Bist du Bi oder pan? Wie wichtig das Schubladendenken für meine eigene Persönlichkeit ist
Es soll ja Menschen geben, die sich nicht gerne in eine Schublade stecken lassen. Manchmal habe ich aber das Gefühl, das ist auch schon wieder ein Privileg. Also, nicht in eine Schublade gesteckt werden zu wollen. Denn wer sich nicht in eine Schublade stecken will, ist oft eigentlich klar in einer. Und ehrlich gesagt habe ich mich mein Leben lang nach einer Schublade gesehnt. Ich wollte klar etwas sein. Ich wollte hetero sein, lesbisch sein, irgendwas halt. Einfach, damit ich es weiß. So eine Schublade hat schließlich viel mit Identität zu tun. Sie prägt, und das nicht nur mit ihren möglichen Klischees, sondern mit allem halt. In der Schublade stecken ja auch immer mehrere Menschen, die ihre mit einher gehenden Probleme, Sorgen und Wünsche teilen.
Eine Schublade hat viel mit Identität zu tun
Deshalb dachte ich lange Zeit aufrichtig, ich wäre lesbisch. Vielleicht war es auch einfach nur der Funken Hoffnung in mir, der eine Antwort auf so viele Fragezeichen gewesen wäre. Es hätte meine gescheiterten Beziehungen zu Männern erklärt, meine Abneigung für gesellschaftlich genormte Männlichkeit im Allgemeinen. Schon mein Leben lang war diese Abneigung in mir ganz natürlich. Muskeln waren mir egal, große Männer haben mich nicht interessiert, und vor allem aber mochte ich es nicht, wenn Männer das Machtgefälle ausnutzten. Nur konnte ich es damals nicht so gut fassen und definieren. Ich war schlicht abgeturnt von diesen Klischee-Typen, die darauf beharrten, alles zu zahlen, die mich nicht ausreden ließen, mir die Welt erklärten und sich für den Geilsten hielten. Schon klar, dass das nicht gleich bedeutete, dass ich lesbisch war. Aber ich war als Kind und Teenager auch schon mehrfach in Frauen verknallt. Die Lösung hätte so einfach sein können.
Nachdem ich wieder Single war, beschloss ich vor fünf Jahren oder so, nur noch Frauen zu daten. Einerseits hatte ich keine Lust mehr, Männer zu daten. Andererseits wollte ich es wirklich wissen. Ich tinderte und lernte einige Frauen kennen. In eine verknallte ich mich. Daraus wurde trotzdem nichts langfristiges, denn sie zog nach Berlin. Wie das halt so ist als Lesbe in München, war die Szene halt eher mau. Es ist ein ganz natürlicher und normaler Schritt als Lesbe in München, München irgendwann zu verlassen, um endlich das Liebes- und Sexleben zu führen, das ihr – wie jedem anderen hetero Menschen auch – zusteht.
Bei vielen anderen Frauen, die ich datete, stellte sich früher oder später jedoch eine ähnliche Abneigung ein, wie bei vielen Männern, die ich datete. Es stellte sich heraus, dass viele Frauen ebenso die typisch toxischen Machtgefälle versuchten zu kreieren, die doch eigentlich in einer Lesben-Traumwelt nicht existieren sollten. Es gab da genauso die, die auf Teufel komm raus recht haben mussten, die mir die Welt erklären wollten, die von ihren beruflichen Erfolgen erzählten und Frauen als Triumphe sahen. Ich fühlte mich naiv und dumm, zu glauben, unter Frauen wäre es anders.
Zurück zur Schublade: Ich musste enttäuschend feststellen, dass die Lesben-Schublade doch nichts für mich war. Zwar spürte ich es schon immer in mir, doch mir fehlte immer der richtige Begriff für das, was ich eigentlich bin. Und das ist pan.
