Beziehungs-Fragebogen: Jaqueline, 34 und Lukas, 34
Wie kann Gleichberechtigung in einer Beziehung aussehen? Wie können Alltagsaufgaben so aufgeteilt werden, dass sich alle damit wohlfühlen? Wie kann mit dem Mental Load des gemeinsamen Lebens umgegangen werden, egal ob man gemeinsame Kinder hat oder noch gar nicht zusammenwohnt?
Für diese Fragen gibt es keine Patentrezepte, vielmehr ist jede Beziehung und Familienkonstellation individuell. Umso spannender ist der Austausch darüber, wie verschiedene Paare das Thema Gleichberechtigung in ihrer Beziehung leben. Und auch wichtig – denn schon eine Beziehung mit einem gemeinsamen Haushalt sorgt dafür, dass sich zum Beispiel die Finanzen oft verändern und vermischen. Bekommt man gemeinsam ein Kind, hat das oft völlig unerwartete Folgen für die Finanzen beider. Und wenn man heiratet, geht man einen regelrechten Wirtschaftsvertrag ein, was mir mal wieder bewusst wurde, als ich mich vor kurzem mit der Klarna Produktmanagerin und Finanzexpertin Karoline Bliemegger ausgetauscht habe. Sie empfiehlt zum Beispiel ein Drei-Konten-Modell oder auch ein festes Paar-Budget für gemeinsame Ausgaben, aber auch für individuelle Sparziele.
Weil die Themen Finanzen, Gleichberechtigung und Mental Loads in Beziehungen so wichtig sind, haben wir dazu eine Serie gestartet: Den Beziehungs-Fragebogen. Es sind Themen, bei denen es kein Richtig oder Falsch gibt, sondern nur ganz viel Austarieren, in sich hineinfühlen und Ausprobieren. Und darüber sprechen, um zu sehen, was sich bei anderen bewährt hat – Vorhang auf für eine neue Folge des Beziehungs-Fragebogens!
Wie heißt ihr, wie alt seid ihr, wie lebt ihr?
Wir sind Jacqueline und Lukas, beide 34 Jahre alt und leben zusammen in einer Mietwohnung mit drei hellen und großen Zimmern. Wir sind seit 2019 in einer Beziehung, 2022 haben wir standesamtlich geheiratet. 2023 hatten wir unsere wunderschöne Freie Trauung. Kinder haben wir keine, allerdings haben wir unseren 8-jährigen Kater Milo, den Jacqueline in die Beziehung mitgebracht hat. Lukas hatte zuvor nie Haustiere und so musste er sich ziemlich schnell in dem Bereich umstrukturieren.
Eine erste Einschätzung: Fühlt ihr euch beide gleichberechtigt in der Beziehung?
Wir leben in einer in unseren Augen gleichberechtigten Beziehung. Die Aufgabenfelder sind gut und fair verteilt. Lukas ist viel für die Planung verschiedener Tätigkeiten und Finanzen verantwortlich. Die Haushaltsaufgaben sind auch einigermaßen gleich verteilt, jeder macht, was er gerade kann. Wenn Lukas im Homeoffice ist, erledigt er in freien Arbeitsphasen das Putzen der Wohnung und macht das auch sehr gerne. Lukas übernimmt gerne die Reinigung des Badezimmers. Für seinen Akkuschrauber hat er sogar verschiedene Putzaufsätze besorgt. Jacqueline hat vor allem morgens ihre Aufräumroutine im Haushalt und erledigt so die alltäglich anfallenden Arbeiten und kümmert sich öfter um das Katzenklo!
Was bedeutet für euch Gleichberechtigung?
In unseren Augen würde eine 50:50 Verteilung der verschiedenen Aufgaben weniger funktionieren, da jeder von uns seine Stärken besser einbringt und die Schwächen des anderen kompensiert. Gleichberechtigung in der Beziehung oderEhe bedeutet für uns Demokratie und alle Entscheidungen gemeinsam zu treffen.
Durch welche Situation wurde euch das Thema Mental Load und eine eventuell ungleiche Verteilung von Aufgaben zum ersten Mal bewusst?
Vor allem, während Jacqueline auf dem zweiten Bildungsweg ihr Studium 2021 wieder aufgenommen und weniger gearbeitet hat. Zu der Zeit hat sie so gut wie alle Haushaltsaufgaben übernommen. Allerdings konnte sie das nicht lange so machen, da das Studium auch eine große mentale Herausforderung für sie war. Jacqueline hat oft den Drang, alles selbst machen zu müssen und Aufgaben abzugeben. Das hat sich zum Glück gebessert. Lukas fällt es aber auch schwerer Aufgaben und Bereiche an Jacqueline abzugeben. Oft hat sie ein schlechtes Gewissen, da sie denkt, Lukas würde mehr Aufgaben als sie im Haushalt oder in anderen Planungen übernehmen. Das könnte daran liegen, dass wir beide vor unserer Beziehung drei bis vier Jahre in Single-Haushalten gelebt haben. Wir sind auch ziemlich schnell, nach etwa zwei Monaten Beziehung, zusammen in Lukas Wohnung gezogen und mussten lernen Rücksicht zu nehmen und die Bedürfnisse des anderen wahrzunehmen und auch mal zurückzustecken.
