Ask amazed: Wie motivierst du dich in dunklen Zeiten dazu, weiter zu machen?

17. April 2020 von in

Wie klappt das Leben als Freiberuflerin? Würdet ihr jemandem verzeihen, der euch betrogen hat? Wie geht ihr mit Ängsten um? Uns erreichen immer wieder spannende, persönliche Fragen. Wir bloggen seit fast zwölf Jahren. Ihr kennt uns auf eine besondere Art und Weise, und gemeinsam sind wir irgendwie alle erwachsen geworden. In unserer Rubrik ask amazed wollen wir uns diesen Fragen widmen, mit euch unsere ganz persönlichen Meinungen und Erfahrungen teilen und euch an unseren Gedanken und Erkenntnissen teilhaben lassen. Ihr habt eine Frage, die euch im Kopf schwirrt, zu der euch unsere Gedanken interessieren? Dann her damit!

Die Frage heute ist: Wie motivierst du dich in dunklen Zeiten dazu, weiter zu machen?

Ich sitze gerade ungelogen seit fast einer Stunde vor diesem digitalen Blatt Papier und versuche, diesen Text irgendwie zu beginnen. Schließlich braucht man einen guten Einstieg in Artikel. Der Einstieg und das Ende, das sind meistens die allerschwersten Parts beim Schreiben. Gerade in dunklen Zeiten klappt das überhaupt nicht.

Ich meine damit die Phasen, in denen sich alles schwieriger anfühlt als es ist. Der Weg zum Supermarkt ist eine Herausforderung, die Interaktion mit anderen Menschen fühlt sich an wie ein Marathonlauf, und selbst das Ansehen einer Serie ist mit Gewissensbissen verbunden. Manchmal habe ich dunkle Zeiten, in denen ich nicht weiß, ob die Isolation alles nur noch schlimmer macht, oder ob sie mir hilft, die verlorene Energie wieder aufzutanken. Gerade dann fühlt es sich fast unmöglich an, einen Artikel zu schreiben, geschweige denn ein gutes Intro zu Papier zu bringen.

Kreativität kann Energie spenden. Sie kann aber auch auslaugen. Gerade, wenn man damit beschäftigt ist, aus einem kleinen Loch herauszuklettern, in das man eben hineingefallen ist. Da ist kein Platz für Kreativität. Da ist kein Platz für Spaß an der Freude. Da ist nur Platz für Selbstzweifel und Unsicherheit. Die verträgt sich bekanntlich ja so gar nicht mit Kreativität und Selbstausdruck.

Wer nicht immer glücklich sein muss, der ist glücklicher

Das Tolle an der Quarantäne-Zeit ist ja, dass es der Welt gar nicht mehr auffällt, wenn ich in diesem dunklen Loch sitze. Weil ich mich der Welt nicht mehr ununterbrochen zeigen muss. Es ist etwas völlig irres passiert, nämlich darf ich neuerdings keine Energie mehr haben. Nicht nur ist es in Ordnung, wenn ich ein paar Tage oder – noch krasser – eine gesamte Woche nicht das Haus verlasse. Es ist auch noch vorbildlich.

Wie stark ist das denn? Wer in so ein mentales Stolperloch fällt, der darf darin auch mal kurz verschnaufen. Der soll sogar kurz darin verschnaufen. Eine schmerzliche, aber wichtige Erkenntnis: Ich kann mich nicht zu innerer Freude motivieren, wenn ich es krampfhaft versuche. Der Spaß am Leben lässt sich nicht erzwingen. Die Freude, gute Laune, Kreativität, der Spaß, die Lebenslust, diese vielen positiven Begriffe, sind schließlich nur ein Teil des Lebens. Der andere Teil ist Trauer, Lustlosigkeit, Wut, Hass, Selbstzweifel. You name it. Das alles gehört zum Leben dazu, also nimm es an.

 

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Den Muffelpuff in dir beobachten

Manchmal fühle ich mich wie Jeanne in a Bottle. Also nicht Christina Aguilera, sondern wie ein Geist, der neben dem lebendigen Muffelpuff namens Amelie steht, und sie beobachtet: „Aha“, denkt sich Jeanne dann: „So ist Amelie also, wenn sie schlecht drauf ist. Sie fühlt sich einsam, unwichtig, unkreativ, belanglos. Also sie kämpft mit Selbstzweifeln. Interessant. So sieht der Muffelpuff aus, wenn es ihm nicht gut geht.“. Die Profis haben meinem Sinnbild schon vor Ewigkeiten ein Wort gegeben, das da heißt „Achtsamkeit“. Mein erster Schritt ist also, die Gefühle in mir zuzulassen und mich meiner Stimmung hinzugeben. Dagegen anzukämpfen verzögert und verschlimmert den Ausbruch nur, ähnlich als würde man eine Erkältung ignorieren. Ich verschleppe meine schlechte Laune. 