Pan ist griechisch und bedeutet übersetzt „alles“. Und das trifft es ziemlich gut, zumindest wenn man alles auf Gender und Nongender bezieht. Wenn ich mich zu einem Menschen hingezogen fühle, ist das unabhängig von seinem Geschlecht, Gender oder Nongender. Es mag abgedroschen klingen und wie ein Zitat aus einer romantischen Komödie, doch ich fühle mich zum Menschen selbst hingezogen. Ich finde keine Körpergröße, Körperbau oder Geschlechtsteile sexy, sondern andere Parameter. Sei es der Humor, die Gedanken, die Blicke, das Auftreten, der Geruch, die Einstellung, die Art, die Stimme. Ob cis Mann, cis Frau, nonbinär, Drag Queen, Drag King, trans Frau, trans Mann, genderfluid, intersex – I don’t care. Dadurch unterscheidet sich pan von bi, da bi – wie der Begriff schon erahnen lässt – binär auf die zwei Geschlechter Mann und Frau fokussiert ist. Trotzdem bezeichne ich mich noch häufig als bi, weil es unkomplizierter ist und keine große Erklärung bedarf, wenn ich mich gerade nach keiner Erklärung fühle. Manchmal will ich nicht die ganze Geschichte erzählen, oder das Gender-Lexikon sein. Sondern einfach nur kurz eine Frage beantworten.
Bi oder pan zu sein ist keine Unentschlossenheit
Bi/pan zu sein ist deshalb oft anstrengend, weil sie in der Gesellschaft noch keine klare Schublade haben. Oft wird bi oder pan sein als eine unentschiedene Vorliebe für alle Geschlechter verstanden. Bi’s sind häufig nicht in der Gay-Szene akzeptiert, und werden gerne von Heteros sexualisiert. Es wird besser, aber kommt auch heute noch vor: Die Vorstellung, bi’s oder pan’s würden, weil sie ja eh auf „alle“ stehen, direkt beim Dreier oder Vierer mitmachen. Dabei schließe ich zwar wenig aus, aber gleichzeitig einen ganz bestimmten Charakterzug schon: Machogehabe oder Menschen, die in einer Beziehung die Oberhand behalten wollen, die auf Machtgefälle stehen, die mir in erster Linie das Gefühl geben, eine Frau zu sein und in zweiter Linie erst, ein Mensch zu sein.
Seit ich das für mich begriffen habe, ist alles viel einfacher. Die Einordnung ist wichtig für meine Persönlichkeitsentwicklung und meine Identität. Die Erkenntnis, dass ich nicht zwischen zwei Schubladen hänge – also hetero und lesbisch – sondern eine eigene Schublade habe, gibt mir Selbstbewusstsein. Bi/pan zu sein ist eine eigene Schublade, eine Art zu leben und zu lieben. Seit ich weiß, dass mein Blick auf die Welt keine Unentschlossenheit ist, sondern eine klare Entschlossenheit, geht es mir besser. Und deshalb brauche ich diese Schublade, ganz dringend und unbedingt. Um mich einzuordnen in der Welt, und auf diesem Weg andere Menschen aus der LGBTQIA+ Community zu finden, denen es ebenso geht.
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2 Antworten zu “Bist du Bi oder pan? Wie wichtig das Schubladendenken für meine eigene Persönlichkeit ist”
Bi sein bedeutet für mich auf Menschen zu stehen die a.) die gleiche Genderidentität wie ich oder b.) eine andere Genderidentität als ich haben. Das ist für mich der Dualismus darin – es geht also keinesfalls nur um Männer & Frauen. Ich finde es aber auch nicht relevant sich an Begrifflichkeiten aufzuhängen. Ob bi oder pan; hauptsache man hat eine Sprach für das, was man fühlt! LG Ann
Liebe Ann, absolut, ich sehe es genauso. Ich bezeichne mich weiterhin häufig als bi und verstehe unter bi mittlerweile auch das, was du schilderst. Trotzdem will ich keinen Personen, die sich außerhalb des binären Systems bewegen, das Gefühl geben, sie auszuschließen. Und nur weil ich bi als allumfassend sehe heißt das noch lange nicht, dass das alle so sehen :). Aber du hast recht, mittlerweile geht eigentlich beides!