Reader’s Note: You can’t hurry love
Vor einigen Monaten meldete sich ein ganz besonderer Bewerber auf unseren Praktikanten-Aufruf. Er nannte sich Berthold Spatz, ein 40-jähriger „bunter Hund“, der sich für keinen Job zu schade ist und sich während des Praktikums bei amazed braune Waden aufgrund der häufigen Trips wünscht. Ein Fake, so viel stand fest. Ein Fake, der von einem – wie sich herausstellte – Freund von uns geschrieben war und so gut und so amüsant, dass wir ihn baten, dies für uns zu wiederholen. Marcel heißt er, arbeitet bei einer Autofirma als, ja als was eigentlich? Er spricht nicht viel über seinen Job. Generell spricht er nicht viel, vor allem, wenn es nichts zu sagen gibt. In Deutsch war er immer durchschnittlich bis schlecht, da seine kreativen Texte für seine Lehrer keinen Sinn ergaben. Wir nutzen die Chance, den ungeschliffenen Diamanten Marcel für uns zu beanspruchen und ihn über seinen Job schreiben zu lassen. „Kein Problem“, meinte er, „ich habe 40 Stunden die Woche dafür Zeit“. Zu seinem ersten Artikel geht es hier entlang.
Wahrscheinlich kennt jeder diese eine Art von Dates. Du freust dich auf einen schönen Abend, in der Hoffnung deinen Seelenverwandten zu treffen. Doch nach kurzer Zeit stellst du fest: „Ich würde jetzt lieber einen Hugh Grant Film sehen, als hier zu sein“
Viele Verabredungen zeigen dir sehr schnell, dass es kein zweites Date geben wird. Dann gibt es aber noch diese, die fantastisch beginnen und sich richtig anfühlen. Nach mehreren Treffen wendet sich dennoch das Blatt und du stehst wieder am Anfang. Warum schreibe ich diesen Text eigentlich im Park, anstatt in der Arbeit, oder im Starbucks? Wie auch immer. Die nachfolgenden drei Szenarien zeigen unterschiedliche Abläufe, wie Dates in die Hose gehen können.
Szenario 1: Hell to the naw naw
Hat sie mich gerade wirklich beim Schwimmen gefilmt? Das ist unser erstes Date, verdammt! Wollte sie nicht mit ins Wasser? Es ist Ende August und die Sonne brennt auf der Haut wie nichts Gutes. Was solls. Ich entschließe mich, mit selbstsicheren Gang das Wasser zu verlassen. „Gib mir das Handy!“, wäre die passendste Reaktion. Zurück auf ihrem Badetuch unterhalten wir uns über unseren Werdegang. Wir kennen uns seit der ersten Klasse und hatten uns mehrere Jahre nicht gesehen. Nun weiß ich auch, warum. Sie wirkt viel zu erwachsen. Ihre Stimme erinnert mich an einen damals unvermeidbaren WC-Besuch am Busbahnhof von Zadar: Voll ätzend. Meinen Humor versteht sie nicht. Man sollte meinen, dass jeder Mensch den Naseklauscherz zum Brüllen komisch findet. Ich habe das Gefühl, sie will mich wegen Diebstahls anzeigen.
Je weniger ich sage, desto weniger spricht auch sie. Eine Taktik, die mich schon des öfteren aus kniffligen Situationen gerettet hat. Die Chemie stimmt einfach nicht. Ich weiß es. Sie weiß es. Es wird Zeit zu improvisieren. Mal eben den Gaumen mit der Zunge reizen, unauffällig seine Augen reiben – und schwupps di wupps leidest du an einer spontanen Heuschnupfenattacke. Mein Antiallergikum habe ich selbstredend zu Hause vergessen. „Ich würde jetzt gerne nach Hause fahren, um mich ins Bett zu legen.“ Geschafft. Daheim angekommen wird erstmal ein Bier getrunken.
