
Have a Feminist New Year: 8 Vorsätze für 2018
Es gibt da ein Problem mit Neujahrsvorsätzen. Abgesehen davon, dass man es sowieso nicht hinkriegt, jeden Tag drei Liter Wasser zu trinken, keine ganzen Serienstaffeln mehr zu bingen und weniger Pommes zu essen – die Linie zwischen Selbstoptimierung und Selbstgeißelung ist viel zu dünn. Anstatt also an sich selbst herumzumäkeln: Wie wär’s, wenn wir versuchen, uns zu lieben, wie wir sind und stattdessen lauter und furchtloser für unsere Überzeugungen einstehen? Das macht nicht nur die Welt zu einem bisschen besseren Ort, sondern auch uns zu zufriedeneren Menschen. Hier sind ein paar Vorschläge, wie das funktionieren kann.
1. Speak up!
Eine wütende Frau wird anders wahrgenommen als ein wütender Mann. Der Mann: durchsetzungsfähig und überzeugt. Die Frau: hysterisch und überspitzt. Hat vermutlich gerade ihre Tage. Diese Denkweise macht Frauen stumm, denn niemand will der Feminist Killjoy sein. Die weibliche Wut ist so schambesetzt, dass es sehr viel Mut braucht, laut zu werden. Lasst uns 2018 mutig sein und Menschen öfter für ihre diskriminierenden Aussagen in Verantwortung ziehen. Und wenn das bedeutet, dass ein lustiger Abend mit Freunden in eine Grundsatzdiskussion kippt, weil ein alter Kumpel einen sexistischen Witz gerissen hat: Dann sei es so! Diesen Frust in euch hereinzufressen macht unglücklich, während der Andere fröhlich weiter blondinenwitzereißend durch die Nacht zieht. Manchmal ist die Folge, dass man sich von uneinsichtigen Menschen distanzieren muss – aber viel öfter als man glauben mag stößt man damit ein Umdenken an. Und nur so wird Veränderung im Kleinen gemacht, die in eine große, bessere Welt münden kann – und euch die Genugtuung gibt, für eure Überzeugung eingestanden zu sein. Habt keine Angst davor, die Spielverderberinnen zu sein.
2. Seid Verbündete
Nur ein intersektionaler Feminismus ist ein ernstzunehmender Feminismus. Intersektionalität beschreibt die Verschränkung verschiedener Diskriminierungsformen: Sexismus, Rassismus, Homo- und Transphobie, Klassismus, usw. All diese Diskriminierungsformen hängen zusammen, sie bedingen und beleben sich gegenseitig, und wenn Feminismus konsequent sein will, dann muss er sich gegen jede Form von Ungerechtigkeit stellen und sich als Unterstrang einer sehr viel größeren Antidiskriminierungsbewegung sehen. Deswegen: Verliert nicht die Arten von Diskriminierung aus dem Auge, von denen ihr selbst nicht direkt betroffen seid. Werdet besonders laut für Menschen, die von mehreren Diskriminierungsformen gleichzeitig betroffen sind: Schwarze Frauen, Transpersonen of Color, gehandicappte Frauen, usw. Seid Verbündete! Fragt nach, hört zu. We’re all in this together.
3. Unterstützt andere Frauen
Eine Denkweise, die man sich mühsam abgewöhnen muss: Über andere Frauen herziehen. Hände hoch – wer hat alles seine gesamte Jugend damit verbracht? Die Wahrheit ist: Es macht nicht nur unglücklich, es ist auch Zunder für das Patriarchat. „Die hat sich aber gehen lassen“ – oh, entspricht sie jetzt nicht mehr dem Schönheitsideal, das uns alle unfrei macht? Wie verurteilenswert. „Bei der Party hat sie schon wieder einen abgeschleppt“ – cool, ich hoffe, sie hatte Spaß. „Gosh, sie postet nichts als Selfies“ – good for her, vielleicht findet sie sich schön. Let. People. Enjoy. Things. Das bedeutet nicht, dass ihr niemanden mehr unsympathisch finden dürft. Aber: Nur weil es nicht euer Ding ist, ihr etwas unästhetisch findet oder vielleicht wirklich ein bisschen neidisch seid, gibt euch das nicht das Recht, über das Leben und die Privatsphäre anderer Menschen zu urteilen. Das vergiftet die Lebensfreude aller Beteiligten. Wir werden schon genug von der Welt um uns herum fertig gemacht – also lasst uns wenigstens untereinander fair sein, uns unterstützen und nicht übereinander herziehen.
4. Nehmt mehr Platz ein
In einem Jornalismusseminar sagte kürzlich die Dozentin zu uns: „Wenn ich ein Mann wäre, würde ich Ihnen das niemals sagen, aber: Zu einer erfolgreichen Karriere braucht es weit mehr als Talent, es gehören immer Beziehungen und Timing dazu“. Diese Denkweise ist Frauen in Fleisch und Blut übergegangen: Hat man Erfolg, dann hat man eben Glück gehabt. Bloß nicht unbescheiden rüberkommen! „Erfolg ist kein Zufall“: Das hingegen ist die Devise, die Männern von Kleinauf eingetrichtert wird. Die falsche Bescheidenheit ist es, die Frauen – mal abgesehen von der systematischen Diskriminierung, die am Arbeitsplatz sowieso meist herrscht – klein hält und hindert, aufzusteigen. Also hört 2018 auf, euer Licht unter den Scheffel zu stellen, euch für alles zu entschuldigen und möglichst wenig Platz einzunehmen – nicht nur bei der Arbeit! Stellt euch im Zweifel einfach vor, ihr seid ein übermäßig selbstüberzeugter, weißer Dude. Und wenn ihr nur ein bisschen breitbeiniger als sonst in der U-Bahn sitzt: Vielleicht könnt ihr dann genau so einem ein bisschen Platz in dieser Welt streitig machen, denn von denen gibt es mehr als genug auf Chefsesseln, in Machtpositionen – und auf zwei U-Bahn-Sitzen gleichzeitig.
