Bodyshaming: „Isst du auch genug?“
Photocredit: Blume: Tegan Westra
Die Bodypositivity-Bewegung ist in aller Munde – und ganz lange war mir gar nicht so bewusst, wie wichtig sie für viele ist. Denn um ehrlich zu sein, mein Körper war für mich nie so das Thema, wie für viele andere. Durch viele Gespräche mit Freundinnen und auch beim Lesen vieler Artikel habe ich bemerkt, wie viele Frauen doch täglich mit sich und ihrem Körper kämpfen, sich vergleichen und wie schwierig es für viele ist, Frieden mit sich und ihrem Körper zu schließen.
Umso schöner finde ich es, dass die neue Bewegung weg von Geißelung hin zu Körperliebe geht. Und doch wünschte ich mir, wir alle würden uns so viel weniger mit unserem Körper und der Optik beschäftigen, und lieber eine Runde Danke in den Himmel schreien, wenn der Körper gesund ist, uns jeden Tag aufwachen lässt, uns durch den Tag trägt und uns am Abend in Ruhe einschlafen lässt. Wie wichtig der Körper abseits seiner Optik ist, merkt man nämlich erst dann, wenn die Gesundheit sich vom Acker macht. Deswegen, ihr Lieben, seht den Körper in erster Linie als Geschenk.
„Jaja, die redet sich leicht“, heißt es dann oft – mit Blick auf meine schlanke Figur. Das ist das einzige, was mich in der ganzen positiven Strömung der Bodypositivity, hin und wieder wütend macht, denn ja, auch viele, die auf den ersten Blick keine Figurprobleme haben, kämpfen genauso. Jeder von uns hat seine Issues – und vor allem auch ein Recht darauf, das zu sagen. Zufriedenheit ist eben kein einfaches Unterfangen, sondern vor allem harte Arbeit an der eigenen inneren Einstellung.
Was viel mehr zu Zufriedenheit führt statt dem Fokus auf die eigene Figur und Vergleichen mit anderen? Gelassenheit. Lebensfreude. Toleranz. Akzeptanz für sich selbst. Sport als Ausgleich. Gesunde Ernährung. Tolle Erlebnisse mit den Liebsten. Unsere Ausstrahlung verleiht dem Körper die Schönheit – und wenn die Bodypositivity-Bewegung dazu beiträgt, sollten wir alle noch mehr darüber reden!
Denn: Bodyshaming findet jeden Tag statt. In Zeiten von Social Media bewerten und vergleichen wir uns ständig – und das obwohl wir es eigentlich besser wissen müssten. Umso wichtiger ist es, dem Ganzen ein Ende zu setzen. Und damit beginnt man – wie es eben immer so ist – am besten erstmal bei sich. Bodyshaming kennt nämlich (vermutlich) jeder von uns – mal im größeren Ausmaß, mal im kleineren. Umso wichtiger ist es, darüber zu reden und ein Bewusstsein zu schaffen, und das versuchen wir mit unseren drei Fragen.
Hast du schonmal Erfahrungen mit Bodyshaming gemacht, wie wurdest du selbst schon auf deinen Körper angesprochen?
Tatsächlich war ich immer schlank, zeitweise sogar sehr dünn. Das hat dazu geführt, dass erst meine Mutter, später ich selbst, immer mal wieder darauf angesprochen wurden, ob ich auch wirklich genug esse (dasselbe passierte übrigens auch meiner Schwester). Als Bodyshaming habe ich das damals nicht empfunden, aber als anstrengend.
Eine Situation ist mir hier sehr stark im Gedächtnis geblieben, weil sie mir sehr unangenehm war – und mir das erste Mal bewusst wurde, dass mein Körper für andere Thema ist. Ich bin sehr heikel beim Essen, das führt automatisch dazu, dass man dann als dünner Mensch gleichzeitig noch einen Aspekt einer vermeintlichen Essstörung erfüllt. Beispielsweise hasse ich Weißwürste – obwohl ich in Bayern geboren bin. Als ich mit Anfang 20 bei einem Weißwurstfrühstück meiner damaligen Redaktion nichts aß, bat mich mein Chef danach zur Seite und fragte, ob wirklich alles okay sei. Ich guckte ihn irritiert an und verstand gar nicht, was er wollte. Kurz darauf kam er nochmal zu mir und meinte, wenn ich Essprobleme hätte, könne ich mich wirklich jederzeit ihm und den Kollegen gegenüber öffnen. Einerseits sehr aufmerksam und tatsächlich löblich, andererseits für mich total unangenehm. Denn ab da galt ich als Mädchen mit Essstörung in der Redaktion – obwohl ich kein Essproblem habe.