Was sind grundsätzlich jeweils eure Stärken und Schwächen?
Die Stärken von Jacqueline liegen klar im Mental Health Bereich. Wir haben dank ihr einen Yoga- und Meditationsraum eingerichtet, welchen wir für Entspannung und Zeit für uns selbst nutzen. Die dort herrschende Ruhe und schöne Atmosphäre hilft uns beiden sehr, an hektischeren Tagen runterzukommen. Jacqueline ist auch mal ungeduldig und möchte alles umgehend erledigt haben. Veränderungen sollen bestenfalls sofort erledigt werden, anstatt eine Nacht darüber zu reflektieren.
Die Stärken von Lukas liegen in der Planung und Organisation. Wir haben eine gemeinsame Kalender-App, die uns beiden sehr gut hilft gemeinsam zu planen. Dort haben wir feste Tage in der Woche eingetragen, an denen wir einkaufen gehen, einen Essensplan für die Woche und wer wann welche Termine hat. Lukas spricht Probleme häufig nicht an und macht vieles mit sich selbst aus. Allerdings spüre ich schnell, wenn Lukas etwas bedrückt und spreche ihn darauf an. Kommunikation miteinander ist uns beiden sehr wichtig und wir sprechen auch über unangenehmere Themen.
Wer von euch fühlt sich tendenziell für welche Bereiche mehr verantwortlich?
Das Organisieren von Finanzen und Versicherungen übernimmt Lukas. Ich habe ihm das lange alles einfach überlassen, aber in letzter Zeit verspüre ich da immer mehr den Drang ,mehr Verantwortung im finanziellen Bereich unserer Beziehung zu übernehmen und den Überblick über Einnahmen und Ausgaben zu haben. Da ich über die Corona-Pandemie mein Studium wieder aufgenommen habe, waren wir in dieser Zeit finanziell sehr ungleich aufgestellt. Wir haben noch immer einen größeren Unterschied in dem, was wir verdienen, aber wir können gut damit umgehen.
Wie handhabt ihr eure Finanzen?
Unsere Finanzen sind wir folgt aufgeteilt: Wir haben ein gemeinsames Konto, wovon Miete und Einkäufe bezahlt werden. Hier zahlt Jacqueline die Einkäufe als Fixbetrag jeden Monat ein und Lukas übernimmt die Warmmiete.
Wir haben aber auch unsere eigenen Konten, über die man frei verfügen kann.
Wir nutzen eine Excel-Tabelle für die Fixkosten wie Versicherung, Streaming oder Tanzkurs und variablen Kosten wie den Supermarkt-Einkauf oder Tierprodukte.
Wie laufen soziale Planungen bei euch ab, übernimmt hier einer mehr?
Zum Thema soziale Planungen nutzen wir auch den gemeinsamen Kalender, wir verabreden uns spontan mit der Familie und mit Freunden und Freundinnen. Mit unseren Freundinnen und Freunden versuchen wir uns regelmäßig zu treffen und bei jedem Treffen ein neues auszumachen. Geschenke kauft jeder für seinen Teil der Familie, jedoch sind wir hier immer in Abstimmung, ob das Geschenk passend ist. Für gemeinsame Freunde besorgt meistens Jacqueline die Geschenke. Sie hat hier eine viel bessere Wahrnehmung, was den Personen gefallen würde. Jacqueline muss mich häufiger an Geburtstage erinnern, um noch zu gratulieren.
Eine unserer großen Leidenschaften ist das Kochen. Egal ob gemeinsam oder mal allein, machen wir das beide sehr gerne. Jacqueline backt zudem gerne, da kann sie sich ablenken und drin verlieren. Das Ergebnis ist jedes Mal lecker und zu jeder Feier muss sie einen Kuchen oder Kleingebäck mitbringen!
Lukas ist in unserer Beziehung der größere Socializer und hat weniger Probleme damit, fremde Menschen, wie z.B. in unserem Tanzkurs, anzusprechen. Jacqueline blüht eher auf, wenn sie sich mit ihren Freundinnen getroffen hat und direkt den nächsten Termin für ein Treffen vereinbart hat.
Die Einrichtung unserer Wohnung liegt komplett in Jacquelines Hand, da sie hier den besseren Blick für hat. Seit Sommer 2023 haben wir eine größere Wohnung und sind aus Lukas alter Wohnung ausgezogen.
Wie läuft bei euch die Planung von Unternehmungen und Reisen ab?
