Anti-Racist statt Non-Racist: Was Weiße jetzt tun müssen

2. Juni 2020 von in

Fotocredit: @stuffgracemade

Es passiert jeden Tag. Rassismus ist für viele Menschen auf dieser Erde keine Nachricht, die mal wieder auf dem News-Bildschirm aufpoppt, sondern Alltagsrealität. Und die traurige Wahrheit ist: Meine Alltagsrealität ist es nicht. Während ich nicht mal weiß, wie sich eine Personenkontrolle durch die Polizei anfühlt, gehört es für unfassbar viele Menschen zur Realität, immer wieder kontrolliert zu werden. Vorurteilen ausgesetzt zu sein und wie Verbrecher behandelt zu werden, ohne etwas getan zu haben. Ganz ohne Grund, sondern nur wegen ihrer Hautfarbe und dem Profiling der Polizei. Und bei Kontrollen bleibt es bekanntlich nicht. Die Gewalt der Polizei gegenüber PoC, die selten geahnet wird ist seit langer Zeit bekannt, und immer wieder gelangt die Spitze des Eisbergs in die Medien und unser Bewusstsein: Die Morde von weißen Polizisten an dunkelhäutigen Menschen. Es macht mich wütend und hilflos zugleich. Aber seit ein paar Tagen bin ich zuversichtlich. So schrecklich der Mord an dem Afro-Amerikaner George Floyd durch Polizisten in Minneapolis/USA war, so wichtig ist das, was jetzt passiert. Wir Menschen reden endlich. Wir, die weißen Menschen, die sich ihrem Privilegien so oft gar nicht bewusst sind, nehmen Anteil – und das hoffentlich nicht nur für fünf Minuten.

Ungerechtigkeit und struktureller Rassismus sind Realität in unserem Leben. Wir werden sozialisiert, wir leben in rassistischen Strukturen und wissen manchmal selbst nicht mehr, was jetzt noch in Ordnung ist und was nicht. Und das ist okay. Nur: Es liegt an uns, das zu ändern. Weiße dürfen nicht mehr nur ZuschauerIn sein, sondern sollten sich weiterbilden und vor allem ihre schwarzen Mitmenschen nicht alleine lassen. Ganz nach dem Motto „We see and hear you“ können, nein müssen Weiße jetzt endlich auch etwas tun. Denn mit Schweigen und Schulterzucken machen Weiße nur eines: sich mit der Ungerechtigkeit verbinden.

Wenn ihr euch also wie ich fragt, was kann ich tun? Wie kann ich meinen Mitmenschen helfen?
Hier kommen ein paar Ideen – zusammengetragen aus vielen, vielen Posts der vergangenen Tage.

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A Quote by Nelson Mandela.

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Sei dir deiner Privilegien bewusst

Der erste Ansatz, der so wichtig ist, um strukturellen Rassismus zu verstehen und dagegen zu kämpfen. Privilegien weißer Menschen fußen zum größten Teil auf der historischen Unterdrückung von Nichtweißen. Und diese White Supremacy spiegelt sich bis heute wieder. Wer „All lives matter“ oder „I don’t see colours“ sagt, meint es vielleicht gut, beschönigt aber die Realität. Denn es gibt sie, die unbewussten oder sogar bewussten Unterscheidungen in unserer Gesellschaft. Es liegt an uns weißen Menschen, diese aufzubrechen und den Menschen, die von Rassismus betroffen sind, zur Seite zu stehen. Unser Privileg zu nutzen, um laut zu werden, wenn es andere Menschen aus Angst, Unwissen oder ihrer Egal-Haltung nicht tun.

Einmal was posten reicht nicht

Sicherlich, es ist ein Anfang und ein wichtiger. Egal, wie viele FollowerInnen man hat, wer nur einen von diesen erreicht und etwas verändert, hat etwas richtig gemacht. Aber Weiße müssen jetzt diesen Moment nutzen, um sich bewusst zu machen, dass struktureller Rassismus keine Eintagsfliege ist, sondern ein massives Problem, das sich nicht in wenigen Wochen erledigt. Was bedeutet das für Weiße? Sie sollten ein Leben lang aufmerksam und wachsam sein und diese wichtigen Diskussionen immer wieder mit FreundInnen, KollegInnen und sich selbst führen.