Szenario 2: #whatthefuckiswrongwiththeworld
Wieso bin ich hier? Was mache ich hier? Ich trage Kopfhörer und kann zwischen drei verschiedenen Silent-Disco-Musikkanälen switchen. Mein Date grinst und fragt alle zwei Minuten, welchen Kanal ich gerade höre, während zwei Dutzend Menschen auf der Tanzfläche stehen und ausgelassen tanzen, als würde ihnen niemand zusehen. Der Abend ist gelaufen. Ich könnte gerade daheim sitzen und eine große Schüssel Fruit Loops essen. Am besten schmecken sie frisch aus der Mikrowelle (nie länger als eine Minute drin lassen!). Einen Cocktail später habe ich verstanden, worauf es hier ankommt: Musik hören und sich von dem Rest der Welt abschotten.
Glücklicherweise hat sie es jetzt auch verstanden und ich kann mich wieder den wirklich wichtigen Themen in meinem Leben widmen. „Werde ich je auf einem Pferd reiten?“, „Hat mir der Film „Arrival“ jetzt gefallen oder nicht?“, „Ich sollte eine Eisdiele eröffnen“, „Ein Milka Schoko Eichhörnchen wäre toll“, „Diesen Winter gehe ich Schlittschuhlaufen“, „Gibt es tatsächlich eine Pinguin-Allergie?“. Nur noch ein Toiletten-Gang und der Spuk hat ein Ende. Bin ich der Mann, mit dem sie gemeinsam an der Isar spazieren gehen möchte? Nein. Ist sie die Frau, mit der ich Baby-Schildkröten aus dem Botanischen Garten klauen will? Eher nicht. Wir verabschieden uns, wohlwissend, dass wir uns nie wiedersehen werden. Zum Glück kann ich jetzt perfekt vorbereitet bei „Ruck Zuck“ teilnehmen, ohne mich vor Oliver Geissen blamieren zu müssen.
Szenario 3: Sky is not the limit, space is
Sobald du erkennst, dass du den albernen Witz der Vinzenzmurr-Mitarbeiter „Wollen Sie auf der Leberkassemmel noch was drauf? – Nein Danke, ohne allem. – Auch ohne Leberkas?“ nicht mehr witzig findest, stimmt mit dir etwas nicht. Du hast dich mehrere Male mit einer Person getroffen. Alles läuft wie am Schnürchen. Doch nach kurzer Zeit fängst du an zu grübeln und fragst dich, ob das der Mensch ist, dem du eines Tages aus Liebe mitten in der Nacht den Kopf rasieren wirst, weil es dir egal ist, welche Frisur sie trägt. Außerdem ist es urkomisch. Kannst du mit diesem Menschen besprechen, warum du es unfair findest, dass es Blindenhunde gibt? Würde sie den grauen Pullover mit Pferdekopfaufdruck, den du ihr irgendwann schenkst, weil du es irgendwie musst, auch in der Öffentlichkeit tragen?
Letztendlich bist du so verwirrt, dass es keine weiteren Dates geben wird, weil du denkst, dass du keine Bedenken haben darfst. Diese Anhäufung von Gedanken und Zweifel machen dich unnötig schwer. Und wie willst du fliegen, wenn du zu viel Gewicht mit dir herumträgst? Nachdem du deinen Kopf gewaschen hast, kannst du sogar wieder über Fotos von Schimpansen in Anzügen, die gerade ein Meeting abhalten, lauthals lachen.
Die große Liebe zu finden, ist manchmal genauso kompliziert, wie zwei frisch gewaschene Leinentücher à 140cm x 200cm auf einem handelsüblichen Wäscheständer aufzuhängen. Du benötigst ein paar Versuche, um zu realisieren, dass du die Leinentücher bereits im Arm hältst und einfach einen anderen Wäscheständer kaufen musst. Miese Dates gehören zum Leben dazu. Du willst sie, aber du fürchtest sie. Und wenn du dem Ziel nahe bist, liebst du sie.
4 Antworten zu “Reader’s Note: You can’t hurry love”
lustig!
Oh Mann, der kann schreiben. War schon von seinem letzten Text schwer begeistert und der hier ist mindestens so gut. Danke fürs Versüßen der morgendlichen Ubahnfahrt und bitte: Lasst uns alle eine Eichhörnchen-Petition an Milka mailen!
Wie immer weltklasse
Einfach herrlich und irgendwie sehr #relatable