August Sander und Florence Henri in der Pinakothek der Moderne
Die Zwanziger Jahre sind eine der faszinierendsten Zeiten des letzten Jahrhunderts. Die Menschen leben sich nach Weltkrieg und Inflation intensiver aus als je zuvor, gleichzeitig kommen moderne künstlerische Strömungen auf, die Sachlichkeit und Klarheit für sich entdecken. Vor allem die Fotografie aus dieser Zeit interessiert mich, sie war in den 20ern erstmals so weit, dass nicht nur wenige Privilegierte damit herumexperimentieren konnten. In der Pinakothek der Moderne sind momentan zwei Fotokünstler aus den 20ern zu sehen, die die Zeit auf ganz unterschiedliche Weise widerspiegeln.
August Sander
Er ist der wohl sachlichste Portraitfotograf aller Zeiten. August Sander hatte ein Großprojekt vor Augen: die „Menschen des 20. Jahrhunderts“ zu portraitieren. Dafür machte er 600 Portraits der unterschiedlichsten Menschen seiner Zeit, immer beschriftet mit dem Beruf der Person. In seinen Bildern findet man Bauern, Schauspieler, Musiker, Soldaten, Schausteller, Sekretärinnen oder Obdachlose. Das Antlitz seiner Zeit umfassend zu portraitieren, war eine unmögliche Aufgabe, und auch die sachlich-dokumentarische Herangehensweise an die Portraitierten zeigt nicht die Realität, sondern inszenierte und stilisierte Bilder. Trotzdem ist August Sanders Werk eines der wichtigsten Portraits seiner Zeit. Die Pinakothek setzt seine Bilder in Querverbindung mit großformatigen Fotografien späterer Künstler, wie ein überspitzt-stilisiertes Frauenportrait der 80er-Jahre-Künstlerin Cindy Sherman. Aber nicht nur Portraits, auch andere Arbeiten Sanders werden in der Ausstellung gezeigt und moderner Fotokunst gegenübergestellt: Da treffen von Sanders Rheinbildern auf den Rhein von Andreas Gursky, der Landschaftsaufnahmen digital so nachbearbeitet, dass aus vielen Einzelaufnahmen eine große Gesamtversion entsteht, die nicht mehr der Wirklichkeit entspricht. Auch Arbeiten von Thomas Ruff, Jeff Wall, Thomas Struth, aber auch der früheren Künstler Bernd und Hilla Becher werden in der Ausstellung August Sander gegenübergestellt.
Florence Henri
Beschäftigt man sich mit der Neuen Frau der Zwanziger Jahre, kommt man an Florence Henri nicht vorbei. Nachdem sie am Bauhaus und bei dem Fotografiegenie Laszlo Moholy-Nagy studiert hatte, eröffnete sie in Paris ihr eigenes Fotostudio. In der Pariser Kunstszene hatte sie Kontakt mit Künstlern wie Man Ray und entwickelte ihren eigenen, experimentellen und doch klaren Fotografiestil. Meine liebsten Arbeiten sind ihre Portraits und Selbstportraits mit Spiegeln, in denen mit Realität und Abbild, Linien und Brüchen und dem modernen weiblichen Selbstbild gespielt wird. Die Pinakothek der Moderne zeigt neben den Spiegelportraits hauptsächlich Bildkompositionen Henris, von Fotocollagen bis zu Momentaufnahmen aus den ungewohntesten Perspektiven.
Beide Künstler sind Schlüsselfiguren in der Fotografie der Zwanziger Jahre. Wer ein bisschen abtauchen will in diese Zeit, dem ist ein Besuch der Pinakothek der Moderne zu empfehlen. Die August Sander Ausstellung läuft noch bis zum 24. August, die Florence Henri Ausstellung noch bis 14. September.
Pinakothek der Moderne, Barer Straße 40, täglich außer Montags 10-18 Uhr, Donnerstags 10-20 Uhr. Mittwochs freier Eintritt, Sonntags Eintritt 1 Euro.
2 Antworten zu “August Sander und Florence Henri in der Pinakothek der Moderne”
Hui, danke für den Tipp. Bei den Eintrittspreisen (bzw. eben Nicht-Preisen ;) ) werd ich mir das auf jeden Fall merken! 20er Jahre finde ich derzeit nämlich schon sehr spannend.
Oh, wie interessant, danke für den Tipp!