Bis heute ist mein Körper gerne mal Thema bei anderen – heißt, mein Essverhalten wird kommentiert, beispielsweise mit einem ironischen Kommentar wie „Iss ja nicht zuviel, sonst wirst du dick“ (wenn ich beispielsweise nicht so viel esse, weil ich einfach keinen Hunger habe) oder ich bekomme Fragen a la „Wie kannst du Pizza essen und so schlank bleiben?“. Ich kann oft nicht so viel dazu sagen, außer gute Gene, Sport und gesunde Ernährung, was schnell zu Frustration bei anderen führt oder der fade Beigeschmacks des „Die lügt doch“ bleibt.
Sprich: Ich habe Bodyshaming öfter mal in die andere Richtung erfahren – was genauso unangenehm sein kann, wenn man vehement sich erklären muss, dass man wirklich genug isst, und es einer keinem glaubt.
Wie würdest du dein Verhältnis zu deinem eigenen Körper einschätzen?
Ich hatte nie Gewichtsprobleme, und dementsprechend würde ich mein Verhältnis zu meinem Körper als sehr gut einschätzen. Während viele im Teenie-Alter Probleme mit ihrem Körper haben, hatte ich das glücklicherweise nie. Ich fand mich eher zu dünn, als zu dick, habe immer Sport gemacht und mir nie zu viele Gedanken über meinen Körper gemacht. Dafür wurde mein Körper sowie mein Essverhalten oft von anderen thematisiert. Das wiederum hat mich genervt.
Bis heute mag ich meinen Körper. Sicher, man hat immer mal Phasen, wo man ihn nicht so dolle findet, aber dann versuche ich mit Sport und Ernährung für ein gutes Körpergefühl zu sorgen. Seitdem ich wieder regelmäßig Sport mache und merke, wie ich wieder fitter bin, bin ich vor allem begeistert, zu was der Körper fähig ist. Anlass war hier übrigens tatsächlich die erste geringe Zunahme in meinem Leben (mit Ende 20/Anfang 30 nimmt man eben doch mal schneller ein Kilo zu) – und das Gefühl, endlich wieder mehr für meine Gesundheit zu machen. Denn das ist mir am wichtigsten: dass mein Körper gesund und fit ist. Es nervt mich, wenn ich außer Atem bin, wenn ich nur zwei Etagen hochhüpfe, oder zu viel ungesunde Dinge esse.
Ganz gefeit ist man natürlich nie vor Zweifeln. Aber im Großen und Ganzen würde ich sagen: Ich bin mehr als gefestigt.
Hast du jemals eine andere Frau auf ihren Körper angesprochen?
Da würde man am liebsten sagen: Natürlich nicht. Aber sicher, auch ich habe schon Frauen auf ihren Körper angesprochen. Meist aus Sorge, da ich weiß, wie schnell und wie viele Frauen in eine Essstörung geraten. Ich hatte immer wieder Freundinnen um mich, die sich fast zu Tode gehungert haben, sodass ich mittlerweile relativ schnell Alarmsignale entdecke und dann zaghaft nachfrage. Nicht um den Körper zu bewerten, sondern um zu zeigen, dass man aufmerksam ist, ohne eine Bewertung abzugeben. Es ist ein schmaler Grat – aber ich finde auch die Pflicht als Freundin.
Es kommt sicherlich auch immer darauf an, wie nah man jemanden steht. Unbekannte oder nur flüchtig Bekannte habe ich tatsächlich noch nie auf ihr Gewicht oder ihren Körper angesprochen. Das steht mir nicht zu- und ist am Ende auch die Sache von jedem selbst. Es ist ein wahnsinnig schmaler Grat, wie beim Beispiel oben mit meinem damaligen Chef. Aber den engen Freunden leicht die Hand reichen, Dinge offen besprechen, finde ich immer wichtig – und sei es nur die Frage: „Gehts dir gut?“. Das würde ich bei all meinen Freunden machen – ob dick oder dünn, groß oder klein.
5 Antworten zu “Bodyshaming: „Isst du auch genug?“”
„I feel you“, liebe Antonia!
Ich erinnere mich auch noch sehr gut an ein Erlebnis, wo ich auf mein Essverhalten angesprochen wurde. Und zwar auf einer Weihnachtsfeier. Es war spät, wir saßen im Restaurant und haben Essen vom Buffet verzehrt. Irgendwann kam jemand auf die Idee noch ein paar Pizzen zu bestellen. Sozusagen als Nachtisch. Weil ich davon aber kein Stück gegessen habe, wurde ich schief angeguckt. Innerlich dachte ich nur: Hallo, es ist fast zehn Uhr abends. Da haben manche Leute halt keinen Hunger mehr.
