Act your wage: Dieser TikTok-Trend fordert dazu auf, unser eigenes Verhältnis zur Arbeit zu überdenken
Medial gibt es nur ein Bild der Generation Z: Eine Generation, die gemeinsam am gleichen Strang zieht und als großes Ganzes einen Trend nach dem anderen etabliert. Doch so stringent scheint diese (meine) Generation nicht zu sein. Woran ich das merke? Beim Thema Arbeit. Genau da gehen die Wege der Twenty-Somethings nämlich weit auseinander. Klassisches Klischee der 20er: Alle hängen an unterschiedlichen Lebenspunkten fest und das spiegelt sich vor allem dann wider, wenn wir uns genauer darüber unterhalten, wie das eigene Verhältnis zum Arbeiten ist. Besonders aufgefallen ist mir das kürzlich auch im eigenen Umfeld.
Wie ihr bereits wisst, bin ich eng mit der Hustle Culture vertraut. Darüber habe ich auch geschrieben, mit Fokus auf der Gefahr, die es birgt, wenn man sich aus emotionalen Gründen in der Arbeit verliert. Und auch Milena schrieb kürzlich darüber, wie einen die Arbeit ab einem bestimmten Zeitpunkt des Erwachsenenalterns nur noch zu definieren scheint und wie schnell man sich in diesen Routinen verlieren kann.
@saraisthreads #greenscreen I’d rather spend time with my family. 💅🏽 #actyourwage #fyp #work #working #corporate #corporatelife #corporatetiktok #corporateamerica #corporatehumor #office #officelife #manager #managersbelike #career #quietquitting #quietquittingmyjob ♬ original sound – Sarai Marie
Work-Shame, Hustle Culture und von der Kunst der Grenzensetzens
Doch zurück zu meinem Erlebten. Vor allem im Umgang mit Freund:innen, die noch studieren, bin ich oft genervt. Denn da habe ich oft das Gefühl, man müsse sich für das eigene Arbeitspensum rechtfertigen. So habe ich mich also letztens in einer Debatte über Freiheit (im Work-Kontext) wiedergefunden und wie man seine eigenen Grenzen setzen sollte. Ja, klingt sicherlich erstmal ganz gut, aber ganz normales Arbeiten (minus Überstunden und andere Extratätigkeiten) ist eine Art Notwendigkeit, um im großen Spiel des Lebens partizipieren zu können. Klassischer Kapitalismus eben.
Was mich an dem Gespräch so gestört hat, war der Fakt, dass ich das Gefühl hatte, gework-shamed zu werden. Für das, was ich mache und vor allem, wie ich es mache. Jetzt, wo ich Zeit hatte, darüber zu reflektieren, bin ich immer noch sauer. Doch die Unterhaltung hatte vor allem in Bezug auf das Thema dieses Artikels ganz schön viel Mehrwert, denn neben dem Gen Z so nachgesagten „Hustle“ und Drang ein Overachiever zu sein, hat sich eine Gegenbewegung gebildet. Die das Prinzip von „Act your wage“ proklamiert und damit auch gleich eine ernstzunehmende Kritik an unsere Gesellschaft und deren Verhältnis zu Arbeit beziehungsweise deren Bezahlung setzt.
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Act your wage oder Quiet Quitting: Die Gen Z Workspace-Revolution
„Act your wage“ ist mit dem Phänomen „Quiet Quitting“ vergleichbar – meist negativ konnotiert: sich vom Druck des übermäßigen Engagements sowie Überstunden zu befreien und sich an die im Vertrag festgehaltenen Aufgaben halten. Quiet Quitting ist nur einer der Trends, die unter anderem von TikTok-Creatorin Sarai Soto gezeigt werden. Sie möchte mit ihren TikToks darauf aufmerksam machen, wie wichtig es ist, vor allem im beruflichen Kontext klare Rahmenbedingungen zu haben und sich einvernehmlich daran zu halten. Keine erwarteten oder vorausgesetzten Überstunden, keine Termine außerhalb der Arbeitszeiten. Und wenn doch, dann mit festgelegten Regulierungen, die für alle klar und einsehbar sind. „Act your wage“ heißt also, auf keinen Fall einen schlechteren Job machen oder weniger Ambitionen zeigen, sondern eine Vision davon zu haben, wie Arbeit in Zukunft aussehen sollte: fair bezahlt und ohne Trigger, der sich negativ auf unsere Mental Health auswirkt.
