Diskussion: Miranda Hobbes ist in And Just Like That anders – und wir müssen darüber sprechen
And Just Like that ist das Sequel, auf das alle Sex-and-the-City-Fans lange gewartet haben. Die ikonische Geschichte der vier besten Freundinnen aus New York sollte nach fünfzehn Jahren Abstinenz nun endlich weiter gehen. Auch wir drei haben gespannt darauf gewartet, auch wenn sich die Vorfreude vor dem Revival Hand in Hand mit der Angst vor einer großen Enttäuschung paarte. Dass Samantha Jones nicht dabei sein sollte, war die erste Enttäuschung. Der Tod des Schauspielers Willie Garson, der während der Dreharbeiten in seine Rolle „Stanford Blatch“ starb, eine noch größere und traurigere.
Doch als wir drei die ersten Folgen ansahen, dominierte vor allem ein Gefühl geprägt von Nostalgie und Freude. Denn es ist einfach, eine Serie zu kritisieren. Natürlich war Sex and the City schon damals in den Neunzigern und Zweitausendern auf vielen Ebenen problematisch. Doch sie war gleichzeitig wichtig. Auch am Sequel gibt es vieles zu kritisieren. Die Dialoge sind holprig, Samanthas Abstinenz störend, die Looks nicht ansatzweise so gut wie früher. Doch in And Just Like that sehen wir Carrie, Miranda und Charlotte wieder, die uns an ihrem Leben als Ende-Fünfzigjährige Frauen in New York teilhaben lassen. Ein all umfassendes Fazit über die Serie ist zwar noch nicht möglich, da die Serie noch nicht vollständig veröffentlicht ist und es hier den Rahmen sprengen würde. Es gibt zur gesamten Serie zu sagen und vielleicht heben wir uns das große Fazit für einen anderen Rahmen auf.
Viel lieber wollen wir über die spannendste Persona des Sequels sprechen. Miranda Hobbes, gespielt von Cynthia Nixon, überraschte das Publikum mit einer extremen Veränderung ihrer Persönlichkeit. Während sich die anderen beiden Carrie und Charlotte typisch ihres Charakters verhalten, begegnen wir einer Miranda, die wir in dieser Form noch nie kennengelernt haben. In And Just Like That ist Miranda Hobbes immer noch mit Steve verheiratet und ihr Sohn Brady ist mittlerweile ein Teenager. Miranda hat im Reebot nicht nur ihren Job gekündigt und fängt auf beruflicher Ebene von Null an, sie ist außerdem maßlos unzufrieden in ihrer Ehe, kämpft mit einem Alkoholproblem und entdeckt eine queere Seite in sich durch eine heimlichen Affäre mit einer nicht-binären Person. Kurzum: Miranda ist anders als früher. Überall wird sie diskutiert – und auch wir alle haben eine Meinung zu Miranda Hobbes neuem und veränderten Charakter.
Antonia
Was soll ich sagen: Ich liebe And Just Like That, das Sequel von Sex and the City. Die kurze Serie ist für mich wie eine warme Umarmung, die ich diesen Winter gebraucht habe. Nostalgie, Mode und zauberhafte Charaktere, die mich schon seit Jahren begleiten. Und ja, als Samanthas Gruß auf Bigs Beerdigung eintraf, habe ich vielleicht die ein oder andere Träne verdrückt. Kein Wunder, gefühlt is And Just Like That ein Treffen von alten Freundinnen. Mit Carrie und ihren großartigen Outfits, mit Charlotte, die mich auch heute noch mit ihrer Art wahnsinnig macht, und die man trotzdem irgendwie mögen muss, und Miranda, diese toughe, kluge Frau, die sich für das Gute einsetzt.
Und da wären wir auch bei einem der wenigen Wehmutstropfen, die And Just Like That für mich hervorgebracht hat. Ich liebe Miranda, ich liebe ihre Entwicklung in dem Sequel, und trotzdem habe ich irgendwie aus nostalgischer Sicht meine Probleme damit. Für mich wirkt sie manchmal fremd, wenn sie wie ein Teenager durch New York City rennt. Sie wirkt nervös, getrieben, manchmal sogar verwirrt. Zeitweise euphorisch, gleichzeitig auch unberechenbar, fast schon tragisch. Eben wie ein Teenager. Und damit begegnet sie ihren neuen Gefühlen so gar nicht Miranda-like. Aber, vielleicht ist das gerade ihre große Entwicklung? Ich schätze, ich muss mit der neuen Miranda noch warm werden.
Amelie
Auch ich war erstmal geschockt, als ich in der ersten Folge des Reboots eine Miranda sah, die sich weigert, einen Podcast zu hören, die sich gefühlt noch nie mit Rassismus und Gender-themen auseinandergesetzt hat, und die mit einem Alkoholproblem struggelt. Ich muss zugeben: Ich habe zunächst mit einer anderen Miranda gerechnet. Die ehemalige toughe, abgebrühte und gleichzeitig so nahbare Miranda, die wir alle von früher kennen, ist plötzlich weg. Uff. Miranda Hobbes war damals mein Lieblingscharakter – doch sie ist es auch heute noch. Heute sehen wir eine fast sechzigjährige Frau, die sich in eine nicht-binäre Person verknallt, unzufrieden in ihrer Ehe lebt und verzweifelt versucht, sich selbst zu finden. Sie macht einen Prozess durch, den wir eher aus Coming-Of-Age-Filmen kennen, doch genau das macht ihre Geschichte zur wichtigsten Geschichte in And Just Like That.