In Bezug auf Reisen und Unternehmungen ist es so, dass Lukas arbeitsbedingt mehr Zeit online verbringt zur Recherche von möglichen Zielen, Flügen oder Hotels. Da wir noch keine großen Reisen alleine unternommen hatten, hatte Lukas bei unserer ersten großen anstehenden Reise hier das Zepter in die Hand genommen und mir eine „Präsentation“ gehalten mit möglichen Flugdaten, Hotels und Reisezeiträumen. In der Vergangenheit hatten wir bei unseren Urlauben aber auch mal zusammen nach Airbnb-Unterkünften geschaut und einen Reisezeitraum festgelegt. Die möglichen Reiseziele entscheiden wir zusammen. Jacqueline hat hier mehr Vorstel-ungen, wohin wir reisen könnten und was unsere Traumreiseziele sein könnten. Sie kann mich sehr gut überzeugen, wenn sie davon schwärmt, wie großartig es dort sein könnte.
In welchen Bereichen gibt es Reibungspunkte?
Einen wirklichen Streit hatten wir bisher noch nicht in unserer Beziehung oder Ehe. Wir merken beide, wenn die andere Person Zeit für sich benötigt. Jacqueline ist ab und an unzufrieden mit sich selbst, wenn ihr Tag nicht so läuft, wie sie es gerne hätte oder etwas außer Plan gerät. Lukas ist nie streitsuchend und gibt eventuell schneller nach, um den Konflikt nicht hochkochen zu lassen. Wenn wir Diskussionspunkte haben und unterschiedlicher Meinung sind, haben wir uns nach spätestens einer Stunde wieder in den Arm genommen und über die Situation „gelacht“.
Welche negativen und positiven Momente hattet ihr im eigenen Mental-Load-Prozess?
Ein unglaublich positiver Moment war unsere Hochzeit. Natürlich wegen des Ereignisses, aber auch weil wir dieses ganze Event von vorne bis hinten geplant und durchgeführt haben. Natürlich hatten wir auch Unterstützung von unseren Freundinnen, Freunden und der Familie, aber es war unser Event. Von dem Antrag, über das Standesamt, bis nach der Freien Trauung. Das war unser Event, unsere Momente und Erinnerungen und hat uns beiden mental sehr gut getan. Ein kleiner Knick in unserer Geschichte war, als Jacqueline ihren Werkstudierendenjob gesundheitsbedingt aufgeben musste, weil es sowohl körperlich als auch mental nicht mehr funktionieren wollte. Auch die Zeit, in der Jacqueline ihre Bachelorarbeit geschrieben hat, hat unsere Ehe auf die Probe gestellt. Kurz vor der Abgabe hätte Jacqueline am liebsten das Handtuch geworfen, war sehr verzweifelt und wusste nicht mehr wohin mit sich. Ich war etwas überfordert, da wir beide so viel Energie in diesen Abschluss gesteckt hatten und kurz vor dem Ziel wollte sie alles aufgeben. Aber ich konnte sie überzeugen. Es hat sich so gut angefühlt, als sie nach ihrer Verteidigung mit Daumen nach oben aus dem Raum kam und sich die ganze Mühen gelohnt haben. Ich denke, ich konnte Jacqueline zeigen, dass es sich lohnen kann, seine Träume zu verwirklichen und am Ball zu bleiben. Sie ist eine so starke Frau mit einer einzigartigen Persönlichkeit.
Lukas hatte negativere Momente, als er merkte, dass seine Arbeitsstelle ihn nicht mehr erfüllte und er auf der Stelle tritt. Ich habe ihm beigestanden, gut zugeredet, war für ihn da und habe ihn immer unterstützt. Auch wenn ich hier auch mal die ein oder andere Laune aushalten musste.
Bestimmte Erlebnisse und Entscheidungen haben uns als Paar in den letzten Jahren gestärkt. Die Corona-Pandemie hat uns zusammengeschweißt und wir mussten relativ schnell lernen, zusammen auf engem Raum zu leben und uns auszuhalten. Ebenso hat es unserer Beziehung gutgetan, als wir für uns beschlossen haben, dass wir keine eigenen Kinder möchten. Wir sind beide gerne Tante und Onkel und haben uns eine Deadline gesetzt. Wenn wir bis dahin noch immer nicht den Drang nach eigenen Kindern spüren sollten, würden wir dieses Thema gerne auch medizinisch abschließen.
Und was würdet ihr gerne noch verändern, habt ihr Wünsche aneinander oder an euch selbst?
Zukünftig würden wir gerne noch sehr viel reisen und von der Welt sehen. Wir würden gerne viele Kulturen und Menschen kennenlernen. Die Welt hat so viel zu bieten und ist so vielseitig. Eventuell wollen wir irgendwann gerne, erstmal für einen bestimmten Zeitraum, auswandern, das würde jedoch auf den Arbeitsmarkt im Zielland ankommen, ob wir hier beide einen Job finden würden. In den Niederlanden am Meer könnten wir uns ganz gut vorstellen. Hier hatten wir einen der schönsten Urlaube für uns erleben dürfen.
Wünsche aneinander haben wir eigentlich nur, dass wir beide gesund bleiben möchten, aufeinander aufpassen und weiterhin respektvoll miteinander umgehen. Unsere Ehe ist gut wie sie ist, wir sind sehr reflektiert und sprechen auf Augenhöhe über das, was uns belastet. Wir denken, das ist der Schlüssel für eine gleichberechtigte Beziehung.