3 Bücher-Tipps, die meinen Kopf einmal kräftig durchgelüftet haben

7. April 2022 von in

Vor zwei Wochen stieg ich in den Flieger, auch wenn mir dabei coronabedingt ganz schön unwohl war. Doch die Sehnsucht nach einer Pause war riesig geworden, und die Realität bestätigte sich mal wieder: Dieses wirkliche Abschalten, das Pausemachen, das den Kopf einmal kräftig durchlüftet, um danach ganz neue Pflänzchen darin sprießen zu lassen, das klappt im Alltag einfach nicht so gut. Da kann ich mir noch so oft vornehmen, mir freizunehmen, zu Hause besteht auch der Tag ohne Laptop aus einem To Do nach dem anderen, vom Wäschewaschen bis zum Schrankausmisten.

In diesem Urlaub allerdings, da machte ich zumindest in der ersten Woche einfach mal tagelang am Stück wirklich: nichts. Was für mich bedeutet, mich schon morgens auf eine Liege in der Sonne zu knallen und tief in einem Buch zu versinken. Ohne rausgerissen zu werden, ohne irgendwas tun oder entscheiden zu müssen, ohne schlechtes Gewissen. Und so las ich innerhalb weniger Tage drei ganze Bücher hintereinander, die meinen Horizont allesamt erweiterten und mich sehr inspiriert zurückließen – jedes auf seine eigene Weise. Tatsächlich füllte sich mein Kopf nach diesen Büchern und diesen Tagen mit ganz neuen Gedanken, Ideen und Plänen, für die davor gar kein Raum war. Und so kann ich, Urlaub hin oder her, die Lektüre dieser Bücher nur allerwärmstens weiterempfehlen!

Barbara Vorsamer: Mein schmerzhaft schönes Trotzdem

Depressionen sind ein Begriff, den alle kennen, der für alle möglichen Zustände und Empfindungen benutzt wird und der seit dem Beginn der Corona-Zeit ganz besonders im Gespräch ist. Doch wie sich Depressionen wirklich anfühlen, was überhaupt die Definition der Diagnose „Depression“ ist, das wissen die wenigsten – nicht mal die, die tatsächlich von der Krankheit betroffen sind.

Barbara Vorsamer ist SZ-Redakteurin, kennengelernt habe ich sie als Dozentin eines Seminares, das ich an einer Presseakademie organisiert habe. Gerade bei Personen, denen ich im Berufsleben begegnet bin und deren Arbeit ich schätze, finde ich es wahnsinnig beeindruckend, wenn sie Themen wie psychische Erkrankungen ansprechen. Vermeintliche Schwächen, von denen man im Berufsleben nie etwas merken würde. Die aber so viele von uns in sich tragen, während sie nach außen professionell funktionieren. Mit jeder Person, die darüber offen spricht, wird das Stigma kleiner.

Für Barbara Vorsamer fühlt sich die Depression an wie ein Elefant, der schon morgens auf der Brust sitzt. Wie eine innere Stimme, die dauernd sagt, die eigene Familie wäre eigentlich viel besser ohne einen dran. Wie Selbsthass, der oft auch noch mit tagelanger starker Migräne einhergeht. Und viele andere Gefühle, die sie in ihrem Buch genau schildert. Seit vielen Jahren lebt sie damit, und selbst sie war sich lange nicht sicher: Ist das schon eine Depression, oder nur eine Laune? Bin ich erst dann depressiv, wenn diese Gefühle grundlos kommen? Und welche Rolle spielt dabei ein bewusster und achtsamer Umgang mit mir selbst? Was kann Therapie leisten, wo liegt die Schwelle zu Medikamenten, und was bringt es überhaupt, liebevoll mit sich selbst zu sein?

Die Auseinandersetzung mit diesen Fragen und der Depression kann eine ganze Lebensaufgabe sein. Wie es ist mit Depressionen zu leben, eine Familie zu haben, eine Karriere, und auch glücklich zu sein – trotzdem -, schreibt die SZ-Redakteurin Barbara Vorsamer klar und eindrucksvoll in diesem Buch. Was es hinterlässt: Psychische Krankheiten zu diagnostizieren ist um einiges schwieriger als einen Corona-Test zu machen. Ob man selbst betroffen ist oder nicht, sich selbst besser kennenlernen, furchtloser an das Thema herangehen und achtsam mit sich umgehen, kann für uns alle hilfreich sein. Manchmal gibt es Phasen, manchmal gibt es Gründe und Schicksalsschläge, manchmal gibt es aber auch einfach keine rationale Erklärung.