Wo kommt der Quatsch her und warum ist er da?

Die oftmals viel schwierigere Frage, die ich mir dann stelle, ist, wieso ich das fühle, was ich fühle. Ich bin überzeugt davon, dass jede*r von uns ein Lieblingsproblem hat, das immer wieder zurück kommt. Bei mir sind es die Selbstzweifel, was ein Klassiker ist. Diese Zweifel begrüßen mich nicht nur einfach so, sondern sie haben immer einen Grund für ihren Besuch. Wieso fühle ich mich momentan so klein? Die Frage kann ich nicht immer beantworten, aber mittlerweile immer öfter. Das kann man trainieren, in dem man sich regelmäßig reflektiert und sich täglich die Frage stellt: Wie geht es mir heute – und warum? Sobald ich weiß, woher meine Gefühle kommen, kann ich besser mit ihnen umgehen.

Der Prozess ist wichtiger als das Ziel

Wie abgedroschen kann ein Spruch überhaupt sein? Genau, die Rede ist von: „Der Weg ist das Ziel“. Womit ich früher gescherzt habe, wird heute zu meiner Lebensphilosophie. Die Erkenntnis war bitter, aber sie hat mir geholfen, noch gelassener mit mir umzugehen. Denn:

1. Das Ziel ist nicht erreichbar

Grundsätzlich nicht. Denn „Das Ziel“ ist ein flüchtiger Punkt im Leben. Was vor ein paar Jahren ein Ziel war, ist heute vielleicht schon erreicht – und dadurch unwichtig geworden. Sobald man seine vermeintlichen Ziele erreicht, verpuffen sie und werden zu neuen, womöglich noch größeren Zielen. Sobald wir diese erreicht haben, geht es weiter. Wir sind auf der krampfhaften Suche nach der Befriedigung im Erreichen des Zieles. Doch die Befriedigung stellt sich nicht langfristig ein. Sie verflüchtigt sich wieder, als wäre sie nie da gewesen. Das Ziel ist für mich zu einer Illusion geworden.

 

2. Der Prozess ist das eigentliche Ziel

Ich erinnere mich gerade in dunkleren Zeiten daran, dass der Prozess selbst mein Ziel ist. Die Sehnsucht nach der Befriedigung findet sich dort nämlich viel eher, als im Ziel. Zur Veranschaulichung nehme ich das Beispiel des Bachelors. Also den Abschluss, nicht die Dating-Show. Fast alle meine Freundinnen und Freunde sind nach dem Abschluss ihres Studiums erstmal in ein tiefes Loch gefallen. Weil viele von ihnen auf diesen – und nur diesen – Abschluss hingearbeitet haben. Die Befriedigung legte sich aber schneller als gedacht. Sie hielten das Zeugnis in der Hand, die Feier war längst vorüber und der Gedanke meldete sich zu Wort: und jetzt?

Das Ziel war am Ende gar nicht das Ziel. So ist es bis heute. Ich erwarte mir manchmal so vieles und muss immer wieder feststellen, dass das Ergebnis gar nicht so erfüllend ist, wie ich gehofft hatte. Die Erfüllung kommt von etwas, was wir schnell aus den Augen verlieren: dem Prozess.

Und jetzt?

Nachdem ich meine Gedanken sortiert und meine Gefühle eingeordnet habe, hilft nur eines. Und zwar der Arschtritt. Was macht mir Spaß? Was erfüllt mich? Was gibt mir Energie? Manchmal hilft es mir, eine Seite zu schreiben. Ohne Sinn, ohne Zweck. Nur für mich. Es ist überraschend, wie viel besser es mir oft danach geht. Ich habe mir dadurch bewiesen, dass ich etwas kann. Auch wenn es „nur“ das Schreiben eines Textes ist.

Was für mich das Schreiben ist, ist für euch vielleicht der Besuch eines Museums, sobald sie wieder geöffnet sind. Das Lesen eines Buches, ohne auch nur einmal aufs Handy zu sehen. Zwei Stunden Sport zu machen, was ihr sonst nie tut, weil ihr sonst keine Zeit dafür findet. Etwas zu kochen, was ihr noch nie gekocht habt. Und diese Aktivität einzig und ausschließlich für euch zu machen. Ohne Sinn, ohne Zweck – und ohne Ziel.

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2 Antworten zu “Ask amazed: Wie motivierst du dich in dunklen Zeiten dazu, weiter zu machen?”

  1. Liebe Amelie, abgesehen davon, dass deine Artikel inhaltlich gut sind, mag ich deinen Schreistil sehr. In Kombination finde ich das hier ganz besonders gelungen: die emotionale Komplexität und der nüchterne Ton bringen es auf den Punkt. Sehr elegant! Gruß, F

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