es ist immer irgendwie ein Wettbewerb unter Frauen, weil ihnen ihr Leben lang eingebläut wurde, dass ihr Aussehen ihr Statussymbol sei. Und plötzlich wurde es wichtig, wer welche Konfektionsgröße trägt und wer eine Thigh Gap hat. Es war ehrlich schwer, sich als Teenager-Mädchen zu mögen und gleichzeitig anderen Teenager-Mädchen ihre Topfigur ohne Neid zu gönnen.
Heute verurteile ich keinen mehr für seine Figur. Wenn jemand in meinem engen Freundeskreis allerdings tatsächlich an einer Krankheit leiden sollte, würde ich ihn natürlich immer noch darauf ansprechen. Das hat aber heute aber nichts mehr mit Neid, sondern mit Mitgefühl zu tun.
6 Antworten zu “BODYSHAMING: Es ist akzeptierter, zu dünn als zu dick zu sein”
„Ich achte auf gesunde und ausgewogene Ernährung, versuche, nicht zu viel Süßes zu essen und regelmäßig Sport zu machen. Nur halt in einem Maße, das mein Körpergefühl beeinflusst und das keine sichtbaren Ergebnisse zeigt, weil, wie gesagt. Das ist mir mittlerweile zu doof.“
Haha, ich weiß genau was du damit meinst. Sport sorgt dafür, dass ich und mein Körper ok miteinander sind. Aber sowas wie ein Sixpack kommt da nicht mehr bei raus. Dazu müsste ich auf viel verzichten was mir lieb ist und darauf habe ich auch schlichtweg keinen Bock!
Vielen Dank dass das mal jemand ausspricht: Ja alle Frauen hadern mit ihren Körpern, ja alle fühlen sich mal schlecht.. ABER wie du bereits gesagt hast: dünn sein ist viel akkzeptierter. Ich bin nicht dick. trage Grösse 42, selten 44 bei engen Schnitten. Bei jedem Kleiderkauf werde ich mit meiner „Grösse“ konfrontiert, weil diese in vielen Geschäften einfach nicht vorhanden ist. Auch viele Designer bieten ihre Kleidungsstücke nur bis max. Grösse L an! Kürzlich war ich in Zürich in einem angesagten Viertel shopen, wollte mir was „Qooles“ kaufen. Nach dem 2. Geschäft gab ich resigniert auf. Schon das Fragen nach einer grösseren Nummer kostete überwindung. Aber die abwertenden Blicke der Verkäuferinnen waren sehr frustrierend… Leider ist das kein Einzelfall.
Und ja: ich achte auf meine Ernährung und mache regelmässig sport!
Sorry für den langen Text, aber das musste mal gesagt sein.
Und danke für eure kritischen Texte :-)
“Frauen werden tendenziell öfter auf ihr Äußeres reduziert und somit hat ihr Körper einen höheren Stellenwert als bei Männern.“
Der Fairness halber muss aber gesagt werden: Zu einem nicht kleinen Anteil von Frauen selbst. So wie Männer gewalttätiger sind, aber auch häufiger Opfer von Gewalt werden, so verurteilen Frauen sich viel häufiger für ihre Makel als Männer andere Männer und als die meisten etwas zivilisierten Exemplare der Männer auch die Frauen. Im Übrigen bewerten Frauen Männer grundsätzlich als hässlicher als andersherum, was evolutionär vielleicht Sinn macht, mir aber auch nicht direkt wie Gleichberechtigung vorkommt.
“Am Ende versuchen wir aber alle irgendwie eines: schön sein. Egal ob Mann oder Frau.“
Warum eigentlich? Wäre es nicht schön, nicht schön zu sein?
“In der achten Klasse wurde ich mal damit gehänselt, ich hätte „keinen“ Po. Heute werde ich hauptsächlich von Männern daran erinnert, dass ich einen habe. Es fallen bis heute Kommentare zu meinem Körper – zum Beispiel werde ich gelegentlich gefragt, ob ich abgenommen hätte. Letztens hat mich ein Bekannter betrunken auf einer Party umarmt und geschrien: „Du bist SO dünn!!!“, und ich war mir nicht sicher, ob das ein Kompliment sein sollte, oder eine Beleidigung.“
Das mit “abnehmen“ ist zumeist ein ziemliches low-class Kompliment, von deren Benutzung ich normalerweise tunlichst abraten würde. Gibt bei Männern auch ähnliche Argumente mit “Hast du trainiert?“ o.ä.
“Eine Freundin sagte mal zu mir, ich solle aber „bloß nicht noch mehr abnehmen“, da es sonst krank aussähe – und mal ehrlich, ich bin schlank, aber so schlank nun auch wieder nicht.“ Nun, das kommt mir nicht wirklich wie body shaming vor. Sie mag vielleicht eine andere Perzeption davon zu haben als du. Meinem besten Freund wurde von einem Arzt Untergewicht diagnostiziert, obwohl er pumperlgesund ist, normal isst und sportlich ist. Im wurden drei (!) Blutproben genommen (die erste wurde verschlampt und die zweite ging wohl irgendwie kaputt) und siehe da: Alles ok, obwohl deutlich unter üblichen BMI.
