In der Kategorie „Bester Film“ macht es sich zwischen neun Nominierungen ein Film einer Frau gemütlich. Immerhin. Little Women von Greta Gerwig steht in Konkurrenz zu The Irishman, Jojo Rabbit, Ford v Ferrari, Joker, Once Upon a Time… in Hollywood, 1917, Marriage Story und Parasite. Alle Filme von Männern. Alle Filme nicht unbedingt gut.
Academy Awards: And the Oscar goes to… weiße Männer
Die Academy Awards Nominierungen sind raus, und ich bin enttäuscht, aber nicht überrascht. Es ist nichts Neues. Never change a running system, heißt es doch, nicht? Denn es zeichnet sich erneut klar ab, wer nicht auf die große Oscar Party eingeladen wurde: Frauen. Die haben von den Nominierungen nämlich wieder mal herzlich wenig. Die Nominierungen der wichtigsten Awards „Beste Regie“ gingen zu 100 Prozent an Männer. Wieder mal. Die Regisseurinnen der Branche sind vermutlich nicht überrascht: In der gesamten Geschichte der Oscars wurden nur 5 (!) Regisseurinnen nominiert. Gewonnen hat eine. Kathryn Bigelow gewann den Titel Beste Regie mit dem Film The Hurt Locker. Das war’s. Ein doofer Zufall? Wohl kaum. Waren die Männer wohl einfach seit 1929 bis heute besser als die Frauen? Unwahrscheinlich.
Once Upon a Time
Fangen wir an mit dem Klassiker von Tarantino. Der Film zeigt das Hollywood in den 68er-Jahren und Leonardo DiCaprio und Brad Pitt in den Hauptrollen. Schon allein das ist eigentlich eine Garantie für wenigstens eine Nominierung. Alle lieben Brad Pitt und Leo. Alle lieben Tarantino. Dass dieser Film nicht gewinnen wird, hoffen wir jetzt alle mal, denn er war nicht nur der bisher schlechteste „Tarantino“ aller Zeiten. Er ist wieder mal ein Tarantino. Wie oft kann man ein und denselben Film in unterschiedliche Settings setzen und wieder auf eine Auszeichnung hoffen? Tarantino beweist es: verdammt oft. Und das Publikum wird nicht müde davon. Ich aber schon: Brad Pitts „Leistung“ war okay, aber flach. Divers war der Film natürlich nicht. Das Ende war so, wie ein Tarantino-Ende eben auszusehen hat. Der Film war langweilig, hat sich gezogen, und ich habe mir mehrmals gewünscht, dass er endlich vorbei war. Es passierte fast nichts in diesem Film und nur, weil er auf einer wahren Geschichte basiert, heißt das nicht, dass er deshalb gut ist. Das ändert gar nichts. Das einzig Gute an dem Film war die schauspielerische Leistung von Leonardo DiCaprio.
Marriage Story
Diese Baumbach-Indie-Produktionen sind nett. Aber von Oscar-Potenzial sind sie weit entfernt. Die Scheidungs-Geschichte in Marriage Story war vollkommen überbewertet und nicht mehr als ein netter Film für einen Sonntagabend. Die Dialoge waren konstruiert, die Charaktere flach. Das Kind hatte keinerlei Charakter, und ich war die meiste Zeit des Films verwirrt. Man verstand fast bis zum Ende nicht, was eigentlich das Problem zwischen den beiden war oder ist. Grundlegend sah man den Großteil des Filmes den traurigen Vater Adam Driver, der verzweifelt versucht, Mitleid zu erregen. Der große „Streit“-Showdown war dann eigentlich nur eine einzige Erklärung für den Grund der Trennung in der Beziehung. In Streits erklärt man aber nichts, sonder man fühlt. Gefühlt habe ich gar nichts, außer ein einziges Fragezeichen. Dieser Film war schlichtweg nicht gut.
