Meine Afrohaare, ihre Pflege und ich: eine komplizierte Hair-Journey
Fotografin Chiara Marcella
Haare waren für mich schon immer ein ziemlich kompliziertes Thema. Viele Komplikationen davon ließen sich auf die Außenwelt zurückschließen (Thema Afrohaare in Deutschland). Andere kamen von mir selbst. Und dem Unverständnis, was ich ihnen entgegenbrachte – denn ich wusste es nicht besser. Von Haaren auf der Hochbettleiter gekämmt bekommen, kam ich irgendwann mit steigendem Alter nicht mehr in den Genuss davon, von meinen Eltern Frisuren gemacht zu bekommen und sah mich also mit einer nicht zu bändigenden Mähne konfrontiert. Das führte zu langem, kontinuierlichen Zopftragen. Zum Versuch, ein Pony zu schneiden und mehreren Haarkrisen. Bei welchen ich Spiegel abhängte und alle Haarprodukte in den Müll verbannte – denn ich fühlte mich unverstanden. Von meinen Eltern. Der Popkultur und natürlich dem Universum, welches mir Locken statt europäischem Haar vor die Nase gesetzt hatte. Letzte Ausfahrt Braids und eine Pause für die Nerven aller beteiligten.
Meine Hair-Journey war immer eins: ein komplizierter Kampf
Als Kind eines interracial Elternpaares war es schwierig, in Bezug auf das Pflegethema einen Common Ground zu erreichen. Ich war (natürlich) dramatisch. Mein Vater verstand den Lärm um nichts nicht. Meine Mutter wollte helfen, wusste aber nicht so recht, wie. Und für meinen Bruder stellten sich viele der Fragen, die ich mir stellte, schon mal von vornherein nicht. Was sollte man da schon tun? Irgendwann begann sich (in meiner Teenagerzeit) also das Internet zu einem Ort zu entwickeln, indem ich immer Neues über meine Haare lernen konnte. Stunden damit verbrachte, nach Produkten, Videos oder dergleichen zu googeln.
Aber da hatte ich ja auch schon sehr viel mehr Zeit meines Lebens damit verbracht, eine eher feindliche Beziehung zu meinen Haaren aufzubauen. Das Ziel war nun mehr Schadensbegrenzung. Glücklicherweise in einem gewissen Rahmen. Denn wenn meine Mutter bei meinen wilden Haarabenteuern bei einem Punkt nicht mit sich reden ließ, dann war es die chemische Glättung. Die alles andere ist als unbedenklich für Kopfhaut, Hormonhaushalt und Haarstruktur.
Afrohaare in Deutschland: Es fehlt an Know-how
Was mir also fehlte, war eine Ansprechperson, der ich alle meine Haarfragen hätte stellen können. Was mir den Weg, meine Haare zu mögen, von vornherein einfacher gemacht hätte. Deshalb bin ich heute für mich und für euch bei einer Expertin auf dem Gebiet, um mir eine Zweitmeinung zu meinen Haaren und den seit der Pandemie neu aufgetretenen Befindlichkeiten abzuholen. Denn sie hat aus dem Defizit, den alle Menschen mit Afrohaaren und ähnlichen Strukturen erleben, 2018 ein Business gegründet. Das komplizierte Sachverhalte einfach nahebringen möchte und alle ermutigen will, sich auf die Hairjourney zu begeben. Dafür treffen wir uns in einem Pop-up Space von La Tribune Noir in Hamburg, in welchem verschiedenen Black-Businesses ihre Produkte ausstellen und verkaufen.
#jonataughtme: Yes, it ́s natural and no, I don’t wish it was straigth
Was passiert bei einer persönlichen Haarberatung?
Je nachdem, auf welchem Wissensstand man sich befindet, bietet Abina verschiedene Workshops an, die dabei helfen, die eigenen Haare, die Pflege und den Umgang besser zu verstehen und sich ihnen auf eine positive Art und Weise zu nähern. Einfache Fragen wie Haar-Typ und Produkte werden geklärt, um das Maximum für die eigene Pflegeroutine herausholen zu können. Denn Afrohaare können zwar ganz schön widerspenstig und fordernd sein, aber wie bei vielem ist auch das eine Frage des Know-hows. Denn mit einfachen Tricks lassen sich auch solche Tage ins Gegenteil umkehren und das (gute) Verhältnis zum eigenen Haar stärken.
Afrohaarberatung: Wie läuft der Termin ab?