„Mein schmerzhaft schönes Trotzdem“ ist ein wertvoller Leitfaden für alle von Depressionen oder anderen psychischen Krankheiten Betroffene, für alle Angehörigen und für alle, die die eigene Psyche ohne Tabus und eigene Grenzen ehrlich kennenlernen wollen.

Daniela Krien: Die Liebe im Ernstfall

Wem will, wem muss man gefallen, und wie gefällt man sich eigentlich selbst? Was machen Kinder, macht ein Mann mit dem Frausein, und was macht ein Leben ohne Partner, ohne Familie mit dieser Identität? Was machen Wendungen, Schicksalsschläge, Seitensprünge mit der Liebe?

„Die Liebe im Ernstfall“ ist ein Buch über fünf Geschichten unterschiedlicher Frauen in ihren 30ern. Alle Lebensgeschichten sind am Rande ineinander verwoben, die Nähe der unterschiedlichen Lebensgeschichten ist aber nicht das einzige, das sie verbindet. Jede Geschichte dreht sich um die großen Fragen der Identität einer Frau in den 30ern: Wie will ich leben? Will ich Mutter werden oder nicht, sehe ich mich mit einem Partner, einer Partnerin, oder nicht? Und wie viel kann ich in der Realität überhaupt selbst bestimmen?

Die Geschichten handeln vom Verliebtsein, vom Verlassen und Verlassenwerden. Vom Schwangerwerden wollen, von Schwangerschaftsabbrüchen. Von Zufallsbegegnungen, die kein anderes Handeln zulassen wie vom gefühlsleeren Onlinedating. Von Ex-Partnern und gemeinsamen Kindern und von Lebensentwürfen, die umgrekrempelt werden. Ich habe es fast am Stück gelesen und mir mit „Der Brand“ gleich noch ein nächstes Buch von Daniela Krien besorgt.

Anke Stelling: Schäfchen im Trockenen

Sie lebt in einer Altbauwohnung im Prenzlauer Berg, ist freiberufliche Schriftstellerin mit einem Partner, der ebenfalls frei und in der Kreativbranche arbeitet. Die beiden haben vier Kinder und die Illusion eines Lebens, in dem vier Kinder und eine Wohnung im idyllischen Wunschviertel, die groß genug für alle ist, möglich ist. Denn in Wirklichkeit ist die große Wohnung im Prenzlauer Berg eben nur möglich, weil es der alte Mietvertrag eines befreundeten Paares ist. Von Freunden, die die Protagonistin schon ewig kennt ist, zusammen studierte, zusammen nach Berlin kam.

Im Studium waren sie alle gleich, sahen sich als Intellektuelle, studierten Geisteswissenschaften. Doch jetzt, wo alle um die Vierzig sind, lichtet sich auch diese Illusion. Denn sie waren eigentlich noch nie alle gleich. Auch wenn sie dasselbe studierten und lange alle in damals noch bezahlbaren Altbau-Mietwohnungen in Berlin wohnten.

Bis auf die Protagonistin kommen alle aus dem Freundeskreis aus reichen Familien. Und können sich mit Mitte 30 in einem gemeinsamen Bauprojekt Eigentumswohnungen leisten. Alle, bis auf die Protagonistin, die kein Erbe zu erwarten hat. Sie übernimmt den günstigen Mietvertrag und beobachtet, wie sich die Lebensrealitäten des Freundeskreises auseinanderentwickeln. Und wie diese Entwicklung auch in ganz kleinen Details immer spürbarer wird. Schließlich schreibt sie darüber, die Freunde kündigen ihr den Untermietvertrag – und der Spalt zwischen den Lebensrealitäten wird immer größer.

Schäfchen im Trockenen erzählt von Lebensrealitäten zwischen bürgerlich und alternativ und von der Wut darüber, dass die Voraussetzungen eben niemals gleich sind – oder gar gerecht. Es stellt Fragen nach Herkunft und eigener Lebensgestaltung und danach, was Freiheit eigentlich ist – sich einzuordnen und jeden möglichen Vorteil mitzunehmen, oder eben nein zu sagen. 2019 gewann Anke Stelling mit diesem Buch den Preis der Leipziger Buchmesse.

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