Joker
Ich verstehe, warum Joker nominiert wurde. Er musste nominiert werden. Schließlich hat Joaquin Phoenix eine schauspielerische Meisterleistung vollbracht und sogar rund 25 Kilo für seine Rolle als tragischen Joker abgenommen. Ich will gar nicht wissen, wie viele Frauen bereits für etliche Rollen 25 Kilo abnehmen mussten, aber nun gut. Phoenix hat den Film gerettet. Er war zweifellos fantastisch, jedoch hat der Film ansonsten wenig zu bieten. Er war eine Kampfansage an den „Alten Weißen Mann“, obwohl im Grunde nur „Alte Weiße Männer“ in dem Film zu sehen waren. Weibliche Rollen? Gab es keine, außer die üblichen: Die Sozialarbeiterin (wer sonst) und die hübsche Nachbarin (natürlich). Diversität? Fast bei null. Der Joker wurde, ebenso wie die anderen Filme, nominiert, weil es auf der Hand lag, den Film zu nominieren. Verdient hätten es aber so viel mehr Filme, die neuer, frischer und anders waren.
Gerade in diesem Jahr hatten die nominierten Filme und Regisseure starke weibliche Konkurrenz, doch sichtbar ist sie bei den Academy Awards kaum bis gar nicht. The Farewell von Lulu Wang zum Beispiel, Little Women von Greta Gerwig, der doch immerhin für die Kategorie „Bester Film“ nominiert wurde, aber Gerwig nicht für die Kategorie „Beste Regie“, oder Queen & Slim von Melina Matsoukas, der erste Kinofilm der Regisseurin von „Lemonade“ von Beyoncé und erfolgreichen Musikvideoproduzentin. Unter anderem hätten es diese Filme nicht nur verdient, nominiert zu werden, weil sie von Frauen sind und teilweise einen diversen Cast vorweisen können. Sie sind gut. Sie sind besser, als einige Filme in den tatsächlichen Nominierungen.
Wie wichtig es ist, politisch gegen die männliche und weiße Dominanz auch im Film vorzugehen, sieht man wieder an den Oscars. Jedes Jahr werden die gleichen Gewinner gekürt und ähnliche Filme, die nach einem Schema F ablaufen. Eine weiße und männliche Besetzung, sowohl vor, als auch hinter den Kulissen, dominiert nach wie vor das gesamte Filmgeschäft. Ich bin gelangweilt davon und spreche für viele andere Menschen, die bei den Academy Awards nur gähnend die Augen verdrehen: enttäuscht, aber nicht überrascht.
Doch langsam – ganz langsam – aber sicher verändert sich auch in dieser Welt was. Die Presse wird laut und die Menschen beschweren sich. Das verursacht einen ganz schönen Druck in der Industrie. Und wer weiß. Wenn das so weiter geht, kann ich vielleicht irgendwann positiv über die Oscars schreiben.
3 Antworten zu “Academy Awards: And the Oscar goes to… weiße Männer”
Was die Dominanz des weißen Mannes angeht: agree. Aber:
„Unter anderem hätten es diese Filme nicht nur verdient, nominiert zu werden, weil sie von Frauen sind und teilweise einen diversen Cast vorweisen können.“
Hm. Nein. Da stimme ich nicht zu. Das wäre positive Diskriminierung. Ich möchte ja auch für meine Leistung belohnt werden und nicht dafür, dass ich eine Frau bin. Und das Kriterium in dem Fall ist auch nicht Diversity, sondern schauspielerische Qualität, etc. Wobei man da bei den Awards durchaus drüber streiten kann, ob die Richtigen nominiert werden.
Nichtsdestotrotz ist dieser Artikel eher ein Plädoyer für positive Diskriminierung als für Gleichbehandlung. Leider.
Hey Anna, ein diverser Cast sollte ein Kriterium bei der Bewertung sein. Der Beweis liegt in den Nominierungen: Es wurden fast nur weiße Männer nominiert, obwohl es auch in diesem Jahr einige Filme gab, die die nominierten Filme weit (!!) übertroffen haben. Das ist keine positive Diskriminierung. Das ist einfach nur Diskriminierung. Viele Grüße!
Hey Amelie,
aus der Feministen-Debatte halte ich mich raus, doch ich teile deine Bewertung für Marriage Story und Once upon a time zu jeweils 1000 %.
Gott sei dank hab ich marriage Story nur auf Netflix gesehen und nicht, wie den anderen im Kino. Das war ein Kaugummiabend, der nur durch die am Platz Bedienung in diesem Kino gewann. Leo war mehr als grandios. Warum Brad, der wie immer gespielt hat, den Preis absahnte, ist mir ein Rätsel.
Lieben Gruss Ava