Warum ein Beautychannel nicht antifeministisch ist
„Wie kannst du dich nur mit etwas beschäftigen, das so vielen Frauen Komplexe einredet?“
„Es geht doch um viel mehr als um äußere Schönheit!“
„Kosmetik ist doch nur dazu da, dass Frauen sich schlecht fühlen und noch mehr konsumieren.“
Mit dem Start meines Youtube-Channels hagelte es Kommentare wie diese, weniger von euch Lesern, sondern von Menschen, die mich kennen und mir nahestehen. Die wissen, dass ich ein kritischer und reflektierter Mensch bin und nicht glauben konnten, dass ich plötzlich Beautyvideos auf Youtube drehe. Mit Reaktionen wie diesen habe ich natürlich gerechnet, denn das ist das Naheliegendste: Alles über einen Kamm zu scheren, Beauty mit Stumpfsinn, blindem Konsum und der Förderung von Komplexen gleichzusetzen und all das, was die letzten Jahrzehnte von Frauenmagazinen mit ihren Diät-Tipps bis zu Instagram-Accounts mit bearbeiteten Beachbodies verbrochen wurde in einen Topf zu schmeißen und zu verurteilen.
Zunächst also einmal zu den Grundgedanken: Kosmetik wird vielfach dazu benutzt, Makel zu eliminieren und uns allen einem, typisch weiblich konnotierten, Schönheitsideal näherzubringen. Wer diesem nicht entspricht, bekommt das Gefühl, nicht richtig zu sein. Das Streben nach Schönheit ist nichts Tiefgreifendes, wahre Schönheit kann nicht durch Äußerlichkeiten ausgedrückt werden. Und Konsum sollte ohnehin nicht das Mittel zum Zweck sein, um sich schöner, besser oder glücklicher dadurch zu fühlen. Menschen, und Frauen mit dem kulturell geprägten Fokus auf ihr Äußeres ganz besonders, sollten sich außerdem selbst als schön empfinden und auch von außen als schön betrachtet werden, so wie sie sind, und dafür keine Hilfmittel und auch keine Kosmetik brauchen.
Hinter all diesen Gedanken stehe ich, und trotzdem sehe ich dabei viele Dinge anders.
Tatsächlich hatte ich schon mehrmals das Gefühl, nicht „feministisch“ genug zu sein, so wie ich bin. Als sehr femininer Mensch, sowohl äußerlich, als auch charakterlich. Ich koche gerne für meine Freunde und umsorge sie, auch wenn sie männlich sind. Ich trage gerne Kleider, mag die Farbe Rosa und ja, ich mag auch Beauty. Ich schminke mich gerne, liebe Lippenstift und lange Wimpern. Ich fühle mich wohl darin, weiblich konnotierte Merkmale an mir zu betonen und fühle mich wohl in dieser Rolle, auch wenn mir bewusst ist, dass sie sozialgeschichtlich entstanden ist und wir alle an die festgezurrten Rollenbilder nur noch mehr festzurren, wenn wir uns darin wohlfühlen.
Ist der Grundgedanke des Feminismus aber nicht der, dass jeder so sein darf, wie er möchte? Und dass Weiblichkeit zwar hinterfragt werden darf und muss, aber auch völlig in Ordnung ist, wenn man sich gerne in dieser Rolle sieht? Heißt das nicht auch, dass die Beschäftigung mit Lippenstift und Nagellack nicht heißt, sich stumpfsinnig unseren Geschlechterrollen zu unterwerfen, sich dem System zu beugen und Komplexe zu schüren, gibt es nicht auch die Möglichkeit, dass man sich ganz freiwillig und gerne mit Beauty beschäftigt und daraus vielleicht sogar Body-Positivity zieht, Selbstliebe und einen liebevolleren Umgang mit sich selbst?