Man sollte sich einfach nicht zu viele Gedanken über andere machen. Vor allem, wenn man die Personen nicht so gut kennt. Gerüchte entstehen so schnell.
Was auch sehr nervig ist..
Einige Leute sind anscheinend der Meinung dünne Menschen dürften keinen Sport machen, sie sind ja schließlich schon dünn. Wenn ich diesen Spruch höre, würde ich am liebsten schreien :D. Von Kondition, Muskelaufbau usw. haben die meisten anscheinend noch nichts gehört. Haha.
Liebst,
Patty
Liebe Patty,
ohja so Situationen kenne ich auch gut. Ich bin wahnsinnig heikel und esse beispielsweise bei Ausständen in der Arbeit nie was (mag keine Butter, da fällt beispielsweise jedes Schnittchen schon raus :)), und ich werde dann so oft angesprochen, warum ich denn nichts esse. Ich kann es auch zum Teil verstehen, gleichzeitig wird es eben anstrengend, sich erklären zu müssen und dann das Gefühl zu haben, es glaubt einem eh niemand.
Ohja, Sport – verrückt :) Ich werde auch in letzter Zeit gefragt, wo ich noch abnehmen will. Aber ich will nicht abnehmen, sondern fit sein, definiert sein und Spaß am Sport haben. Versteht kaum wer – weil für die meisten Sport Mittel zum Zweck ist. (ohne jetzt verallgemeinern zu wollen.)
Es ist tatsächlich sehr tricky, wie man mit Bodyshaming bzw. auch Kommentaren umgehen soll. Ich denke, ein Bewusstsein dafür zu machen, dass es auch in die andere Richtung einfach blöd oder unangenehm sein kann, sollte definitiv geschaffen werden. Und trotzdem denke ich, werden Menschen mit mehr Gewicht nochmal viel, viel mehr verurteilt, was mir wirklich im Herzen weh tut. Weil auch hier niemand weiß, was ist die Geschichte des Einzelnen. Toleranz und Verständnis sowie Unterstützung gegenseitig sollte wirklich viel mehr an der Tagesordnung sein!
Beste Grüße!
Ein sehr schöner Beitrag :) Bodyshaming ist nie okay, nicht in die eine oder andere Richtung. Ich gebe Dir recht, dass es gut ist, wenn Leute aufmerksam sind, denn manche Menschen rutschen wirklich in eine Essstörung ab und keiner sagt wirklich was. Allerdings ist es eben oft sarkastisch-zynisch gemeint und wirkt zumindest wie Neid, wenn einer sagt: Na, wo steckst du das denn alles hin/Isst du dann morgen gar nichts etc. – und ist total deplatziert, denn man muss nicht auf Genetik neidisch sein oder auf die Sportlichkeit anderer Frauen, man sollte einander doch echt unterstützen.
Ich hatte mit 16,17,18,19 immer noch keine sonderlich „weibliche“ Figur, wenig Oberweite, schmale Hüften – dafür hab ich Sport gemacht und alles gegessen, was ich wollte, ohne etwas zunehmen zu können/müssen. Fand ich auch extrem störend, wenn mich dann jemand pseudo-gelobt hat für meine schlanke Figur. Andererseits sucht man sich seinen Körper ja nicht aus, also muss man irgendwie anerkennen, was das Rohmaterial ist und damit arbeiten. Solange jeder gesund ist, ist es gar nicht so nötig, sich immer zu vergleichen, vor allem nicht, wenn es dann ins Negative und auf-die-Andere-zeigen abrutscht. Wobei das mit dem nicht-vergleichen auch immer leichter gesagt als getan ist zu Beginn ^^
Liebe Grüße von einem artverwandten „Spargel“ (schrecklicher Vergleich btw)
Liebe Michelle!
wie ich im Artikel schreibe, finde ich es wirklich wichtig, dass man bei Freunden nachfragt, wenn jemand schnell ab-oder auch zunimmt. Aber eben liebevoll und keinesfalls übergreifend. Wie du berichtest, wird mir auch eher in einem sarkastisch-zynischen Ton begegnet, und das ist dann oft unangenehm.
Ich finde es ganz wichtig, dass man sich mit seinem Körper als Rohmaterial, wie du es nennst, auseinandersetzt. Ich werde niemals die kurvige Eva Longoria sein – und das ist okay. Dafür hab ich lange Beine – so hat jeder seine tollen Seiten. Hauptsache, wir sind gesund, es geht uns gut und wir unterstützen uns alle gegenseitig.
Liebe Grüße vom anderen Spargel :)
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