Vor unserem Termin habe ich Abina ein Bild meiner aktuellen Haarpflegeprodukte und meiner Haare gesendet. Mit diesem Wissen als Grundlage und gezielten Fragen haben wir im nächsten Schritt den Status quo analysiert. Die Haarstruktur ist dabei nur eins von vielen Parametern, die einem dabei helfen können, die eigenen Locken und ihre Bedürfnisse besser verstehen zu können. Wichtig dafür sind sowohl die Haardicke, die Porösität, aber auch einfache Details aus Alltag und Lebensweise. Denn auch Sport, Stress oder die Wasserqualität können ein ausschlaggebendes Kriterium sein, wenn es um die richtige Pflege geht.
Wer kalkiges Wasser hat, sollte sich zum Beispiel einen Duschfilter zulegen und viel Sport impliziert eine Anpassung der Waschroutine. Bei der es primär um die Kopfhaut gehen sollte – ohne die Längen zusätzlich zu beanspruchen. Für alle, die noch mehr aus dem Termin herausholen wollen oder Lektüre für zu Hause möchten, gibt es die Möglichkeit, ein E-Book mit gesammeltem (allgemeinen) und personalisiertem Wissen zu bekommen – perfekt also, um sich noch einmal in Ruhe mit der ganzen Fülle an Informationen zu befassen.
In einem 1:1 Gespräch mit anschließendem Styling, hatte ich die Möglichkeit Fragen loszuwerden und meinen Wissensstand zu erweitern.
Ich benutze das Wort Afrohaare und das Wort Locken. Bei Letzterem fühlen sich aber nicht alle Menschen angesprochen, wie ich festgestellt habe. Insgesamt scheint es sehr unterschiedlich zu sein. Krause Haare habe ich im gesprochenen Wort eher seltener benutzt, wenn dann nur schriftlich. Bei einer Instagram-Umfrage habe ich zudem festgestellt, dass in etwa die Hälfte der Teilnehmenden das Wort als diskriminierend empfindet. Was mir ehrlich gesagt gar nicht bewusst war – auch wegen der Plattform Krauselocke. Für mich war das nie eine negative Assoziation, aber seitdem versuche ich auf die Verwendung des Begriffs zu achten. Hauptsächlich benutze ich jedoch Afrohaare.
Anfassen ist ein No-Go, zu fragen ‚sind die echt?‘. Das würde ich nicht unbedingt als No-Go bezeichnen, da kommt es darauf an, wer diese Frage stellt und wie nah man dieser Person steht. Es ist aber eine Frage, die meiner Meinung nach, fremden Leuten nicht gestellt werden sollte. Dann ist Othering noch ein No-Go und dass immer der Unterschied oder Kontrast deutlich gemacht werden muss – selbst, wenn es positiv gemeint ist. Das ist gesellschaftlich gesehen unnötig.
„Ein Umfeld mit anderen Schwarzen Menschen ist wichtig“
Meine Tipps beziehen sich auf zwei Ebenen. Einmal auf die Praktische und die Repräsentative. Ersteres bedeutet zu lernen, was der Unterschied zwischen den eigenen Haaren und Afrohaaren ist. Wirklich zu verstehen, warum die Haare eine oftmals gegenteilige Pflege brauchen. Dann zu erkennen, welche Pflege brauchen sie und sich zu bilden, die Haare tatsächlich zu pflegen und eine feste Routine zu etablieren. Auf der anderen Ebene sollte Repräsentation zur Verfügung gestellt werden. Das bedeutet in Büchern auch Charaktere vorkommen zu lassen, wenn nicht sogar Hauptcharaktere, die in dem Fall dann Schwarz sind oder die auf jeden Fall auch ähnliche Haare haben. Aber auch Spielzeug, Filme und definitiv der Umgang mit anderen Kindern. Vor allem, wenn es sich um Adoptivkinder handelt, ist ein Umfeld mit anderen schwarzen Menschen natürlich umso wichtiger.
Was ich mitbekomme, ist, dass weiße Partner:innen Natural Hair Journeys oft total Supporten wollen. Bei mir melden sich oft weiße Partner, um ihren Freund:innen einen Gutschein für eine Haarberatung zu schenken. Und es ist gut darüber zu sprechen und wichtig, aber den Weg muss die Person dann selbst gehen und wollen. Natürlich braucht sie Support aus dem Umfeld, aber man sollte darauf achten, dass es nicht zum Druck wird, die Haare offen und natural tragen zu müssen. Denn am Ende weiß der andere ja nicht, wie es ist, wegen einem Afro immer angestarrt zu werden. Die Person muss so weit sein und dann macht sie das in ihrem Tempo, sonst bringt das nichts von außen.