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Hustlest du noch oder lebst du schon?
Doch wie passt dieser Trend mit dem Bild von Gen Z zusammen, das auf Social Media kreiert wird? Hier arbeiten alle 24/7, sind schon Anfang 20 unglaublich erfolgreich und haben einen Jet-Set-Lifestyle auf Kardashian-Niveau. Überall sieht man Daily-Vlogs von „That Girl“, das ihr Leben absolut unter Kontrolle zu haben scheint, jeden Morgen in aller Frühe aufsteht, Sport macht, ein gigantisches Vision-Board hat und irgendwie alles völlig mühelos zu handhaben scheint. Doch mit der Realität hat das oft wenig zu tun. Das schrieb auch Amelie in ihrer Kolumne. Und sie hat recht. Weswegen der „Act your wage“ Trend, der auf einerseits unglaublich konservativ erscheint, eigentlich ganz schön wichtig ist. Denn die Frage nach unserem Verhältnis zur Arbeit ist eine viel größere – nämlich die nach Kontrolle.
Unsere aktuelle Welt(-Ordnung) wird bestimmt von der Pandemie, der unsicheren Wirtschaftslage, von steigenden Kosten und dann auch noch der geopolitischen Lage: Wie kann man da nicht ein klein wenig Sicherheit und somit Kontrolle zurückhaben wollen? Egal, wie spießig das klingt, ich kann diese Sehnsucht nach Ordnung und geklärten Verhältnissen verstehen. Denn in der zahlen- und leistungsbasierten Jobwelt ist der Lohn natürlich das Äquivalent zu guter Arbeitskraft. Wenn die beiden sich aber nicht ausgehen, dann wird es kompliziert. Vor allem, in einer Welt, in der gerade alles teurer wird und Menschen global um ihre Existenzen fürchten. Es sinkt also die Bereitschaft sich für zu wenig ausbrennen zu lassen. Was im Umkehrschluss ja nur bedeuten kann, dass an diesem Punkt die (finanzielle) Wertschätzung nicht auf demselben Niveau ist, wie das, was reingesteckt wird. Die Rechnung geht einfach nicht auf.
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Act your wage ist kein Nein zur Arbeit, sondern ein Ja zu sich selbst
Während wir also in ganz anderen Bereichen unseres Lebens relativ stringent der Phrase „Act your wage“ folgen, scheint das Office-Pendant noch weniger ausgeprägt. Woran liegt das? Ist es die Angst vor Ablehnung und Kündigung? Der Druck der Hustle Culture und einer etwaigen FOMO, wenn man ihm nicht standhält? Oder wissen wir einfach mittlerweile gar nicht mehr, wie wir uns im Erwachsenenalter anders definieren sollen, als an (beruflichen) Leistungen? Denn irgendwie scheint das auch immer noch ein wichtiger Indikator oder Wert in vielen Bereichen unseres Lebens zu sein: dem Dating-Life, bei der Wohnungssuche oder dem Finden von Gleichgesinnten. Nicht umsonst ist die Frage nach „Was machst du so (beruflich)?“ eine der ersten, die sich Menschen beim Kennenlernen stellen.
@maddiemacho0o Acting your wage does not mean doing a bad job, it does not mean to be a crappy employee, it means doing the level of work required for your role, without all the extra stuff. #actyourwage ♬ original sound – Maddie | The Career Finesser
Wie wollen wir in Zukunft arbeiten und wovon wollen wir unser Leben bestimmen lassen?
Ganz so neu ist das Phänomen übrigens nicht. Auch schon in den 60er und 70er-Jahren wurde von den Hippies ähnliche Prioritätensetzungen etabliert. Es scheint fast so, als wäre das Ganze auch eine Art Generationenfrage. Selbst in der Pandemie wurde die Debatte zu unserem Verhältnis zu Arbeit neu angeheizt: Sind Arbeitnehmer:innen produktiver im Home-Office oder nicht? Wie sieht angestellt sein in der Zukunft aus und wie werden wir Arbeiten. „Act your wage“ addiert nur ein weiteres Layer hinzu – die Frage nach Wertschätzung und äquivalenter Kompensation.