5. Unterstützt weiblichen Content
Frauen sind überall unterrepräsentiert: Sei es im Kino, in der Literatur, der Kunst, im Musikbusiness oder im Journalismus. Jede Kreativbranche der Welt hat vor allem eine Sorte Mensch in den Chefsesseln: Alte, weiße Männer. Und auch, wenn in den letzten Jahren viel Umbruch stattgefunden hat – am Ende sind wir noch lange nicht. Deswegen lohnt es sich, genauer hinzuschauen, bevor man sich ins Kino setzt, ein Buch kauft, auf ein Festival geht oder ein Magazin liest: Denn jeder Kauf ist ein kleines Statement. Und es mangelt wirklich nicht an Auswahlmöglichkeiten: Talentierte Frauen gibt es zuhauf in jeder Branche. Diese bewusst zu unterstützen ist nicht nur ein feministischer Akt, sondern eröffnet auch ganz neue Welten fernab des altbekannten „männlichen Blicks“, der die gesamte Popkultur dominiert.
6. Self love!
Der wichtigste und gleichzeitig schwierigste Vorsatz ist der, sich von den Erwartungen, die uns von außen übergestülpt werden, frei zu machen: Sei es die Bikinifigur, die möglichst erfolgreiche Karriere, der perfekte Partner oder die Sonne, die uns am Besten den ganzen Tag aus dem Arsch scheinen soll. Wir wissen eigentlich: Diese Makellosigkeit ist im wahren Leben für alle unerreichbar. Wir alle haben Downs, wir alle haben Selbstzweifel, wir alle haben Probleme in unserem Leben. Wir haben Cellulite, Pickel, Körperbehaarung und manchmal Blähungen. Und trotzdem sind wir alle schön! Damit es nicht mehr länger so abwegig ist, schön und unperfekt zu sein, müssen wir unsere Flaws im Jahr 2018 offener zeigen. Stehen wir zu unseren unglücklichen Momenten und zu unserer Cellulite. Hören wir auf, uns was vor zu machen. Dann fällt es auch weniger schwer, öfter einmal „Nein“ zu sagen: Nein zu all den Erwartungen, die wir glauben, erfüllen zu müssen. Und öfter einmal „Ja“: Ja zu Dingen, die uns Angst machen – weil wir sie uns aus Selbstweifeln nicht zutrauen. Und zum verdammten dritten Stück Torte. Ein revolutionärer Akt!
7. Holt Männer ins Boot
Dass Feminismus nicht nur das Leben von Frauen bereichert, haben wir ja inzwischen geklärt. Denn toxische Männlichkeit ist real: Die in unserer Kultur verbreitete Vorstellung von Männlichkeit macht Männer unfrei, hindert sie daran, Zugang zu ihren Emotionen zu finden und macht sie in extremen Fällen sogar nachweislich krank. Das scheinen auch immer mehr Männer zu begreifen – auch, weil die alte Vorstellung vom „männerhassenden Feminismus“ immer weiter ausstirbt. Trotzdem kann diese Masse an Information, die sich da ausbreitet, wenn man beginnt, Feminismus an sich heran zu lassen, ganz schön überfordern. Und da müssen wir ins Spiel kommen! Wenn ihr merkt, dass einer eurer Freunde echtes Interesse zeigt, dann holt ihn mit ins Boot! Erklärt ihm alles geduldig, Stück für Stück – auf dass feministische Männer in Zukunft nicht mehr wie Einhörner wahrgenommen werden.
8. Unterstützt junge Frauen
Was hätte ich dafür gegeben, wenn mir jemand im Alter von 15, 16 Jahren schon die Augen geöffnet hätte für all diese Ungerechtigkeiten, aufgestülpten Erwartungen und unnötigen Selbstzweifel, die uns als Normalität verkauft werden! Ich hätte mir so viele Jahre der Unsicherheit und des Falsch-Fühlens erspart. Aber ich musste mir alles mehr oder weniger selbst erarbeiten und so kam das erste Aha-Erlebnis erst Anfang 20. Dabei ist der Erwartungsdruck in der Pubertät am allergrößten, und der Bedarf nach Unterstützung, die einen bestärkt, sein eigenes Ding zu machen, riesengroß – weg vom GNTM-Schöheitsideal, einem von sexistischen Pornos verschobenen Bild von Sexualität und dem Gefühl, irgendwie nie genug zu sein. Deshalb ist es wichtig, dass ihr junge Mädchen in eurem Umfeld so früh und so viel wie möglich unterstützt, ihnen Input gebt und sie dazu ermutigt, sie selbst zu sein. Seien es jüngere Schwestern, Cousinen, Babysittingkids oder eure Nachbarskinder: Hier könnt ihr wirklich etwas verändern!
2 Antworten zu “Have a Feminist New Year: 8 Vorsätze für 2018”
Ich glaube ich habe soeben meine Lieblings-Vorsätze für 2018 gelesen. Danke dafür, die bestens zusammengefassten Reminder and diesen knackig geschriebenen Artikel!
Ein wirklich toller Artikel!
Daneben sehen Vorsätze wie „Öfter mal zum Apfel als zur Schoki greifen“ blass aus.
Vor allem Punkt 5 kann so ziemlich jeder mit ein bisschen Recherche umsetzen (und lernt dabei noch etwas mehr über die Frauen hinter dem Content!).
Liebe Grüße
Ana
http://www.disasterdiary.de