Amelie in Kenia: Part 1 – Erster Eindruck, Ankommen, Ambivalenz
Amelie machte eine achttägige Pressereise mit Tourism Board durch Kenia. Eine Geschichte in 3 Teilen.
„Was war für heute dein Highlight?“, fragt mich Sascha, ein Teilnehmer der Pressereisegruppe von Filmemacherdeutschland, mit der ich die kommenden acht Tage in Kenia verbringen soll. Wir sitzen auf der Dachterrasse in einem der wenigen Luxushotels in Mombasa und trinken Wein, es ist 18 Uhr, die Sonne verabschiedet sich bereits in Form eines beeindruckenden Sonnenuntergangs. Denken fällt mir schwer, wir haben bereits eine 26-stündige Anreise hinter uns, in der ich kaum ein Augen zugetan habe, wir haben Cracker mit Chilisauce gefrühstückt, am Gate 8 in Addis Abeba meditiert, um eventuelle Nervenzusammenbrüche zu vermeiden und versucht, uns an die Tatsache zu gewöhnen, einen völlig fremden Kontinent mit sieben unbekannten Menschen auf engstem Raum zu erforschen. Mit „Wir“ meine ich Sarah Radowitz, freie Journalistin unter anderem für This is Jane Wayne, und mich. Zwar kenne ich Sarah auch nur von einem Aufeinandertreffen vor ungefähr zwei Jahren, aber sie fühlt sich an wie eine alte Freundin. Wir teilen uns das erste Zimmer in Mombasa im Hotel EnglishPoint Marina.
Blick aus Sarahs und meinem Zimmer im EnglishPoint Marina, kurz vor dem ersten gemeinsamen Abendessen
„Ankommen.“, antworte ich. Und es stimmt, nach der erschöpfenden Anreise war das Gefühl, von unseren Tourguides Eppi und Josephine von Tourism Board abgeholt zu werden, in dem Van zu sitzen und aus dem Fenster zu starren, unbeschreiblich. Ich war noch nie in Kenia und wusste nicht, worauf ich mich einlasse. Und plötzlich bist du da, in diesem Land, 5000 Kilometer von zu Hause entfernt, und fährst an Slums vorbei und durch durch eine Stadt, die du in dem Stil höchstens einmal im Fernsehen oder auf Fotos gesehen hast. Isst indisches Essen zum Lunch (warum auch immer) in einem Luxusrestaurant in der Innenstadt. Gemischte Gefühle. Das ist Realität, und ich brauche noch lange, um das zu verstehen. Bisher fühlt sich alles an wie ein absurder Traum. Ich hier? Für acht Tage? Ich verabschiede mich um 20 Uhr und schlafe binnen wenigen Sekunden ein.
Der kommende Tag ist vollgepackt mit Eindrücken aus Mombasa. Nach einem westlichen Frühstück (Rührei, Pancakes, Kaffee) und ein bisschen Obst (immerhin) machen wir uns auf ins Bombolulu Village.
Ankommen in Mombasa: Die ersten Eindrücke
In dem kleinen Dorf fertigen körperlich behinderte Menschen Schmuck, Kleidung, Geräte, eigentlich alles, für ein anständiges Gehalt. Viele Bewohner des Dorfes leben vor Ort, nebenan findet sich eine Schule für körperlich behinderte Kinder. Wir steigen nach einer einstündigen Fahrt unsicher aus dem Van aus. Wollen die uns überhaupt hier? Stören wir die Leute? Doch alle Bewohner, Arbeiter und Mitarbeiter des Dorfes begrüßen uns so herzlich, dass uns anfängliche Unsicherheiten innerhalb kürzester Zeit genommen werden. Sie freuen sich über unseren Besuch und darüber, uns etwas über ihr Leben und das Bombolulu Village erzählen zu können. Jeder, der sich in Mombasa aufhält, kann das Dorf besuchen und jeder, der sich in Mombasa aufhält, sollte das Dorf auch besuchen. Am Ende der Tour werden wir in einen Shop geführt, in dem die gefertigten Produkte verkauft werden. Der Erlös geht zu 100% an das Dorf. Ein Grund, shoppen zu gehen. Die Berührungsängste und schlechten Gefühle gegenüber den Bewohnern kommen immer wieder auf. Die finanzielle Distanz, der weiße Tourist unter schwarzer Armut (darf man schwarz überhaupt noch sagen?), man schämt sich für seine Existenz. Man hasst das System. Gleichzeitig weiß ich aber, dass ich nur eines tun kann: nett lächeln. Respekt zeigen. Den Leuten zu hören. Mich wie kein Arschloch benehmen. Und das aushalten, was tagtäglich passiert, ob vor meinen Augen oder 5000 Kilometer entfernt.
Das Bombolulu Village + unser Guide Ali, Halbblind
Danach: Supermarkt. Danach: Lunch (ich esse Garnelen). Danach: kurz ins Meer. Danach: zurück ins Hotel. Danach: duschen. Danach: Abendessen (ich esse Garnelen). Wir treffen wieder auf der Terrasse zusammen, Gruppendynamik: höflich, zurückhaltend, distanziert. Wir überzeugen alle mit den über die Jahre angesammelten Fähigkeiten des Small Talks auf höchstem Niveau. Lässig, entspannt, kalkuliert. Sarah und ich sehen in die Runde und wissen, dass sich hier jeder einzelne Charakter voneinander ambivalent unterscheidet. Kann ja heiter werden. Wer hätte zu diesem Zeitpunkt gedacht, dass mein Respekt vor Krankheiten und Scheißerei eine Angst vor ausgedehnten Gesprächen über Krankheiten und Scheißerei mit eigentlich völlig Fremden sein sollte. Zwischendrin der immer wieder aufkommende Gedanke: FUCK. Ich bin in Kenia. IN KENIA. Mit IRGENDWELCHEN Leuten (und Sarah). Ich schicke gelegentlich Sprachnachrichten an Freunde und Familie, die eigentlich nichts anderes an Infos beinhalten als das. 21 Uhr, ich falle ins Bett und schlafe wieder sofort ein. Der nächste Morgen führt uns für die restliche Zeit unseres Trips in die einsame Wildnis und wird uns als Gruppe näher zusammen führen als mir lieb ist.
Supermarkt, Meer, Lunch
6 Antworten zu “Amelie in Kenia: Part 1 – Erster Eindruck, Ankommen, Ambivalenz”
Ach ich liebte meine Zeit in Kenia. Hoffe, der zweite Part klingt positiver!
Sehr interessanter Beitrag, bin gespannt auf die Fortsetzung! :)
Unheimlich gut und irgendwie so nahegehend ge-und beschrieben – bin gespannt auf die weiteren Teile!
Danke, dass du uns mit nimmst! Sehr spannend!
Alles Liebe, Sandra
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