Alle Jahre wieder Anzieh-Fatigue oder wenn das liebste Hobby temporär an Spaß verliert

13. Dezember 2023 von in ,

Ich liebe es, mich anzuziehen. Für mich ist das (mehrmals tägliche) Ritual eine meiner liebsten Beschäftigungen. Was für andere die Me-Time im Bad ist, findet für mich vor dem Kleiderschrank statt. Bestandsaufnahme. Die Gesamtheit wirken lassen. Dann ganz intuitiv eine Wahl treffen: Wonach fühle ich mich heute? Wer will ich sein? Was will ich betonen? Worin mich verstecken? Für mich ist es heilsam. Tröstend und euphorisch zugleich, mich im Textil zu verlieren, mich mit Schnitten, Formen, Farben und Texturen auseinanderzusetzen. Einfach jedes Teil immer wieder neu zu kombinieren. Mich daran zu erinnern, wie es zu mir gefunden hat und wie es mich fühlen lässt.

Doch einmal im Jahr finde ich es so gar nicht erfüllend, meiner Lieblingsbeschäftigung nachzugehen. Und zwar immer dann, wenn die Tage dunkler werden. Das Wetter wechselhaft fast zu kalt ist. Immer dann will ich am liebsten meine Decke mit nach draußen nehmen und ein einziges Kleidungsstück für immer anziehen. Eins, in dem ich mich unkompliziert wohlfühle. Immer dann begrüße ich die Anzieh-Fatigue in meinem Leben. Die es mir einige Wochen fast unmöglich erscheinen lässt, mich viel mit der Frage „Was möchte ich heute tragen?“ zu beschäftigen.

 

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Die Definition der Anzieh-Fatigue

Wie bei allem, was man so selbst bei sich feststellt, frage auch ich zunächst das Internet um Rat: Geht es anderen ebenso? Scheinbar Nein. Oder zumindest führt das Googeln nach „Anzieh-Fatigue“ mehrheitlich ins Leere. Doch laut meiner persönlichen Definition beschreibt der Neologismus Anzieh-Fatigue, die temporäre Lustlosigkeit am Akt des sich Einkleidens. Man fühlt sich uninspiriert und irgendwie will nichts so recht passen. Die Folge ist ein (morgendliches) Chaos an Klamotten, die man als vorwurfsvollen Berg beim Haus verlassen zurücklässt. Nicht etwa, weil man die Dinge auf einmal nicht mehr schön oder stilistisch passend findet. Eher, weil sie sich im Moment des Überziehens nicht „richtig“ genug anfühlen. Irgendwie schon gut, aber nicht perfekt. Irgendwie cool, aber nicht wow. Irgendwie gerade unpassend.

Hallo Winter! Hallo Anzieh-Krise

Wieso genau das besonders dann auftritt, wenn im Außen viel los ist oder das Wetter auf einmal von hell auf dunkel schwenkt, schiebe ich auf die in dieser Jahreszeit häufig auftretende Energielosigkeit. Man sammelt seine (mentalen) Kräfte lieber für das Leben und möchte sie nicht an ‚nebensächliches‘ wie die Wahl des richtigen Outfits verschwenden. Dabei kann genau das einem ebenso viel Freude bringen. Ein Beispiel wäre hier der Modetrend Kidcore, der mit seinem farbenfrohen Euphemismus für Dopaminkicks sorgt. Doch manchmal fühlt man sich eben nach nichts. Merke ich auch an mir selbst und greife immer zur selben Hose, Kleid und Kombination. Sie fühlen sich sicher an. Mit dem perfekten Maß an Coziness und beschützender Wärme. Denn ich will eigentlich am liebsten gar nicht aus meinem Schlafanzug und den Kuschelsocken rausmüssen. Dennoch ist beides außerordentlich ungeeignet fürs draußen sein – Schade!

Was tun, wenn das Selfcare-Ritual den Spaß verloren hat?

Ich habe also temporär die Muse für meine liebste Beschäftigung verloren. Obwohl ich in meinem Kopf durchaus Zeit damit verschwende, an sie zu denken. „Was wäre, wenn ich diese Schuhe mit diesem Oberteil kombiniere? Oder dieser einen Jacke, die ich nur eine ganz kurze Periode im Jahr über tragen kann?“ Denke ich. Doch in angewandter Form erblickt keins dieser imaginär zusammengestellten Outfits das Tageslicht. Auch schade. Denn: Fashion is my Passion und getting Dressed wohl das schönste Hobby, das man einfach von zu Hause aus machen kann.

Demnach gibt es für mich als Fashion-Nerd kaum etwas Nervigeres, wenn genau dieses eine Selfcare-Ritual auf einmal keinen Spaß mehr macht. Aber was tun? Manchmal fühlt man sich eben einfach nicht nach Dingen – auch wenn sie einen sonst mit Freude erfüllen. In diesen Momenten sollte man sich der Ablehnung einfach hingeben und nicht versuchen, eine Verbesserung zu erzwingen. Oft führt genau das zu noch mehr Frustration!

 

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Embrace the Moment!

Ich finde mich also mit diesem temporären Gefühl ab: Ich bin Anzieh-Müde. Okay. Aber irgendwas tragen muss ich schon? Also, worauf kann ich mich in dieser Zeit verlassen? Komfort! Mein Komfort bedeutet Schnitte und Materialien, die mir das Gefühl von Geborgenheit geben. Die sich großartig, nichtig anfühlen. Einen umarmen und in denen man sich gegebenenfalls verstecken kann. Übergroße Pullis, Maxikleider, meine liebste Jeans, Anzughosen mit weitem Bein, der Hoodie mit der riesigen Kapuze. Oder ein simples Strickkleid mit knalliger Farbe. Jede:r hat solche Pieces im Kleiderschrank, die sich immer richtig anfühlen. Die einem in Zeiten von Stress, Turbulenzen und emotionaler Unruhe Trost spenden und zur Seite stehen. Sich vertraut anfühlen.

Das ist übrigens die Manifestation der Idee des Schutzes, die der Bekleidung innewohnt. Natürlich weniger rudimentär und funktional. Doch subjektiv hilfreich. Zumindest für mich, wenn ich mich ganz stark nach nichts zum Anziehen und ganz grundsätzlich unmotiviert fühle. Vielleicht auch gerade mal wieder dabei bin der Seasonal Affection zu verfallen.

Bye Bye Anzieh-Fatigue

Doch eins weiß ich immer. Es geht vorbei. Manchmal schneller. Manchmal weniger schnell. Doch eines Morgens wache ich auf und bin wieder voller Kreativität. Geladen mit neuer Energie, mich in meinem Schrank auszutoben. Verrückt zu layern und jedem einzelnen Teil die nötige Aufmerksamkeit zu schenken, die es braucht und die mich glücklich macht. Und ja, für viele mag sich das hier banal anhören. Doch vor allem, wenn man sich total overwhelmed vom Außen fühlt, ist es schön, sich auf geliebte Rituale zu verlassen. Die können bei jedem:jeder anders aussehen: Kochen, Wellness, Wandern, Anziehen. Chose your Comfort-Fighter!

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