Ja, dieser Gedanke mag für einige vielleicht absurd erscheinen, aber für mich hat Beauty allen voran mit Selbstliebe zu tun. Wenn ich meine Haut pflege, mein Gesicht reinige oder meine Nägel lackiere, habe ich keinen Selbstoptimierungsdruck im Hinterkopf oder fühle mich ohne diese Handlungen hässlich, ich tue diese Dinge, weil sie mir gut tun und ich mich dabei nur mit mir und meinem Körper befasse. Ich liebe meine eigene Haut so sehr, dass ich sie gerne mit dem besten Sonnenschutz eincreme, dass ich trockene Stellen mit pflegender Creme einreibe oder meine Sommersprossen mit Highlighter betone, weil ich sie so schön finde. Ich mag meine Lippen so sehr, dass ich sie gerne anmale und ich liebe meine Haare so sehr, dass ich sie schneide, pflege oder auch mit Puder bestreue, um sie in all ihren Facetten zu feiern.
Zeit zu Hause mit mir selbst und Beautyeinheiten zu verbringen, hat etwas Meditatives, etwas sehr Ruhiges, etwas sehr Angenehmes. Ich nehme mir diese Zeit ganz bewusst nur für mich und mache meinen Körper damit zu einem Hobby, das mich glücklich macht. Beauty bedeutet für mich Zufriedenheit, Entspannung und Unabhängigkeit von allem, was man gerade so vor der Tür verpasst, es bedeutet Einklang und Selbstliebe. Natürlich kann man all das auch auf viele andere Weisen erfahren, für mich ganz persönlich verkörpert all das aber nun mal das Hobby Beauty.
Und genau das ist der Grund, weshalb ich auch in Videoform über die Themen sprechen möchte, mit denen ich mich ja ohnehin schon seit Jahren auf amazed beschäftige. Auf meine Art und Weise, die nicht jeden ansprechen wird und die nicht jeder nachvollziehen können wird. Ich verstehe jeden, der Beauty links liegen lässt und sich Wichtigerem zuwendet, und ich finde die Bewegung wunderbar, sich ganz ohne Kosmetik so zu finden und zu lieben, wie man ist. Antifeministisch ist dabei nicht, Beauty zu mögen – antifeministisch ist bei all dem nur eines: nur einen Umgang damit für richtig zu bewerten.
6 Antworten zu “Warum ein Beautychannel nicht antifeministisch ist”
„Ist der Grundgedanke des Feminismus aber nicht der, dass jeder so sein darf, wie er möchte? Und dass Weiblichkeit zwar hinterfragt werden darf und muss, aber auch völlig in Ordnung ist, wenn man sich gerne in dieser Rolle sieht?“
Danke! Muss mal gesagt sein.
Feminismus, das ist für mich die einzige permanente Revolution der Menschheitsgeschichte. Wie die Frauen sich über sich selbst klar werden, wie sie die Konventionen hinterfragen, wie sie sich gegen die männlichen Herrschaftsmodelle stellen, das vermeintlich Selbstverständliche hinterfragen und bei sich selbst damit anfangen, das ist etwas ganz anderes als das, was üblicherweise unter Revolution verstanden wird. Die kritische Selbstbespiegelung steht hier am Anfang, nicht, wie bei vielen Männern, am Ende der Geschichte. Die Frage: was mache ich da eigentlich, lässt sich gar nicht oft genug stellen, auch, und erst recht, von Männern. Frauen könnten für sie sogar Vorbild sein, denn Körperpflege und Geist- und Gemütpflege liegen nahe beieinander; sie sind überhaupt erst die Voraussetzung für das Glück.
Dein Blog, deine Videos = deine Entscheidungen und deine Meinung. Ich finde es super, dass Du das so reflektiert tust. Und ganz ehrlich- wer reflexhaft Beauty mit antifeministisch gleichsetzt, macht es sich etwas zu einfach. Liebe Grüße
Liebe Milena,
Bin gerade auf deinen Artikel aufmerksam gemacht worden und muss einfach sagen ‚Chapeau‘! Das Thema ist komplex und meinungsbehaftet und wird deshalb oft gemieden. Das finde ich wahnsinnig schade und dich deshalb umso mutiger! Gerne mehr davon!
Liebst, K.
Ach wie schön, danke liebe Karo!
[…] soll damit versucht werden zu erreichen, sondern die Selbstliebe zelebriert werden – hier habe ich schonmal mehr Worte zu diesem Thema verloren. Sich die Zeit zu nehmen, das Gesicht oder […]