Sich selbst immer wieder hinterfragen:
„Bin ich vielleicht Teil des Problems?“

Die vielleicht schmerzhafteste Aufgabe, wenn man wirklich ehrlich zu sich ist. Denn ja, Weiße sind wahrscheinlich alle Teil des Problems. Ganz unbewusst. Aber allein, dass der Einzelne sich Gedanken macht, ist schon ein Schritt in die richtige Richtung. Also blickt euch als weiße Menschen erst einmal bei euch um. Wem folgt ihr auf Instagram? Was für Bücher lest ihr? Welche Mode tragt ihr? Und was hört ihr so für Podcasts? Und dann die große Frage: Wie viele BIPoC haben darin Platz? Ist die Antwort gleich null, wird es Zeit, das zu ändern. Auch ich musste das lernen, die Problematik erkennen und bewusst nach mehr Diversität und Repräsentation in meinem Feed suchen.

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#blacklivesmatter

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In an essay for the New York Times, acclaimed professor, award-winning author, and director of the Antiracist Research & Policy Center, @ibramxk dove into the topic of how to combat racism: ⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀ “No one becomes “not racist,” despite a tendency by Americans to identify themselves that way. We can only strive to be “anti-racist” on a daily basis, to continually rededicate ourselves to the lifelong task of overcoming our country’s racist heritage. We learn early the racist notion that white people have more because they are more; that people of color have less because they are less. I had internalized this worldview by my high school graduation, seeing myself and my race as less than other people and blaming other blacks for racial inequities. To build a nation of equal opportunity for everyone, we need to dismantle this spurious legacy of our common upbringing.” ⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀ In order to do this, we have to educate ourselves. We can learn about covert white supremacy, follow organizations leading the way for racial equity and justice, watch films, listen to podcasts, and read books. This doesn’t need to be seen as a chore, but can instead be seen as an opportunity — an opportunity to better understand ourselves, love our neighbors, and become the change we wish to see. #AntiRacism #BecomeGoodNews @goodgoodgoodco ⠀⠀ — Link to resources in @goodgoodgoodco bio

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Lesen und hören

Es ist völlig okay, wenn man keine Ahnung hat. Niemand wird schlau geboren und niemand weiß immer alles und macht alles richtig. Das Gute ist ja: Wir alle können dazu lernen. Deswegen gilt als erstes: Lest! Hört! Informiert euch über strukturellen Rassismus, versucht die Problematik zu verstehen und euch Wissen anzueignen. Das hilft nicht nur euch, um künftige Fehler zu vermeiden, sondern stärkt auch in Diskussionen mit Menschen, die noch nicht so weit sind. Jowa hatte vergangene Woche bereits hier aufgelistet, wie man an Wissen kommt.

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Seit gestern sind meine DM voll mit Fragen nach Bücherempfehlungen. Was soll ich als erstes lesen, wo soll ich anfangen? Weil ich aber nicht jede einzelne Nachricht beantworten kann/will, habt ihr hier eine Mini-Liste mit Empfehlungen, die längst noch nicht genug ist. Die Liste ist natürlich noch sehr ausbaufähig und ich freue mich sehr, wenn ihr mir eure Empfehlungen in den Kommentaren schreibt.⁣ Ich habe genau die ausgesucht, weil sich das an jene Menschen richtet, die Rassismus in Österreich/Deutschland verleugnen. "Es ist bei uns nicht so schlimm wie in den USA. Du musst schon dankbar hier zu leben." Um, what about no? Ich weiß nicht, wer draufgekommen ist, ein Stufensystem für Rassismus einzuführen, aber zu denken, ich muss für den Anfang doch dankbar sein, weil es ja woanders schlimmer ist, ist einfach kompletter bullshit.⁣ Wir sind alle schon lange wütend, nicht erst seit Floyd's Tod. Aber hört uns verdammt nochmal zu, hört uns nicht erst zu, wenn der Tod von Schwarzen Menschen gefilmt wird, glaubt uns nicht erst, wenn ihr Beweise seht. Sprecht uns unsere Erfahrungen nicht ab und tut nicht so, als wäre das "ja alles eh nicht so schlimm".⁣ ⁣ Anyway, lesen, weiterbilden, aktiv sein und speak the fuck up, wenn du Zeug*in wirst. Lest die Bücher selbst, schenkt sie her, gebt sie euren rassistischen Eltern & ach-so freundlichen Lehrer*innen. Danke, ciao. PS: Hintergrund schön mit Blümchen verziert, damit ich ja so sanft und unaggressiv rüberkomme. #antirassismus #antirassismusarbeit #decolonizeyourbookshelf