Denn schon wieder ist Miranda der ehrlichste und nahbarste Charakter für mich. Sie beweist, dass Menschen natürlich (!) auch noch im Alter Selbstfindungsphasen haben und haben sollten. Dass sich Dinge im Leben verändern, dass eine Ehe oder eine Liebe nicht für ewig währen muss. Dass man auch im Alter absolut keine Ahnung haben kann, wer man ist. Dass man sich verlieren kann. Dass man sich neu finden kann. Nur weil sie sechzig ist, hat sie ihr Leben nicht zwangsläufig figured out. Miranda Hobbes war früher diese zynische und toughe Person mit einer harten Schale. Mich überrascht es nicht, dass sie heute ein unzufriedenes Leben führt und zunächst keine Ahnung hat, wie sie es ändern kann. Dass sie verzweifelt und überfordert ist.
Für mich ist sie das treffende Ergebnis einer Person, der sich nie wirklich mit sich selbst auseinander gesetzt hat. Das Resultat ist eine Miranda in einer unglücklichen Ehe, die ihren Frust in Alkohol ertränkt. Ihre Rolle wirkt zunächst tragisch, doch mit der Zeit macht Miranda Mut für Veränderung. Sie entwickelt sich mit Hilfe von Che Diaz zu einem Menschen, der versucht, ehrlicher zu sich selbst zu sein und ich freue mich, dass Miranda endlich auch eine queere Seite in sich entdeckt, die lange Zeit keine Chance hatte, ans Tageslicht zu treten. Denn let’s be real: Miranda hätte meiner Meinung nach schon damals als lesbisch oder bi geoutet sein können. Sie hatte für mich schon immer irgendwie queere Vibes (nicht nur, weil Cynthia Nixon queer ist, aber ein nettes i-Tüpfelchen ist es dennoch) – umso spannender und schöner finde ich Mirandas Entwicklung in And Just Like That.
Milena
Dass Cynthia Nixon in der Realität auch lesbisch ist, ist auf jeden Fall ein schönes i-Tüpfelchen der Story. Natürlich passt das Outing auch zur Figur Miranda, und ihre reale Persönlichkeit schwang schon immer auch etwas in ihrer Serienfigur mit. Der wichtige Aspekt ist für mich aber nicht das Outing, ich finde es sogar toll, dass es meiner Meinung nach gar nicht darum geht, für wen sie Steve verlässt. Ich finde, es geht dabei eher um das Thema der Unzufriedenheit in einer Beziehung, die auch da sein kann, wenn man den Partner wirklich liebt, und das schon ewig tut. Man kann auch das Bedürfnis bekommen, zu gehen, wenn man viel gemeinsam durchgemacht hat, wenn der Partner das eigene Zuhause verkörpert, wenn man gemeinsame Kinder hat.
Ich finde es wahnsinnig inspirierend finde, dass die Figur der Miranda zeigt: man kann in jedem alter eine Veränderung einläuten, ja muss vielleicht sogar, wenn man sich innerlich in eine Richtung verändert, die nicht mehr zur eigene Beziehung oder dem Partner passen mag, egal was man auch versucht. Der Miranda-Plot zeigt, dass man immer gehen kann. Dass das Verlassen tatsächlich das Richtige für einen selbst, und sogar den Partner, sein kann, ja sogar aus Liebe geschieht, wenn man einfach nichts mehr geben kann. Und Mirandas Entwicklung, auch in Bezug auf ihre Wokeness, heißt eben auch, dass man immer dazulernen kann. Immer neue Themen für sich entdecken kann, die einen tief berühren, inspirieren, mitten ins Herz treffen und einen verändern. Ich finde, ihr Plot nimmt ganz viel Tabu von der Thematik, immer bei sich selbst zu bleiben und sich zu erlauben, sich zu verändern. Auch, weil ich die Reaktion von Steve sehr passend finde: da ist kein Entsetzen, da sind keine Vorwürfe. Da sind nur zwei Menschen, die lange zusammen waren, die sich lieben, aber die in ihrer aktuellen Lebensphase zu unterschiedliche Bedürfnisse haben.
Dass Mirandas Entwicklung damit einhergeht, dass sie ihre toughness zeitweise total verliert, verknallt ist wie ein Teenie und total unsicher wird, finde ich eigentlich ziemlich treffend. Und ein starker Kontrast zur Miranda aus der ursprünglichen Serie, die immer lieber tough war, als wirklich tief in sich hineinzuhören.
Antonia
Da hat mir meine Nostalgie-Brille aber gehörig die Sicht vernebelt. Denn ihr habt natürlich Recht. So gern ich die alte Miranda hatte, die neue Miranda ist spannend, anders und überraschend. Und sie trägt die wichtigste Botschaft in der Serie mit sich: Veränderung ist gut und wichtig. Wir alle sind heute nicht die Menschen, die wir gestern noch waren. Und wenn man unglücklich in seinem Leben ist, unzufrieden mit den Lebensumständen, gibt es Chancen und Möglichkeiten, das Leben zu ändern. Ganz egal, wie alt man ist oder wie gut das Leben von außen aussieht.
Gegen alle gesellschaftlichen Konventionen – man erinnere sich an Charlottes ersten Blick auf ihr Affären-Outing – folgt Miranda ihrem Gefühl. Sie geht ganz selbstbewusst ihren Bedürfnissen nach, auch mit dem Wissen, dass sie viel zu verlieren hat. Aber manchmal kann man eben nicht anders. Und damit ist mir die wunderbare Miranda so gar nicht mehr fremd.
Eine Antwort zu “Diskussion: Miranda Hobbes ist in And Just Like That anders – und wir müssen darüber sprechen”
Huhu ihr Lieben,
kleine aber wichtige Anmierkung:
Die AJLT „Mädels“ sind 53 – 55, also nicht „Ende 50“. ;)
Liebe Grüße
Kathrin