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„Ich wünsche mir, dass es mehr Dienstleistungen und Expertise zu diesem Thema gibt und man ganz normal zum Friseur gehen kann“
Ich habe früher viele Youtube-Videos geguckt und da zu sehen, dass schwarze Frauen lange, schöne Haare haben können, die echt sind, hat mich total angefixt. Das war 2012. Zu dieser Zeit war das Wissen um die Haarpflege zumindest in Deutschland noch nicht weit verbreitet. Und so habe ich Bilder von Haaren gesehen, die ich bislang noch nicht kannte.
Eine Person mit Afrohaaren sollte unbedingt eine gute Haarkur oder Conditioner besitzen. Die Denman Brush. Eine Satin Cap oder irgendein Schutz für nachts (einen Satin Kissenbezug oder ein Satin Tuch). Und einen guten Leave-In und eine Applikatorflasche fürs Shampoo – das macht wirklich einen Unterschied!
Ich wünsche mir, dass Produkte für Afrohaare zugänglicher gemacht werden. Nicht immer nur separat, online oder in andere Shops erhältlich sind, sondern dass sie in jeder normalen Drogerie verfügbar sind und das Preisniveau angepasst wird an alle anderen Haarpflegeprodukte für nicht schwarze Menschen. Dann wünsche ich mir, dass es noch mehr afrodeutsche Gründerinnen und Gründer gibt, die ihre Produkte in Deutschland herstellen. Hier in Deutschland haben wir noch mal andere Regelungen, was die Inhaltsstoffe betrifft. Im Vergleich zu den USA und UK sind die hier sehr viel strenger. Wodurch wir sicherer sein können, dass die Sachen auch wirklich unserem Standard entsprechen. Ich wünsche mir aber auch, dass es mehr Dienstleistungen und Expertise zu diesem Thema gibt. Das deutsche Friseur:innen lernen, auch an Afrohaaren und Locken zu schneiden und diese zu behandeln. Das das in die Ausbildungsordnung übertragen wird und man ganz normal zum Friseur gehen kann.
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Frogress, Blaqroseflower, Buttermeperfect
Abina’s Tipps für Afrohaare Schneiden und Braiden in Hamburg: @fabzz_360 @hairart_by_gabrielle @babeyhair
Natürlich zu einer Haarberatung kommen. Aber man kann es sich auch einfacher machen, indem man guckt, von welcher Brand ist ein Produkt und was hat sie für ein Image. Wenn ich zum Beispiel weiß, dass ich ein Produkt von Shea Moisture habe, kann es sein, dass es vielleicht nicht ideal für meine Haare ist, aber ich weiß, es ist auf jeden Fall keine Chemiekeule. Das heißt also sich auf bestimmte Marken zu fokussieren, die Produkte für Afrohaare oder Locken machen. Dann würde ich die Signalwörter auf der Verpackung anschauen und die Inhaltsstoffe. Hier wieder auf bestimmte Signalwörter achten oder die App Codecheck verwenden. Und für alle, die sich ein bisschen auskennen oder schon mal eine Haarberatung gemacht haben, kann ich empfehlen, die Konsistenz abzuschätzen. Du lernst mit der Zeit, welche Konsistenten dein Haar mag und kannst anhand der Verpackungsart abschätzen, ob das zu den Bedürfnissen deiner Haare passt oder nicht.
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Ich würde eine Sprühflasche nehmen, dass Deckhaare anfeuchten. Dann Haargel oder Leave-In grob auf das Deckhaar auftragen und mit einem Satin-Scrunchie einen strammen Zopf machen. Als Letztes ein Satintuch stramm um den Kopf binden und 15 Minuten darauf lassen, sodass die Haare in der gewünschten Richtung liegen bleiben.
Ich hatte einmal eine DIY-Bananenmaske ausprobiert und die Bananenstücke ging nicht mehr aus meinen Haaren raus. Ich würde mein Damaliges-ich damit beruhigen, dass alles am Ende immer besser wird. Es ist ein Ausprobieren, aber irgendwann gelangt man zum Ziel.
– Anzeige wegen Markennennung –
2 Antworten zu “Meine Afrohaare, ihre Pflege und ich: eine komplizierte Hair-Journey”
Es war mir eine Freude:)!
Toller Artikel, danke!