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this book recommendation list is called: “In a racist society, it is not enough to be non-racist, we must be antiracist” as the famous and most amazing angela davis said. in order to understand the racist society that we live in, i’d recommend these for a start. these are books that will make you understand the concept of white supremacy in which we live in and that all of us are born and raised in a racist society. technically, when you’re white, you can be born, live your life and finally die without thinking about the concept of race because it simply does not affect you. but if you’re born black in a country like the us, well.. you’re already a statistic, the moment you’re born. some of these books are very helpful for white people who want to understand what they could do because they understand that allyship is not a one time event but a frustrating process. pay people to educate you, pay for their books, pay for even asking “what should i do?” and do not abuse their mental health for your own good. educate yourself! there are so many great accounts on instagram that always talk about the black experience in the us – follow and learn from them (but please don’t slide into their dms and ask them what you should do) generally: these books are also amazing for pocs who have internalized antiblack racism. educate yourself as well. all of us need to educate ourselves. just read these books. i wish i could throw them into your face and make you read them but i can’t, so another friendly but sort of aggressive reminder to fucking read them. buy them and gift them to your racist parents, siblings and friends ??‍♀️ #antiracism #icantbreathe #decolonizeyourbookshelf

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Bücher (und anderen Content) von BIPoC lesen
Klingt simpel, ist es am Ende aber nicht. Denn auch hier sind weiße Menschen so sozialisiert, dass BIPoC-AutorInnen viel weniger in ihrem Leben stattfinden. Es liegt an jedem Einzelnen, ihre fiktiven wie non-fiktiven Sichtweisen bewusst in sein Leben zu holen, ihre Arbeiten zu unterstützen und sie zu einem gleichwertigen Teil der eigenen Kultur zu machen.

Folgt POC in den sozialen Medien und hört ihnen zu
Sucht aktiv nach POC in den sozialen Medien und folgt ihnen. Hört ihnen zu, wenn sie über ihre Erfahrungen sprechen. Repostet ihre Arbeit und verschafft ihnen Aufmerksamkeit.

Die eigene Stimme nutzen

In den USA stellte sich in diesen Tagen eine Reihe weißer Menschen zwischen PolizistInnen und ProtestantInnen. Weil sie wussten, ihnen wird – anders als ihren schwarzen Mitmenschen – nichts groß passieren. Das Privileg von weißen Menschen ist es, dass sie ihre Stimme nutzen können und sie aller Wahrscheinlichkeit auch gehört wird. Das fängt beim Dinner mit der Familie an, geht übers Mittagessen mit KollegInnen und hört erst auf, wenn wir auch in Situationen, in denen Rassismus passiert, unsere Stimme erheben.

Raum schaffen

Außerdem können Weiße mit ihrer Stimme Räume und Möglichkeiten schaffen, in denen andere Menschen Platz finden. Ob Podiumsdiskussion, Talkshow oder einfach nur im Job: Weiße sollten immer wieder auf den Missstand der Repräsentation und Diversität aufmerksam machen. Es ist wichtig, dass unsere Gesellschaft auch hier im Gesamten abgebildet wird.

Stichwort intersektionaler Feminismus

Auch der Feminismus sollte inklusiv sein. Das bedeutet, auch wir, die sich FeministInnen nennen, müssen sich immer wieder hinterfragen, wie inklusiv sie eigentlich sind. White Women’s Racism und Feminismus haben eine lange Geschichte – vieles, was wir Frauen heute tun können, fußt auf der Unterdrückung von anderen Frauen.  Hier heißt es, sich mit der Geschichte auseinandersetzen und zu agieren.

Schweigt nicht aus Angst vor Fehlern

Viele Menschen, gerade auf Social Media, neigen dazu, bei schwierigen, politischen und gesellschaftlichen Themen lieber den Mund zu halten, aus Angst, wegen Fehlern angegriffen zu werden. Aber: Schweigen hilft nicht. Im Gegenteil. Jeden Tag sterben Menschen durch rassistische Verbrechen. Wer schweigt, unterstützt die TäterInnen und das System. Fehler zu machen ist normal. Wer am Anfang steht, kann nicht alles wissen. Aber jeder kann dazu lernen. Habt also keine Angst vor Angriffen, Verurteilungen und Co. Positioniert euch, das ist alles, was zählt!

It’s not about you

Am Ende gilt: Es geht nicht um dich. Wenn Weiße ihre Stimme nutzen, dann nicht, um die oder der HeldIn zu sein, sondern um gemeinsam gegen strukturellen Rassismus laut zu werden. Es geht ums Teilen, um Awareness zu kreieren, aber niemals darum, sich als woke Person zu inszenieren. Hinterfragt also auch immer wieder euer Tun. Und übrigens: Es gibt keinen Rassismus gegen Weiße.

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3 Antworten zu “Anti-Racist statt Non-Racist: Was Weiße jetzt tun müssen”

  1. Wichtiger Artikel, der mich auf der Suche nach Handlungsveränderungen komplett abgeholt hat. Danke, dass Ihr das Thema immer wieder so offen anpackt. Ist für mich, die das nicht tut, immer wieder ein Grund mich selbst zu reflektieren und auch wenn es manchmal unangenehm ist, wichtig und richtig.

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