“Ich wurde meines Wissens noch nie mit einem Kommentar, ich sei „dick“ oder so konfrontiert, worüber ich froh bin, da ich mir das noch schwerer zu verarbeiten vorstelle, als als „zu dünn“ zu gelten.“ Das kommt drauf an. Beleidigungen treffen im Regelfall nur, wenn man das zulässt (von systematischen Mobbing etc. mal abgesehen)
“Wir leben in einer Gesellschaft, in der es akzeptierter ist, dünn zu sein als dick zu sein.“
Modernes Phänomen. Früher war es andersherum, ein Blick in die Uffizien reicht als Beweis.
“Wir finden uns okay. Wir akzeptieren uns.“ Warum so pessimistisch? Dir fehlt kein Arm oder Bein wie vielen Kambodschanern, deine Zähne verfaulen wohl nicht am laufenden Band und ich hoffe mal, dass du noch nicht mit einem Bandscheibenvorfall zu kämpfen hast. Abermillionen Menschen jegliches Geschlechts, Ethnie und Zeitalters wären so glücklich darüber. Muss man sich wirklich an solchen Kleinigkeiten aufhängen?
“dass es unglaublich aufwendig ist, den Körper langfristig deutlich zu verändern.“
Im Regelfall auch nicht notwendig.
“Viel Sport machen zu müssen und ständig an meine Ernährung zu denken, nervt mich – das ist es mir schlichtweg nicht wert.“ Stirbt man sowieso nur früher durch Stress und exzessiven Sport.
“Faulheit hat am Ende zur Zufriedenheit geführt.“
Das ist keine Faulheit, das ist Glück. Auch Fleiß verändert das Aussehen eines Körpers nicht wesentlich.
“Ich achte auf gesunde und ausgewogene Ernährung, versuche, nicht zu viel Süßes zu essen und regelmäßig Sport zu machen.“ Das hat eigentlich nicht wirklich was mit Schönheit, aber eher mit Funktionalität zu tun.
“Es ist immer irgendwie ein Wettbewerb unter Frauen, weil ihnen ihr Leben lang eingebläut wurde, dass ihr Aussehen ihr Statussymbol sei.“ Aber muss das so sein? Wenn alle sich kollektiv DSDS reinziehen, ist das die logische Konsequenz. Warum ist nicht Germaine de Staël ein Beispiel einer schönen Frau, sondern Heidi Klum?
“Und plötzlich wurde es wichtig, wer welche Konfektionsgröße trägt und wer eine Thigh Gap hat. Es war ehrlich schwer, sich als Teenager-Mädchen zu mögen und gleichzeitig anderen Teenager-Mädchen ihre Topfigur ohne Neid zu gönnen.“ Das ist traurig.
“Heute verurteile ich keinen mehr für seine Figur.“ Das ist schön.
Addendum:
“Women need more sleep then men because fighting the patriarchy is exhausting“
Das heißt wohl, dass Frauen tatsächlich unterlegen sind?
Aber ernsthaft, aus welchem Jahrhundert ist das denn heraus gefallen? Wenn Lewis Morgan noch immer hip ist, dann kann ich ja auch noch mal das marxistische Manifest ausgraben und den Klassenkampf ausrufen, mal sehen ob ich noch paar DKPler und MLPDler begeistern kann. Ich frage mich, was mit solchen offensichtlichen Kampfbegriffen erreicht werden soll, wo doch strukturelle Diskriminierung viel komplexer ist. Ich denke, dass Gudrun-Axeli Knapp mir diesbezüglich zustimmen will.
Liebe Amelie,
danke, dass das hier nochmal Thema ist. Ich sehe es wie Tina: Der Umgang mit dünnen und mit dickeren Körpern ist einfach grundsätzlich unterschiedlich – auch wenn ein blöder Spruch natürlich immer verletzt. Habe mich über den Text neulich bzgl. Dünnen-Shaming daher etwas geärgert. Ich fand und finde das unterkomplex, daher schön, dass du es nochmal aufgegriffen hast. LG und Danke für die vielen spannenden Texte! (<– kommentiere sonst nie)
Liebe Laura,
oh, das sollte keinesfalls bei meinem Body-Shaming-Artikel falsch rüberkommen oder gleichgesetzt werden (ich glaube in einem Nebensatz habe ich auch versucht, das aufzufangen). Denn ja, Dünnen-Shaming ist doof, aber mir ist bewusst, dass es nochmal viel viel härter ist, wenn dickere Körper bewertet werden. Es ist nur schade, dass es Dünnen gleich ganz oft abgesprochen wird, sich überhaupt darüber zu ärgern. Das empfinde ich dann als ungerecht.
Aber keine Frage: In der gesamten Betrachtung ist es sehr viel verletztender für jemanden, der nicht in das gesellschaftliche Schönheitsideal an Körpermaßen passt. Man wird dann permanent damit konfrontiert, wie es auch Tina schreibt. Die Ausgrenzung und Beurteilung ist eine ganz andere – und hier wünsche ich mir noch viel mehr in Richtung Body Positivity (auch von Seiten der Mode-Industrie). Ich wollte das nur ergänzen – und euch zustimmen, falls das bei meinem Artikel nicht ganz so rübergekommen ist. Liebe Grüße!